Aufgabe 2: Das Ende vom Lied? - Technologische Entwicklungen des Internets und ihre Auswirkungen auf die Musikindustrie

Lisa.Reinthaler.Uni-Sbg, 19. April 2010, 17:25


Die Musikindustrie ist am Ende. Ausgezehrt, am Boden liegend, kurz vor dem Ruin. Und schuld daran: das Internet und sein bösen Download-Piraten! So weit, so bekannt.

Zweifelsohne fand sich der Musikbetrieb im vergangenen Jahrzehnt mit einschneidenden Umbrüchen auf dem kommerziellen Sektor konfrontiert. Technologische Entwicklungen wie die Wandlung von Musik und Filmen zu digitalen Gütern, Standards der problemlosen Datenkomprimierung und schließlich die Etablierung des Internets als ideales Medium des weltweiten Austauschs derartiger Produkte führten zu signifikanten Veränderungen in der Nutzungspräferenz vor allem jugendlicher Konsumenten (vgl. Peitz/Waelbroeck 2006). Die Hauptgeschichte des technologiegetriebenen Umbruchs der Musikindustrie begann Ende der 1990er-Jahre und wurde geprägt von zwei durch branchenexterne Akteure angestoßene Entwicklungen: Die Gründung der Musiktauschbörse Napster Inc. 1999 bildete den Auftakt eines fulminanten Aufschwungs kostenlosen Musiktauschs über das Internet, der die folgenden Jahre prägte (vgl. Dolata 2008: 14ff). Programmiert von Shawn Fanning arbeitete die Napster Software erstmals nach dem Peer-to-Peer (P2P) Prinzip. Sie durchsuchte den Rechner, auf dem sie installiert war, nach MP3-Dateien und meldete die Ergebnisse an einen zentralen Server im Internet, wo auch die Angebote und Suchanfragen der anderen Teilnehmer eingingen. Der Server meldete als Ergebnis auf eine Anfrage die IP-Adressen der Computer zurück, die die gesuchte Musikdatei anboten. Die beiden Clients konnten sich daraufhin direkt miteinander verbinden (Peer-to-Peer) und das Musikstück übermitteln. Bis zu 40 Millionen User weltweit, eine Klage wegen Copyright-Vergehens der Recording Industry Association of America (RIAA) als Branchenverband der großen Plattenfirmen sowie eine einstweilige Verfügung gegen Napster im Jahr 2000 waren die Folge der revolutionären Idee Fannings. Prominente Folgeprodukte des Erstlings Napster im Bereich kommerzieller Musiktauschbörsen: Gnutella, Kaaza oder Limewire (vgl. Röttgers 2003: 16 f).

2003 markierte dann der Start des iTunes Music Store von Apple den Beginn eines tragfähigen kommerziellen Geschäfts mit Musik-Downloads aus dem Netz, das seit 2006 in relevante Größenordnungen hineinwächst. Mittlerweile zählt der Online-Erwerb von Musik aller Coleurs als Standard und beeinträchtigt auch das Tagesgeschäft der Musikindustrie beträchtlich. 2009 entfiel erstmals mehr als ein Viertel des Umsatzes aus dem Musikverkauf auf das Online-Geschäft, der Umsatzanteil digitaler Musik wuchs weltweit auf 27 Prozent. 4,2 Milliarden US-Dollar wurden im Jahr 2009 mit dem Verkauf von digitaler Musik eingenommen. Nach Auswertungen unterschiedlich angelegter Langzeitstudien aus 16 verschiedenen Ländern schätzt die IFPI (International Federation of the Phonographic Industry), dass sich in Europa jeder fünfte Internet-Nutzer zur Deckung seines Musikbedarfes regelmäßig aus musikalischen Tauschbörsen bedient (vgl. IFPI Digital Music Report 2010).

Soweit die Fakten: Technologische Entwicklungen (mit speziellem Fokus auf den Online-Bereich) führen zu gesellschaftlichen und sozioökonomischen Umwälzungen. Die Frage, die sich mir in Bezug auf das Thema Internet, Downloads und Musikindustrie stellt, ist, wie mit dem technischen Fortschritt und den daraus resultierenden Möglichkeiten gesellschaftlich, ökonomisch und rechtlich umgegangen wird. Aktuell ist das Stöhnen und Jammern in der Branche groß. Kostenloser Download von Musikdateien aus dem Netz ist illegal - und dennoch: „jeder“ tut es. Meiner Meinung nach ist das Schwert hierbei ein zweischneidiges. Einerseits verstößt das illegale Saugen von Musik gegen das Copyright-Recht und kommt dem Diebstahl geistigen Eigentums des jeweiligen Künstlers gleich. Hier gilt es abzuwarten, wie sich die rechtliche Lage in den kommenden Jahren gestaltet um gegen derartige Piraterien vor- bzw. mit ihnen umzugehen. Andererseits kann das Internet auch als Hoffnungsträger einer maroden und hoch konzentrierten Musikbranche gesehen werden. Neue Technologien und Portale wie Myspace oder YouTube eröffnen vollkommen neue Wege der Distribution und Präsentation abseits der Major-Labels. Besonders junge und noch unbekannte Künstler haben so die Möglichkeit, ihre Musik recht einfach und schnell einem großen Publikum zugänglich zu machen und sich so von den tongebenden Konzernen zu emanzipieren. YouTube-Stars wie „Britain’s got Talent“-Kandidatin Susan Boyle oder die britischen Indie-Rocker Arctic Monkeys, die ihren Ruhm quasi über Nacht im Netz erreichten, sind eindrucksvolle Beispiele einer derartigen Internet-Karriere.

Die Prophezeihung der britischen Electro-Pop-Band The Buggles in ihrem Hit „Video killed the Radio Star“ (1979) fand ihre Umsetzung in der musikalischen Realität nicht – bleibt abzuwarten, wie sich die Entwicklungen zum Thema Internet & Musikindustrie gestalten...






 




Quellen:


Dolata, Ulrich (2008): Das Internet und die Transformation der Musikindustrie. Rekonstruktion und Erklärung eines unkontrollierten
sektoralen Wandels. Online im Internet: http://www.mpi-fg-koeln.mpg.de/pu/mpifg_dp/dp08-7.pdf (Stand 15.04.2010)

Peitz, Martin/Waelbroek, Patrick (2006): Digital Music. In: Gerhard Illing/Martin Peitz (Hg.), Industrial Organization and the Digital Economy. Cambridge: MIT Press, 71–144.

Röttgers, Janko (2003): Mix, Burn & R.I.P. Online im Internet: http://www.mixburnrip.de (Stand 15.04.2010)

IFPI Digital Music Report 2010. Online im Internet: http://www.musikindustrie.de/fileadmin/news/presse/DMR2010_FINAL_FOR_LAUNCH.pdf, Stand 17.04.2010).

2 comments :: Kommentieren

Johannes.Mitterer.Uni-Sbg, 19. April 2010, 19:35

Es stimmt, dass die Musikindustrie durch das Internet vor neue Herausforderungen gestellt wurde. Durch die notwendige Neustrukturierung ergeben sich hoffentlich Möglichkeiten, den Künstlern wieder den großteil der Einnahmen, die mit Musik generiert werden, zukommen zu lassen. Denn derzeit kriegen diese ja nur einen Bruchteil dessen, was mit Musik erwirtschaftet wird, der großteil geht an die Labels.

In meinem Beitrag habe ich mich mit der Monopolstellung der IANA beschäftigt - vielleicht interessiert es dich ja!

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Karina.Umdasch.Uni-Sbg, 19. April 2010, 21:53

Einige Ansätze zur gesellschaftlichen und ökonomischen Bedeutung technischer Netzwerke hast du ja bereits in meinem Beitrag gelesen.

In der Tat zeigt dein Beitrag ein interessantes Beispiel für die praktische Anwendung technischer Netzwerke. Lustig ist, dass ich gerade vor einer Woche einen französischen Leserbrief zu diesem Thema (illegaler Musikdownload) geschrieben habe, den ich vielleicht (für diejenigen, die auch Französisch können) bald online stellen werde.

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