Statement 5 - Kulturimperialismus/Long Tail/Digital Divide
liesa.herbst.uni-sbg, 19. Juni 2011, 12:58
Dieser Beitrag ist als inhaltlich anknüpfende Ergänzung zu dem höchst interessanten Statement von Simone Schoendorfer zu lesen, in welchem sie sich mit der Frage des Kulturimperialismus in Verbindung der Long Tail-These beschäftigt hat. Die Zukunft der Nischen (The Long Tail) fasst sie "als potentielle Chance, dieser Verflachung beziehungsweise Vereinheitlichung [als Folge des gegenwärtigen Kulturimperialismus; LH] entgegenzuwirken".
Ich teile absolut die Ansicht der Verfasserin, dass Nordamerika nach wie vor, trotz allen wirtschaftlichen Machtverschiebungen in den letzten Jahrzehnten, nach wie vor eine dominante Stellung als "Kulturübermacht" am Weltmarkt einnimmt und den restlichen Kulturen einen stark amerikanisch "gefärbten" Kultureinfluss (mehr oder weniger freiwillig) "aufdrückt" - was letztendlich zu einer kulturellen Vereinheitlichung führt.
Im Sinne des Long Tails haben Nischenprodukte durch das World Wide Web eine vergrößerte Chance angeboten beziehungsweise konsumiert zu werden, da sonst allfällige Kosten wie Verkaufsräume zu bezahlen im E-Commerce schlicht wegfallen. Frau Schoendorfer schlussfolgert auf sehr interessante Weise: "Das Wide Web bietet Raum für Nischenprodukte und Nischenprodukte ermöglichen mehr Vielfalt."
Tatsächliche Vielfalt durch das World Wide Web?
Die Frage, die sich aus dieser Schlussfolgerung bei mir ergeben hat, ist, ob tatsächlich das World Wide Web die erhoffte kulturelle Vielfalt zu gewährleisten vermag oder ob es nur zu einer scheinbaren aber keiner reellen Verflachung der imperialen Position einzelner Kulturen kommt? Für diesen Zweck muss untersucht werden, welche Kulturen denn bislang vom World Wide Web profitieren konnten, welche Länder nach wie vor an der Beteiligung zur Schaffung kultureller Vielfalt im Medienkonsum ausgeschlossen sind. Ein Begriff drängt sich in diesem Zusammenhang förmlich auf: der Digital Divide.
Digital Divide
Digital Divide refers to the gap between those who can benefit from digital technology and those who cannot. Closing the Digital Divide therefore means more than just giving the same technologies already received by the rich. Closing the Divide involves restructurin the telecommunications sectors in each nation so taht broadbadn's benefits can flow to the masses, not just the elite urban sectors of emerging markets. (Craig Warren Smith, Gründer des Digital Divide Institute)
Die Politikwissenschaftlerin Pippa Norris von der Universität Harvard geht in ihrem Buch "Cosmopolitan Communications: Cultural Diversity in a Globalized World" einer sehr passenden Frage für meinen Beitrag nach. Inwiefern hat das Internet, aber auch die Massenmedien im Allgemeinen Einfluss auf die kulturelle Vielfalt in der Welt?
Norris hat die globale Verbreitung von Medien mit Wertestudien verglichen. Ihrer Meinung nach ist die Macht der Medien, des Internets beschränkter, als wir es bisher annahmen. Es sei ein Trugschluss, davon auszugehen, dass die gesamte Welt miteinander verbunden sei, denn manche Regierungen (z.B. China, Iran, Nordkorea) errichten verschiedene "Firewalls" um ihre kulturellen Werte förmlich zu schützen - aber auch weltoffene Medien daran hindern, nationale Kulturen zu verändern.
Demnach darf das Einwirken von einer Kultur auf andere meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang nicht nur als Verflachung oder Vereinheitlichung im Sinne des Kulturimperialismus verstanden werden. Medienzugang bietet auch das Potenzial zur kulturellen Öffnung.
Hindernisse einer kulturellen Vermischung am Beispiel Chinas
China, die heute größte Internetnation, mit derzeit rund 384 Millionen Userinnen und Usern, bekämüft wie kein anderes Land demokratische Tendenzen im Internet. Stimmen außerhalb Chinas sprechen davon, dass sich das Land mit eienr sprichwörtlichen "Großen Mauer", einer "Firewall" umgeben hat, um auswärtige kulturelle Einflüsse und angeblich unangebrachtes Denken abzuhalten. Mit einer Mischung aus gigantischem Zensurappart und westlicher Filtertechnik bekämpft China das freie Netz. Die Filterung des Webs geschieht nicht mehr nur nach URLs, sondern auch nach Schlüsseworten - "dank" der Unterstützung westlicher Konzerne, welche die Ausstattung dafür bereitstellen. Der US-amerikanische Netzwerkaustatter "Cisco System" soll maßgeblich an der Erneuerung des Internet-Backbones beteiligt sein, da verbessertes Equipment mit Überwachungssoftware geliefert wurde. (Mehr Informationen zu diesem Fall hier nachzulesen.)
Andere, beispielsweise afrikanische Länder wie Ghana oder Mali sind zwar demokratisch regiert, haben aber schlichtweg aus ökonomischer Not heraus keine Chance, am medialen Leben teilzunehmen.
Firewalls in in unseren Köpfen
Norris bringt zudem den Einwand, selbst, wenn weltweit erreicht wäre, dass jeder einzelne Haushalt mit einem Internetanschluss (und Kabelfernsehen) versorgt wäre, führe dies dennoch zwangsläufig nicht zu einem kulturellen Einheitsbrei. Unsere Werthaltungen seinen nicht nur durch die Medien geprägt, sondern vielmehr von Familie, den "peers", Religion, etc. Sie nennt es eine "psychologische Firewall", die uns an unseren kulturellen Werten festhalten lässt.
Mehr Infos zu dem Buch von Pippa Norris: hier
Ich vertrete durchaus die Überzeugung, dass Medienkonsum, der stark beispielsweise amerikanisch geprägt ist, durchaus Einfluss auf unsere Überzeugungen nimmt. Sei es in der Rezeption von amerikanischer Musik oder Filmen. So spurlos geht das alles nicht an uns vorüber, was aber bestimmt nicht zur "Auslöschung" bisheriger kultureller Wertehaltungen führt.
Meiner Meinung liefert das World Wide Web bestimmt ein großes Potenzial in der Vervielfältung von kuluturellen Produkten. Vieles geht einfacher. Noch unbekannte Künstler haben es mit Sicherheit leichter, ihrer Stimme auf unterschiedlichsten Portalen wie myspace oder youtube öffentlich Gehör zu verschaffen. Wer etwas anbieten möchte, macht dies einfach online - und vor allem kostengünstig. Die Hürden sind kleiner geworden, doch nach wie vor ist das Mitmischen am kulturellen Austausch an Bedingungen gebunden: in einem Land zu leben, das die Freiheit an Information und Meinungsäußerung gewährleistet und vor allem den wirtschaftlichen Reichtum zu haben, an einen Internetzugang ranzukommen.
6. Statement
simone.schoendorfer.uni-sbg, 24. Juni 2011, 17:14
Hier findet sich der Link zu meinem 6. Statement, in dem ich sämtliche Zukunftsaspekte zusammenfasse - so auch Aspekte, die du hier aufgreifst.