Soziale Vernetzung im Internet vs. Netzzensur
Theresa.Buegl.Uni-Sbg, 18. April 2010, 16:39
Das Web 2.0 wird heute nicht als passives Medium genutzt, um Inhalte abzurufen, sondern UserInnen generieren aktiv Content. Durch Angebote wie Soziale Netzwerke (Facebook, Twitter, StudiVZ, Xing etc.) können sich UserInnen miteinander vernetzen und Communities bilden. Somit kann man die technische Vernetzung des Internet auch auf soziale Phänomene übertragen sehen. Man kann verschiedene Medien miteinander verbinden, so kann man auf iPhone und iPad verschiedenste Apps, also Applikationen, laden, Angebote bzw. Webseiten-Inhalt in form von Text, Videostreams oder Audiobeiträgen in Facebook, Xing etc. einbinden. So ensteht eine hohe Dynamik im Netz.
Wie bereits in letztem Termin besprochen, war bei der Einführung des Internet und dessen Boom in den Anfangsjahren ein großer Handel mit Domainnamen. Dies ist jedoch nicht mehr in großem Rahmen möglich, andererseits läuft auch dieser Handel noch sehr rege, wie in diesem Artikel im Spiegel nachzulesen ist.
„Auch aktuell verzeichnet die Denic noch zwischen 2.500 und 3000 Anmeldungen täglich. Domains versprechen steigende Werte bei geringem Eigenkapitaleinsatz: Namen zu sichern kostet wenig. So ist die Domain bei großen Hostern schon ab rund 12 Euro im Jahr zu haben. Die Hoster-Unabhängige Registrierung bei der Denic ist für 116 Euro zu haben. Zieht man die Ausländer, die deutsche Web-Adressen halten, von der Gesamtzahl ab, besäße rein rechnerisch jeder siebte Deutsche eine .de-Domain. Die Realität sieht natürlich anders aus: Hunderte besitzen keine, während Einzelne mitunter hunderte oder tausende gekauft haben. Reselling, der Wiederverkauf gebunkerter Internetadressen, ist ein veritables Geschäft, in dem längst auch spezialisierte Agenturen und Firmen aktiv sind.“
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,688531,00.html
Auch der Bereich des Filesharing ist ein interessanter, jedoch auch umstrittener Aspekt der Vernetzung und des Datenaustausch unter UserInnen. Die rechtlichen Grenzen sind hier eher unklar und viele Menschen nutzen Angebote, um Filme herunterzuladen, sich Musik oder Bücher aus dem Netz zu laden. Dies ist nicht legal, doch da die Server solcher Drittanbieter sich oft in Gebieten befinden, die rechtlich nicht definierbar sind, läuft das Filesharing munter weiter. Seit Jahren wird über ein (internationales) Internet-Gesetz diskutiert, um dies zu verhindern.
“Über das Anti-Counterfeiting Trade Agreement, besser bekannt als Acta-Abkommen, beraten seit 2006 Vertreter der Regierungen aus Australien, Japan, Kanada, Korea, Mexiko, Marokko, Neuseeland, Singapur, der Schweiz, den USA und der Europäischen Union. Verhandelt wird dabei unter Ausschluss der Öffentlichkeit über die Bekämpfung von Produktpiraterie und die Verletzungen des Urheberrechts.“
Jedoch werden auch gleichzeitig Stimmen laut, die gegen eine Reglemetierung von Inhalten durch Zensur stimmen. So gibt es beispielsweise das Vorgehen, dass bei dreimaligem betreten bzw. nutzen solcher Seiten (mit vorhergehendem Verweis darauf, dass die UserIn eine „gefährliche“ Seite betritt), der Internetanschluss gekappt werden könnte.
„Die Positionen der EU-Administration zum Thema Urheberrechtsverletzungen stoßen auch intern auf Kritik, etwa durch die neu geschaffenen Kommission für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft. »Produktfälschung ist nicht Downloaden«, differenziert die zuständige schwedische Kommissarin Viviane Reding und fordert, Datenschutz müsse Priorität haben, »auch wenn es um die Strafverfolgung und die Verhinderung von Kriminalität geht«. In ihrer früheren Funktion als Medienkommissarin der EU hatte sich Reding gegen die Aushöhlung von Bürgerrechten stark gemacht und dafür gesorgt, dass Netzsperren gegen Urheberrechtsverletzer, die von Mitgliedsstaaten der EU verhängt wurden, nicht ohne richterlichen Beschluss durchgesetzt werden dürfen.“
http://jungle-world.com/artikel/2010/08/40423.html
Eine große Frage stellt sich also hier: wer beherrscht bzw. wird das Internet in Zukunft beherrschen? Werden willkürlich UserInnen aus der Netzwelt, und damit aus der öffentlichen Kommunikation und Informationsgewinnung, ausgeschlossen werden können und welche Folgen hat dies für die so genannte Demokratie und Menschenrechte? Einerseits wird Inhalt nun durch UserInnen generiert und Anbieter wie Facebook profitieren durch jede Anmeldung und jeden Post, andererseits sollen UserInnen wieder zensiert werden.
Der amerikanische Journalismusprofessor und Autor Jeff Jarvis hat eine Grundrechtecharta für das Internet (A Bill of Rights in Cyberspace) vorgeschlagen. Diese sieht wie folgt aus:
I. Wir haben das Recht auf Vernetzung. Das ist die Präambel und die Voraussetzung für das wichtigste amerikanische Grundrecht, das auf freie Rede: Bevor wir frei sprechen können, müssen wir in der Lage sein, uns zu vernetzen. Hillary Clinton hat die Freiheit auf Vernetzung definiert als "die Idee, dass Regierungen Menschen den Zugang zum Internet und zueinander nicht verweigern dürfen". Und es ist dieses Prinzip, das die gesamte Debatte um Netzneutralität beeinflusst.
II. Wir haben das Recht zu reden. Niemand hat das Recht, die Redefreiheit einzuschränken. Wir anerkennen die notwendigen Beschränkungen dieses Rechts, doch müssen sie so eng wie nur irgend möglich definiert werden, dürfen wir doch nicht nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner handeln. Die Freiheit ist unser Standard, nicht die Einschränkung.
III. Wir haben das Recht auf unsere eigene Sprache. Die Dominanz des Englischen im Internet wird geringer, je mehr Sprachen und Schriften hinzukommen, und wir begrüßen das. Ethan Zuckerman warnt, dass in einem polyglotten Netz der Wunsch entstehen könnte, Brücken zu bauen, die jenseits der Sprachen funktionieren. Wir aber wollen unsere eigenen Sprachen sprechen, dabei aber immer auch miteinander reden.
IV. Wir haben das Recht, uns zu versammeln. In der der Bill of Rights der USA, den zehn Verfassungszusätzen, ist das Versammlungsrecht unabhängig von der Redefreiheit formuliert. Das Netz macht es möglich, sich ohne Hilfe von Organisationen zu organisieren und zusammenzuarbeiten – ein Fakt, der repressiven Regimen genauso Angst macht wie die Möglichkeit der freien Rede.
V. Wir haben das Recht zu handeln. Diese ersten vier Artikel sind Bestandteil eines Gedankens: Wir vernetzen uns, um zu kommunizieren, und wir reden, um uns zu versammeln, und wir versammeln uns, um etwas zu tun. Das ist der Weg, wie wir die Welt ändern können und werden, nicht nur indem wir Missstände bekannt machen, sondern indem wir Möglichkeiten finden, um sie abzustellen. Das muss jeder Institution klar sein, die versucht, uns zu stoppen.
VI. Wir haben das Recht auf Kontrolle über unsere Daten. Jeder sollte Zugang zu seinen persönlichen Informationen haben. Und was dir gehört, gehört dir. Wir wollen, dass das Internet auf dem Prinzip der Übertragbarkeit beruht, sodass Informationen und Werke nicht von einer Regierung oder einem Dienst eingesperrt werden können. Und der Urheber Kontrolle über sie bewahren kann. Doch darf nicht vergessen werden, dass Kontrolle, die dem einen gegeben wird, der andere hergeben muss; in diesem Detail lauern Tücken. Dieses Prinzip meint Urheberrechte und die dazugehörenden Gesetze, die die Regeln und Grenzen für Kontrolle bestimmen. Und dieses Prinzip wirft Fragen auf, ob die Weisheit der Masse auch der Masse gehört.
VII. Wir haben das Recht auf unsere eigene Identität. Das ist nicht so einfach wie bisher, wo unser Name unsere Identität ist. Denn unsere Netzidentität besteht aus Namen, Adressen, Kommentaren, Ideen, Handlungen, Verbindungen. Außerdem ist es in repressiven Regimen eine Notwendigkeit, seine Identität zu verbergen und anonym zu bleiben; daher muss auch die Anonymität im Netz geschützt werden, mit all den damit verbundenen Macken und Hürden und Trollen – um den Dissidenten und den Whistleblower zu schützen. Diese beiden Absätze über Kontrolle und Identität formen das Recht auf Privatsphäre, das vor allem eine Frage der Kontrolle ist.
VIII. Was öffentlich ist, ist ein öffentliches Gut. Das Netz ist öffentlich; es ist ein tatsächlich öffentlicher Raum (viel mehr als ein Trägermedium). In dem Drang, die Privatsphäre zu schützen, müssen wir uns der Gefahr bewusst sein, die Definition der Öffentlichkeit nicht zu beschränken. Was öffentlich ist, gehört auch der Öffentlichkeit. Der Versuch, solche Dinge als privat oder geheim zu deklarieren, unterstützt Korruption und Tyrannei.
IX. Das Internet sollte offen sein. Das Internet muss weiterhin mithilfe von offenen Standards errichtet und kontrolliert werden. Es darf nicht von irgendeiner Regierung oder irgendeinem Unternehmen übernommen werden. Es darf nicht besteuert werden. Es ist die Offenheit des Netzes, die seine Freiheit garantiert. Es ist diese Freiheit, die das Netz definiert.
http://www.buzzmachine.com/2010/03/27/a-bill-of-rights-in-cyberspace/
http://www.zeit.de/digital/internet/2010-03/jarvis-bill-of-rights
Auf der Website des Guardian habe ich auch noch interessante Videoclips zu der „virtuellen Revolution“ gefunden, BBC hat hier eine Dokumentation über das Internet produziert. Es sind mehrere Folgen und veranschaulicht auch sehr gut, welche Sicherheitsvorkehrungen existieren, um das Internet zu „schützen“.
http://www.guardian.co.uk/technology/video/2010/feb/05/aleks-krotoski-virtual-revolutions
Auf der Website des BBC gibt es weitere Erklärungen zu Technik und Geschichte des Internet:
http://www.bbc.co.uk/virtualrevolution/
Iris.Schneider.Uni-Sbg, 18. April 2010, 17:11
Datenschutz und Persönlichkeitsrechte sind ja immer wieder heiß diskutierte Themen sobald das Internet im Diskurs steht. Ich finde deinen Beitrag sehr gut und va. deine Links sind interessante Quellen zum Nachlesen.
Ich beschäftige mich in meinem Beitrag mit dem Internet als Helfer in den Entwicklungsländern und gehe der Frage nach, ob die ICTs tatsächlich in der Lage sind, die Lebensqualität in den 3. Welt Ländern zu verbessern.
Schütz' deine Daten
guenter.baumgartner.Uni-Sbg, 18. April 2010, 22:48
ich finde deine Ausführungen sehr interessant – jedoch müssen wir nicht nur das Internet vor uns schützen, sondern auch uns vor dem Internet. Nachzulesen auf blog.form.