Aufgabe 3: Überholtes Recht? Oh ja.
sascha.naderer.uni-linz, 7. Juli 2011, 16:23
Der Datenschutz
Einleitende Worte
Irgendwann gab es diese Geschichte mit dem Mädchen, das ihren Job verlor, weil sie sich auf Facebook über ihren Boss beschwerte:
(Applicant - How To Lose a Job Via Facebook In 140 Characters or Less, http://applicant.com/how-to-lose-a-job-via-facebook-in-140-characaters-or-less/)
Und dann verbreitete sich das Video der depressiven Frau, die Spaß hatte, die Erinnerungen vom Spaß mit ihren Freunden und der Welt teilte und daher keine Versicherungszahlungen mehr erhielt:
(ABC News - Depressed Woman's Facebook Fight, http://abcnews.go.com/video/playerIndex?id=9152862)
- Waren diese Handlungen ungünstig oder im ersteren Fall sogar dumm? Allerdings.
- Wären sie vermeidbar gewesen? Gut möglich.
- Ist es ausgeschlossen, dass der - sei es der künftige oder aktuelle - Arbeitgeber in Sphären eindringt, die man nicht für möglich hält bzw. die ihn eigentlich nur wenig angehen? Absolut nicht.
Nach dieser Erkenntnis sollte ich eigentlich aufhören: In Anbetracht des erstaunlichen Google-Pagerankings der collabor-Blogs könnte mir nämlich genau dieser Beitrag in Zukunft zum Verhängnis werden. Dieser Blog wird in der nächsten Zeit auftauchen, wenn man meinen Namen googlet. Warum sollte ich mir also in das eigene Fleisch schneiden? Ist mir meine Reputation egal? Hab ich ohnehin schon zu viel "Dreck am Stecken"?
Ich teile mich mit, ich zeige mich
Das muss gar nicht so sein: Wenn allerdings der Wille ("Ich habe Freunde, die es mögen, wenn ich meine Urlaubsfotos auf Facebook hochlade") bzw. der Nutzen ("Schreibe ich meinen collabor-Artikel, bekomme ich Hausaufgabenpunkte und somit eine bessere Note.") des Teilens größer ist als die Vernunft, ist einem dieser Umstand - wenn auch nur kurzfristig - nicht so wichtig.
Und genau das ist der Punkt: Entweder ist man sich der Gefahr nicht bewusst und lebt vor sich hin. Oder man weiß über die Gefahren Bescheid, fühlt sich aber zu klein, dagegen anzukämpfen.
Nun stellt sich die Frage: Habe ich als durchschnittlicher Social Network-User bzw. als langjähriger Anwender des Internets zu viele Spuren hinterlassen? Wie vorbelastet bin ich? Ich tippe "Sascha Naderer" in Google ein (machen Sie sich nicht die Mühe, klicken Sie einfach hier: http://www.google.com/search?q=%22Sascha+Naderer%22) und finde Folgendes:
- Mein Facebookprofil als erstes Ergebnis
- Meine Twitterseite: Ich twittere nicht, ich lese nur.
- Meine 123people.at-Seite: Dieser Dienst sucht alles über mich und fasst es säuberlich zusammen, wohl sogar noch besser als Google. Die Seite habe ich nicht eingerichtet. Durch meine Handlungen aber irgendwie doch.
- Mein Collabor-Blog
- Die Homepage des Oberbank-Hobbyfußballteams: Nun weiß jeder, dass ich im Jahre 2008 ein Tor erzielt habe.
- Eine Seite auf fm4.orf.at, die meinem Foto gewidmet wurde.
- Eine subtext.at-Seite, die zeigt, dass ich Crossing Europe-Karten gewonnen habe.
Die Liste geht noch viel weiter. Mein Name spuckt 617 Ergebnisse aus.
Bringt mich das Private um den Job?
Doch ist das überhaupt entscheidend? Wird ein Unternehmer sich für diese Informationen interessieren?
"Unternehmen durchleuchten aus meiner Erfahrung keine Kandidatenprofile im Social Web. Für das googeln oder facebooken der Kandidaten haben die wenigsten Personaler im Arbeitsalltag Zeit. Beide Seiten machen sich eher ein besseres Bild voneinander. Hier sind es vor allem die Kandidaten, die die Chance nutzen und ihre Ansprechpartner im Unternehmen "googlen" und bestens informiert in die Gespräche gehen." (Lutz Altmann in Welt Online - Firmen durchleuchten keine Profile, http://www.welt.de/print/die_welt/finanzen/article12377844/Firmen-durchleuchten-keine-Profile.html)
Was Herr Altmann im Interview aus dem Januar 2011 bestreitet, wurde bereits vorher durch diverse Studien belegt. Zwar schwirren viele Zahlen von 30-75% durch die Medien, allerdings kann man davon ausgehen, dass zumindest ein sehr großer Teil der Unternehmerschaft das ein oder andere Mal genauer nachforscht, etwa dann, wenn sich BewerberInnen ebenbürtig sind.
"Was ist mit Facebook? Dem Sammelbecken für Peinlichkeiten, freizügige Bilder, Videos, private Informationen? HR-Spezialist Mäder weiss, worauf die meisten Personalchefs achten: «Auf Facebook ist man weniger auf der Suche nach Partyfotos. Eher wird überprüft, welche Kontakte eine Person hat, in welchen Gruppen sich jemand bewegt, welchen Freundeskreis er hat.» Dabei gehe es darum, ein gesamthafteres Bild über eine Person zu erhalten. Wie eine zusätzliche Referenz, ein Puzzleteilchen." (Basler Zeitung - Da liegt alles auf dem Präsentierteller, http://bazonline.ch/wirtschaft/karriere/Da-liegt-alles-auf-dem-Praesentierteller/story/15027839)
Aber auch "auf der anderen Seite", also der des (künftigen) Arbeitnehmers bzw. Arbeitnehmerin gibt es Möglichkeiten. Anbieter wie www.jobvoting.de bzw. www.kununu.com bieten die Möglichkeit, den Arbeitgeber zu bewerten:
(Youtube - Auf kununu.com informieren sich Bewerber über Ihr Unternehmen..., http://www.youtube.com/watch?v=xHH78y8eqBg)
Ein Fazit
Wir müssen also feststellen, dass neuerliche Spezialisierung einiger Unternehmen auf Softwarelösungen, welche gezielt die digitalen Fußspuren untersuchen, oder etwa die Facebook-Gesichtserkennungen keineswegs große Innovationen als vielmehr symptomatische Erscheinungen der entwickelten Web 2.0-Gesellschaft darstellen.
Es ist zu beachten, dass mit dem Eintritt des Web 2.0 und die damit verbundene wechselseitige Kommunikation die ursprüngliche Anonymität verwässert wurde. Wer bei einem Online-Portal registriert ist, hinterlässt in der Regel eine E-Mail-Adresse. Durch die E-Mail-Adresse erhält man oft rasch einen Namen, durch einen Namen die Adresse.
Auf der anderen Seite ist es einfach geworden, Unternehmen zu durchleuchten, Hotelbewertungen abzulesen oder in Online-Restaurantkritiken zu stöbern.
Man kommt also zur entscheidenden Frage: Ist Datenschutz, wenn die freie Datenwirtschaft jedem Nutzen und Schaden zufügen kann, überhaupt von Bedeutung? Eine Frage, die man allgemein nicht beantworten kann: Eine Person hat es gern, personalisierte Werbung zu erhalten und sich über die Personalabteilungsmitarbeiterin des Wunschunternehmens zu informieren, die andere Person nutzt die Möglichkeiten nicht und tappt in unerwartete Fragen.
Facebook hat das Privatleben nicht erfunden, soziale Netzwerke haben es nicht erfunden - es wurde nur umgestaltet und veröffentlicht. Dementsprechend ist es auch wichtig, dass das Datenschutzgesetz vor allem Schutz gegen sogenanntes Cyberbullying und Phishing bietet. Gleichzeitig müssen die Web 2.0-TeilnehmerInnen erkennen, dass Menschen sich in fröhlicher Runde nicht häufiger betrinken oder Hotels nicht plötzlich alle schlecht sind.
Das Urheberrecht
Einleitende Worte und Grundannahmen
Kunstschaffende haben verschiedene Motivation, ihre Kunst nicht nur zu schaffen, sondern auch zu veröffentlichen:
- Anerkennung & Respekt
- Berühmtheit
- monetäre Anreize
- Freude am Verbreiten
- politische oder persönliche Anliegen
Aus diesen Gründen geht hervor, dass etwas wie eine persönliche Zuteilung zum geschaffenen Werk herrschen MUSS, da es sonst nur in wenigen Fälle einen Anreiz gibt, das Werk zu teilen und es nicht einfach für sich zu behalten. Dazu gibt es mehrere Ansätze, wie sie in weiterer Folge erklärt werden.
Jemand erschafft also geistiges Eigentum - sei es Kunst aller Richtungen, Schriften, etc. - und sichert es durch die Tatsache, dass es das selbstgeschaffene Werk ist, zumindest juristisch gegen die Möglichkeit ab, Opfer einer Kopie zu werden.
Gleichzeitig existiert das Internet mit all seinen Möglichkeiten: Fotos auf den eigenen Blog kopieren, ganze Diskographien einer Gesangskünstlerin in kurzer Zeit herunterladen, Kinofilme direkt nach der Vorpremiere in ausreichender Qualität streamen lassen.
Auf der einen Seite herrscht also ein Konstrukt, das versucht, der schaffenden Person die Rechte am geistigen Werk einzuräumen, auf der anderen Seite besteht eine rapide Veränderung im Geschaffenen selbst: Musikstücke werden zu Mash-Ups gestückelt, zusammen mit den Lieblingsurlaubsfotos zu einem Video verarbeitet und auf Youtube hochgeladen.
Digital Rights Management, Creative Commons, völlige Freiheit oder alles beim Alten?
Die typische Stadt in Mittel- und Westeuropa hat meist eine sogenannte "Altstadt", einen kleinen ursprünglichen Ortskern. Über die Jahre hinweg wurde dieses Stadtbild den Bedürfnissen (Lebensfläche, Infrastruktur, etc.) angepasst. In etwa so verhält es sich mit dem im Urheberrecht vorherrschenden Konstrukt.
Zwei Ausprägungen einer Anpassung an das Bestehende sind die Kulturflatrate bzw. Micropayments. Zwar ist hier nur noch ein kleiner Betrag zu entrichten, jedoch deckt der Gedanke der Kulturflatrate kaum die Urheberschaft ab. Desweiteren würde es besonders kleinen Künstlern schaden, lediglich einen Anteil der Flatrates zu bekommen. Micropayments würden im Laufe der Zeit ebenso zu Filesharing führen. Warum auch zahlen, wenn man nicht muss?
Andere Stimmen fordern das Digital Rights Management, das Dateien personalifiziert. Entweder macht man sich durch das Sharing strafbar und ist rasch zurückverfolgbar, oder es funktioniert erst gar nicht. Die Electronic Frontier Foundation (EFF) sieht das problembehaftet:
"Digital Rights Management (DRM) technologies attempt to control what you can and can't do with the media and hardware you've purchased.
- Bought an ebook from Amazon, but can't read it on your ebook reader of choice? That's DRM.
- Bought a DVD or Blu-Ray, but can't copy the video onto your portable media player? That's DRM.
- Bought a video-game, but can't play it today because the manufacturer's "authentication servers" are off-line? That's DRM.
- Bought a smart-phone, but can't use the applications or the service provider you want on it? That's DRM."
(Electronic Frontier Foundation, http://www.eff.org/issues/drm)
Zum anderen gibt es noch die Creative Commons-Lizenzen (http://creativecommons.org/). Die gern- und vielverwendete Videodarstellung soll auch in meinem Blog nicht fehlen:
(Youtube - A Shared Culture, http://www.youtube.com/watch?v=1DKm96Ftfko)
Auch der Wunsch nach völliger Freiheit existiert, welcher allerdings kaum welchen der oben angeführten Anreizen gerecht wird und wohl tatsächlich zu einem Motivationsverlust seitens der Künstler führen würde.
Eine Diskussionsrunde - Kreativität versus Copyright
All diese Kurzbeschreibungen sollen der Verständlichkeit des folgenden Videos dienen. Wem gehört was? Ist das Copyright ein Unsinn? Ist es mittlerweile hinderlich? Eine sehr interessante Diskussion der "isarrunde" findet sich hier:
(Youtube - Verhindert das Urheberrecht Kreativität im Netz?, http://www.youtube.com/watch?v=2eEww8KM2vw)
Wichtige Standpunkte der Diskussionsteilnehmer
Michael Reuter (links)
- Heute kann jeder vervielfältigen, heute gilt ein anderes Copyright
- Es gibt nicht mehr "Ich habe das Recht oder nicht", eher eine Differenzierung zwischen privaten und geschäftlichen Zwecken, etc.
- Der Geldanreiz ist eher unwichtig. So verdienen Musiker durch Auftritte mehr. Die Aufmerksamkeit, die durch das Sharing erreicht wird, wiegt die verlorengegangenen Verkäufe auf.
- Ein produziertes Werk wird nachgefragt, wenn es von der Zielgruppe als interessant aufgenommen wird.
Michael Praetorius (Mitte)
- Creative Commons ist heute eine wichtige Komponente, auf Wikipedia und Flickr werden Inhalte nicht mehr nach dem strengen Copyrightprinzip zur Verfügung gestellt.
- Wenn die kunstschaffende Person z.B. eine gute Studioaufnahme hat, bedeutet dies nicht, dass sie ewig auftreten kann.
- Mittlerweile ist es nicht mehr schlimm, wenn Kameras für Mitschnitte verwendet werden. Oft werden Menschen sogar dazu angehalten bzw. es können Live-Mitschnitte gekauft werden.
- Heute schaut man sich auf Youtube ein Musikvideo an und hat darunter eine Information, wie man das Lied kaufen kann. Die Vermarktung ist eine andere, aber sie ist notwendig. Somit sind Plattenfirmen und Konzertveranstalter wichtig.
Benedikt Köhler (rechts)
- Copyright und Kreativität schließen sich nicht aus. Früher gab es Gelehrte, die Werke verfassten. Allerdings konnte das von jedem, der eine Vervielfältigungsmöglichkeit hatte, nachgedruckt und verkauft werden - der Autor sah davon nichts. Daher ist das Copyright kein Feind der Kunstschaffenden.
- Kunst ist ein öffentliches Gut, man muss den Künstler ernähren.
- Ist es richtig, wenn ein Blogger Ideen und Fotos zusammenklaut, wenn er dazu keine Lust hat, selbst kreativ zu sein? Haben Kunstschaffende überhaupt noch Motivation, wenn sie damit kein Geld verdienen?
- Der Wunsch nach dem Ende des Copyrights kommt nicht aus der Kunst, sondern von Leuten, die für Inhalte kein Geld bezahlen möchten.
- "Ich sehe wirklich eher (…) die Herausforderung da, ein Modell zu finden, wie wir es schaffen, dass bestimmte freie Güter allen zugänglich sind."
Quellen
Alle angeführten Quellen wurden zuletzt am 07.07.2011 abgerufen
Applicant - How To Lose a Job Via Facebook In 140 Characters or Less, http://applicant.com/how-to-lose-a-job-via-facebook-in-140-characaters-or-less/
ABC News - Depressed Woman's Facebook Fight, http://abcnews.go.com/video/playerIndex?id=9152862
Lutz Altmann in Welt Online - Firmen durchleuchten keine Profile, http://www.welt.de/print/die_welt/finanzen/article12377844/Firmen-durchleuchten-keine-Profile.html
Basler Zeitung - Da liegt alles auf dem Präsentierteller, http://bazonline.ch/wirtschaft/karriere/Da-liegt-alles-auf-dem-Praesentierteller/story/15027839
Youtube - Auf kununu.com informieren sich Bewerber über Ihr Unternehmen..., http://www.youtube.com/watch?v=xHH78y8eqBg)
Electronic Frontier Foundation, http://www.eff.org/issues/drm
Youtube - A Shared Culture, http://www.youtube.com/watch?v=1DKm96Ftfko
Youtube - Verhindert das Urheberrecht Kreativität im Netz?, http://www.youtube.com/watch?v=2eEww8KM2vw
Weiterführende Links
Alle angeführten weiterführenden Links wurden zuletzt am 07.07.2011 abgerufen.
Jobvoting - ein Portal zur Bewertung von Arbeitgebern, http://www.jobvoting.de
Kununu - ein weiteres Portal zur Bewertung von Arbeitgebern, http://www.kununu.com
Die offizielle Creative Commons-Website, https://creativecommons.org/
Die offizielle Homepage der Isarrunde mit einigen interessanten Themen, http://www.isarrunde.de/
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