Ted Nelsons Idee der flachen Verbindungen

martin.lettner.uni-linz, 13. Oktober 2011, 13:41

Mit Xanadu wollte Ted Nelson ein System bzw. Netz erschaffen, indem Inhalte nicht hierarchisch organisiert sind sondern quasi flach auf einer Ebene liegen und bei Bedarf frei miteinander verbunden werden. Ein wesentlicher Unterschied zum bestehenden Web sind die sog. Transklusionen, welche externe Inhalte in die eigene Arbeit einbinden. Im Gegensatz dazu verweist ein Link bekanntlich nur in eine Richtung auswärtig auf einen externen Inhalt. Eine Transklusion stellt somit eine Verbindung in beide Richtung dar, weil ein und der selbe Inhalt auf beiden Seiten existiert. Seiner Meinung nach, wäre das die bessere Alternative zum Web wie wir es kennen.

Auch wenn die Vorteile seiner Technologie offensichtlich sind, persönliche verstehe ich aber nicht seine Ambitionen, insofern, dass es wahrscheinlich nicht viel geändert hätte, wenn wir sein anstatt Berners-Lees Web hätten. Ich denke, dass sich entweder das heutige Web trotzdem in einer ähnlichen Form gebildet hätte oder seine Methode einfach nicht angenommen worden wäre und somit erst recht eine andere Form des Webs entstanden wäre. Plattformen wie Facebook, Twitter oder Google Maps haben praktisch nichts mit dem ursprünglichen Web zu tun, sind aber daraus entstanden und gelten allgemein als "Web".

 

Er redet davon, dass wir Papier imitieren, veraltete Technologien verwenden (z.B. hierarchische Dateisystem, die GUI von Xerox PARC) und versuchen unsere Gedanken in falschen Strukturen zu organisieren.
Ich kann das teilweise nicht nachvollziehen, da es genug Technologien gibt, die für Text-Dokumente entworfen sind jedoch nicht an ein Papierformat gebunden sind. In Auszeichnungssprachen wie HTML oder LaTeX wird der Inhalt (Text, Bilder, etc.) semantisch korrekt notiert, erst bei der Ausgabe ist das Medium von Bedeutung (z.B. Bildschirm, Handy oder Drucker bei Websites, Papierformat bei LaTeX-Dokumenten). Bei der Ausgabe ist es natürlich unumgehbar auf das Ausgabe-Medium Rücksicht zu nehmen, und das ist nunmal z.B. ein A4-Blatt. Wenn ich an moderne Webplattformen denke oder an moderne Endgeräte wie Tablets und Smartphones, sehe ich absolut keinen Bezug mehr zu traditionellen physischen Papierformaten.

Die Verwendung von veralteten Technologien trifft auf jeden Fall zu, es hätte vieles sehr viel anders kommen können, ohne hierarchische Dateisysteme, ohne die GUI die wir heute kennen. Jedoch zeigt sich, dass das nicht wirklich schlimm ist, moderne Betriebssysteme von Smartphones und Laptops basieren auf dem Unix-Ansatz und funktionieren trotzdem für diesen Einsatz perfekt und sind performant. Die GUI, wie sie damals im Xerox PARC erfunden wurde, zeigt sich in keinster Weise in modernen Oberflächen, wie Smartphones, Tablets oder Chromebooks.

Insofern kann ich ihm nur in diesem einen Punkt zustimmen, dass wir unsere Gedanken völlig falsch strukturieren und z.B. Curricula somit "boring" sind. Jedoch hätte hier ein anderes Datenformat freilich absolut nichts geändert.

 

Technologie sei nicht wichtig, meint Ted, jedoch tatsächlich will er seine Technologie durchsetzen. Seine Idee ist meiner Meinung ohnehin teilweise vorhanden. Quellen werden zitiert, zwar technisch gesehen nicht in der Form wie er es gerne hätte, das Endresultat ist aber im Endeffekt das gleiche, das dabei technisch Copy+Paste angewandt wird, macht für das Endresultat keinen Unterschied.

Ein technisches Beispiel: Wenn ich auf einer Website die JavaScript-Bibliothek jQuery einbinde, von Googles Library API, kann ich davon ausgehen, dass dieser Link garantiert langfristig funktionieren wird. Binde ich eine bestimme Version ein, wird immer genau diese Version geladen, wähle ich die neueste Ausgabe, wird automatisch immer die aktuellste Version geladen. Zwar ein einseitiger Link, trotzdem ein perfektes Zitat im Sinne von Ted Nelson, ganz ohne Copy+Paste, denn der Inhalt der Datei wird in das Webdokument eingebunden. Die URL kann hier außerdem als Stable Adress - die statischen einzigartigen Adressen jedes Inhaltsstücks in Xanadu - angesehen werden.

 

Jedoch sehr interessant und sinnvoll finde ich seine Idee des Micropayments. Mit dieser Technologie wäre bestimmt vieles ganz anders gekommen, jedoch ist hier weniger die technische Umsetzung das Problem. Ein einheitliches Bezahlsystem für Inhalte jeder Art und Größe weltweit zu etablieren scheint sehr aufwendig.

 

Alles in Allem hat Ted Nelson sehr viele große Ideen, von denen einige leider viel zu wenig ernst genommen werden. Dennoch finde ich, hängt er sehr an seinen ursprünglichen Vorstellungen obwohl sich die Welt enorm weiterentwickelt hat und somit einige seiner Ansätze bei weitem nicht mehr so innovativ und bedeutsam sind. Könnte ich ihm einen Rat geben, würde ich vorschlagen weniger auf Technologie zu setzen sondern mehr seine Ideen mit Hilfe vorhandener Möglichkeiten umzusetzen.

 

(Aktualisiert am 13. Oktober 2011)

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juergen.holzweber.uni-linz, 6. Oktober 2011, 10:30

Ein sehr detailliertes und klar verständliches Statement - und im Unterschied zu Ted Nelsons Ausführung mit Argumenten hinterlegt. Gerade das ist wohl der Grund weshalb die Meinung über sein System eher negativ ausfällt, die fehlende Möglichkeit des Diskurs, den er einfach zu blockieren scheint. Eigener Beitrag - http://collabor.idv.edu/jue

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