Praesentation Der Einzug der Elektrik

Fabian.Prochazka.Uni-Sbg, 20. März 2011, 20:47

Neben den Sammelkarten von Hildebrandts Deutscher Schokolade stützt sich der Teil unserer Präsentation, der sich mit den Zukunftsvisionen Anfang des 20. Jahrhunderts beschäftigt, auf Zeichnungen aus der französischen Nationalbibliothek von 1910. Unter dem Titel "En l'an 2000" hat ein Künstler oder eine Künstlerin namens Villemard seine Vorstellungen vom Leben im Jahr 2000 festgehalten. Die historischen, politischen und gesellschaftlichen Hintergründe dieser Zeit finden sich in Philips Blog.

 

eLearning 1910

In Villemards Vorstellung von der Schule im Jahr 2000 lernen die Schüler mittels Denkhelmen, die den Inhalt von Büchern direkt in ihre Köpfe speisen. So schön die Vorstellung ist - sie bleibt wohl auch aus unserer Perspektive noch eine Zeit lang Zukunftsmusik. Interessant an diesem Bild ist, dass Bücher immer noch als Trägermedium von Wissen angesehen werden - die Entwicklungen der Digitaltechnik hat Villemard nicht antizipiert. An diesem Beispiel zeigt sich sehr eindrücklich die Problematik von Zukunftsprognosen: Sie sind immer nur eine Extrapolation der Gegenwart und ihrer technischen Voraussetzungen, können aber echte Innovationen selten vorhersehen:

"Jede Annahme über zukünftige Errungenschaften basiert auf bisher erreichten Innovationen und realisierten Erfindungen, statt sich von diesen zu lösen und in gänzlich neuen Bahnen zu denken."(Weigert 2011: o.S.)

Mit dieser Problematik setzt sich auch Philip in einem Beitrag zu unserer Präsentation auseinander. Die Tatsache, dass der Junge die Maschine von Hand betreiben muss, verdeutlicht ebenso die Denkweise, die in der Gegenwart verhaftet bleibt:

Schüler lernen mittels Denkhelmen

(Quelle: Französische Nationalbibliothek)

 

Skype 1910

Eine andere für unseren Kontext relevante Vision Villemards is die des Bildtelefons. Mit einer umständlichen Apparatur (und einem Mann, der die Maschine bedient!) ist es in Villemards Vorstellung im Jahr 2000 möglich, eine Bild- und Tonverbindung mit weit entfernten Personen aufzubauen. Dass seine/ihre Vision schon weniger als 30 Jahre nach diesen Bildern Realität wird, habe ich in meinem Statement zur Einheit von letzter Woche bereits ausgeführt.

Mann telefoniert via altertümlichem Bildtelefon

(Quelle: Französische Nationalbibliothek)

Radio 1910

Viellemards dritte kommunikationstechnologische Zukunftsvorstellung wurde bereits deutlich früher verwirklicht, als das Bildtelefon. Was er/sie in seinem/ihrem Bild als "Gazette du XXI. Siecle" bezeichnet, ist nichts anderes als das Radio, das in den frühen 20er Jahren von Villemards Jahrhundert Realität wurde. Auch wenn die technische Neuerung korrekt vorhergesagt wurde, traf Villemard mit der Analogie zur Zeitung dennoch eine Fehleinschätzung. Das Radio war nie in der Position, die Zeitung zu verdrängen, wie Villemard es hier andeutet. Interessant ist, dass der Tod der Zeitung ebenfalls ein wiederkehrendes Element vieler Zukunftsprognosen zu sein scheint - auch in der Dokumentation "Richtung 2000" wird der Aspekt angesprochen.  

Mann und Frau hören Radio

(Quelle: Französische Nationalbibliothek)

 

Im Vergleich zu den Sammelkarten von Hildebrandts Deutscher Schokolade fällt bei den Visionen Villemards eine viel stärkere Konzentration auf die Möglichkeiten der Elektrik auf. War in den Zukunftsprognosen um 1900 noch die Mechanik in Form von beweglichen Bürgersteigen oder der Schiffseisenbahn dominant, beschäftigt sich Villemard kaum zehn Jahre später bereits viel mehr mit elektrischen Innovationen. Das illustriert die Geschwindigkeit der technischen Entwicklung dieser Zeit. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts entstanden eine Vielzahl von Innovationen auf dem Gebiet der Telegraphie, wie etwa die erste Radioübertragung 1906 durch den Kanadier Reginald Fessenden und Guglielmo Marconis Funkverbindung über den Atlantik im Jahr 1902 (vgl. Belrose 1995: o.S.). Villemards Zukunftsvorstellungen waren offenbar entscheidend von diesen Innovationen der Zeit geprägt. 

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