Die Anonymität des Minitel...

jasmin_maria.wukonig.uni-linz, 16. Juli 2011, 21:50

 

Was mir bei dem Beitrag "Bildschirmfieber" zu allererst aufgefallen ist, betrifft diese gewisse Anonymität des Menschen, die mit dem Minitel automatisch verbunden ist. Die Leute, die sich darin neu einschalten, möchten, und da werde ich mich auf Erving Goffman (1969) beziehen, der sich unter anderem mit der persönlichen Selbstdarstellung des Menschen und dessen Interaktionen beschäftigt hat, eine neue, eigene "Identität" annehmen. Sie können sich in einem derartigen Medium so verhalten, wie sie sich gegenüber anderen Personen, denen sie real gegenüberstehen, nicht würden.

 

Goffman (1969) sieht die soziale Welt als eine (komplizierte) Bühne mit Publikum, Darstellern und Außenseitern, sowie einer Kulisse und alle ihren unterschiedlichen Eigentümlichkeiten, die in das Schauspiel bewusst oder unbewusst eingebunden werden. Es werden Dinge auf der Bühne vorgetäuscht, die im wirklichen Leben „höchstwahrscheinlich dargestellt“ (S. 3) werden. Durch das Darstellen des Rollenspiels auf einer Bühne entsteht eine Fassade (persönlich oder sozial), die wiederum die Situation für den Auftritt festlegt und „angibt, welche Art von Rollenspiel stattfindet“ (Münch 2002, S. 290). Wenn eine Person eine Rolle spielt, will sie versuchen, dem Publikum eine ernstzunehmende Darstellung zu bieten und die Zuschauer davon zu überzeugen, dass die verkörperte Gestalt wirklich die gespielten Eigenschaften besitzt.

  

Dies stimmt mit dem Film in der Weise überein, dass davon gesprochen wird, dass man sich (und andere) beim Chat durch das Minitel einfach retuschieren kann. Man gibt sich also als eine Person so, wie man möchte-das heißt, man schafft sich eine Fassade, hinter der alle zukünftigen und gegenwärtigen Handlungen und Verhaltensweisen stehen.

  

Quellenangabe:


Goffman, Erving (1969): Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, 8.Auflage. München: Piper Verlag GmbH.

Münch, Richard (2002): Soziologische Theorien Band 2. Handlungstheorie. Frankfurt/Main: Campus Verlag GmbH.

 

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