Einstiegsbeitrag - Fortschritt, Innovation und die Technikgenese im Medienbereich

Johannes.Mitterer.Uni-Sbg, 12. März 2010, 10:58

Beinahe täglich werden wir mit Innovationen und neuen fortschrittlichen Technologien im Medienbereich konfrontiert. Der Beitrag des Economist zum Media Convergence Forum 2009 zeigt deutlich, in welchem Stadium sich die Informationsgesellschaft heute befindet: es gibt über eine Billion Seiten im Internet, 93% aller Amerikaner besitzen ein Handy, allein in den USA existieren 240 Millionen TV-Geräte und das Internet nimmt Einzug in alle Lebensbereiche. So kommen traditionelle Medien wie Rundfunk oder Presse nicht mehr am Internet vorbei, wer heute erfolgreich sein will, muss im Internet präsent sein.

Demzufolge trifft auch die 1987 von Apple produzierte Medienprognose sehr gut zu. Im Großen und Ganzen ähnelt das dargestellte Gerät mit dem Namen Futureshock Knowledge Navigator dem kürzlich veröffentlichten Apple iPad. Es verzichtet komplett auf eine Tastatur, stattdessen verfügt es über einen Touchscreen und Sprachsteuerung, beides heutzutage gängige Technologien, wobei sich die Sprachsteuerung noch nicht annähernd so stark durchgesetzt hat wie der Touchscreen. Zudem verfügt der Knowledge Navigator über Anbindung zum Internet, mittels welcher der Benutzer nach Informationen und wissenschaftlichen Artikeln suchen kann (vgl. heute Google bzw. GoogleScholar). Zudem fungiert der Knowledge Navigator als Kalender, Organiser, Telefon mit der Möglichkeit der Videotelefonie und Anrufbeantworter - allesamt Funktionen, die heutzutage bereits zur Verfügung stehen. Die Tatsache allerdings, dass der Knowledge Navigator über eine künstliche Intelligenz verfügt, die es ihm erlaubt, mit dem Benutzer direkt in Interaktion zu treten, Fragen zu beantworten und Artikel oder Nachrichten intelligent zusammenzufassen, hat noch wenig mit der Realität zu tun. Diese Vision hat sich noch nicht verwirklicht, denn von einer derart ausgereiften künstlichen Intelligenz ist die heutige Technik noch weit entfernt, lediglich von einer Simulation künstlicher Intelligenz kann gesprochen werden, welche vor allem in Computerspielen mehr oder weniger erfolgreich eingesetzt wird.

Nun werden wir in der heutigen Informationsgesellschaft in relativ kurzen Zeitintervallen mit neuen Technologien und fortschrittlichen Innovationen im Medienbereich konfrontiert, wie beispielsweise dem iPad. Doch welchen Parametern unterliegt die Technikgenese? Unter welchen Bedingungen führen Unternehmen überhaupt neue Techniken auf dem Markt ein? Dabei ist grundlegend festzuhalten, dass Medienunternehmen ebenso wie alle anderen Wirtschaftszweige auch dem kapitalistischen System untergeordnet sind. Folglich besteht ihr Hauptziel in der Kapitalakkumulation. Ein bedeutendes Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist eben genannte Methode der Einführung neuer Techniken. Die Maxime der Kapitalakkumulation vorausgesetzt, wird klar, dass es sich bei neuen Medientechniken nicht um zufällige Erfindungen handeln kann, die, wie behauptet, dem Fortschritt dienen oder menschliche Kommunikationsbedürfnisse erfüllen sollen. Stattdessen sind sie dem Kapitalverwertungsinteresse der Kapitaleigner untergeordnet und sollen einzig und allein die Kapitalakkumulation beschleunigen. Dabei ist auch festzuhalten, dass die Technikentwicklung weder durch Technik induziert oder determiniert ist, noch durch die Nachfrage oder das Bedürfnis seitens der Konsumenten gesteuert werden kann. Vielmehr kommt es für die Unternehmen darauf an, nur solche Techniken zu entwickeln und einzuführen, welche in möglichst kurzer Zeit zur Steigerung des Kapitalwertes beitragen können. Ist die Technikentwicklung oder -einführung nicht rentabel, ist sie sinnlos für den Kapitaleigner (vgl. Beitrag von Prof. Manfred Knoche zum Thema "Neue Medien (2005): Seiten 43-46).

Dies trifft auch auf diejenigen Unternehmen zu, welche ihre Produkte dem User kostenlos zur Verfügung stellen, wie es beispielsweise bei Google der Fall ist. Jegliche Google-Dienste, sei es GoogleMail, der Weblog-Dienst blogger oder der Routenplaner GoogleMaps, stehen kostenfrei im Netz zur Verfügung. Anstatt Produkte an den Konsumenten zu verkaufen, macht Google seinen Gewinn, indem es Werbeflächen und Informationen über seine User an Unternehmen verkauft. Folglich generiert der User mit jeder Sekunde, die er auf einer Seite von Google (oder auf einer Seite, auf der via Google Werbungen platziert sind) verbringt, Einnahmen für das Unternehmen Google. Als Konsequenz ist Google somit stets bemüht, neue Angebote bereitzustellen, um möglichst viele User an sich zu binden und somit die Kapitalakkumulation zu beschleunigen. Denn je mehr User, desto mehr Einnahmen. Zur weiteren Vertiefung des Themas der Kommodifizierung der User, welche hier den Rahmen sprengen würde, empfehle ich folgenden Beitrag von Christian Fuchs: "Information and Communication Technologies and Society. A Contribution to the Critique of the Political Economy of the Internet."

Zusammenfassend ist zu sagen dass die Technikentwicklung in einem kapitalistischen Mediensystem durchaus kritisch zu hinterfragen ist, ebenso wie die Motivation der Unternehmen, welche die Technikentwicklung vorantreiben. Eine weitere kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Google findet sich hier:




Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=NAx-6nHEWbE&feature=related (11.März 2010)

8 comments :: Kommentieren

christoph.dopplmair.uni-linz, 12. März 2010, 11:40

Vielleicht sieht die Zukunft ja so aus wie in dem Video. Aber zu meinem Beitrag möchte ich auch noch verweisen.




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Sie setzen mit Ihrem Kommentar einen durchaus passenden Akzent..

Hans.Mittendorfer.Uni-Linz, 13. März 2010, 22:15

zum Beitrag Ihres Kollegen. Es besteht aber auch die Erwartung, daß Sie Ihre Bemerkung "Vielleicht sieht die Zukunft ja so aus" mit einem direkten Bezug zu den kommentierten Ausführungen versehen, also Aussagen bestätigen, erweitern, dementieren.

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Kritik ist angebracht

horst.hirnschall.uni-linz, 13. März 2010, 15:24

Die Informationsflut ändert die Weltgesellschaft im Positiven, dennoch ist eine kritische Betrachtung, wie hier aufgezeigt, wichtig. Über einen Schutz als "Menschenrecht" dieser Kommunikation, bin ich in meinem Artikel eingegangen.

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Sie haben Ihre Arbeit im Sinne der Aufgabenstellung..

Hans.Mittendorfer.Uni-Linz, 13. März 2010, 22:07

.. vorbildhaft ausgearbeitet. Die Tatsache, dass Sie eine kritische Meinung aus der Perspektive der Medienökonomie einbringen sorgt für Diskussionstoff, der den Mitstudierenden der Wirtschafts- oder Kommunikationswissenschaften die Möglichkeit bietet, im Sinne des kollaborativen Lernens bestätigende, verfeinernde, erweiternde oder widersprechende Aspekte einzubringen.

Danke für den guten Anfang, den Sie in die Lehrveranstaltung bringen.

H. Mittendorfer

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Hendrik.Stoltenberg.Uni-Sbg, 14. März 2010, 18:55

Sehr schöne Gedankengänge! Ich finde auch, dass man krititsch mit den Dingen umgehen sollte.

Die Frage ist nur, ob man im Laufe der Zeit um gewissen Unternehmen, wie z.B. Google oder Apple herum kommen kann wenn man sich im Leben nicht einschränken möchte.

Nicht Medienökonomisch sonder eher im Bezug auf die Privatsphäre ist mein Beitrag zum Thema.

 

LG

Hendrik

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Max.Bauer.Uni-Sbg, 18. März 2010, 11:52

Eine durchaus nachvollziehbare Sichtweise. Erschreckend finde ich insbesondere die immer kürzer werdenden Zeitintervalle, in denen die Menschen momentan mit immer "neuen" Techniken von den betreffenden Industrien "versorgt" werden. Mein Beitrag geht in eine ähnliche Richtung, zielt aber mehr auf die Abfälle des westlichen Techniküberflusses und wer mit ihrer Beseitigung konfrontiert wird. 

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Apple und das iPad

guenter.baumgartner.Uni-Sbg, 19. März 2010, 17:20

Ich bin der ähnlichen Meinung wie du. Das iPad ist beinahe das Ebenbild des futurisitischen Geräts aus dem Apple-Futureshock-Video - wie in meinem Beitrag "Vision versus Realität" nachzulesen ist.

Deine Ausführungen sind sehr interessant, auch das Knoche-Zitat ist sehr passend. Man kommt sich als Konsument doch des öfteren etwas hinters Licht geführt vor, wenn man objektiv betrachtet, was (vor allem) in der Elektronik-Branche passiert. 

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Klaus.Sampl.Uni-Sbg, 21. März 2010, 22:23

finde deinen beitrag sehr spannend. habe mir erlaubt von meinem einen link darauf zu setzen.

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