Aufgabe 3 - gefragtes und geplagtes Urheberrecht

harald.landstetter.uni-linz, 16. Juni 2012, 07:36

Aufgabenstellung

Suchen Sie mindestens zwei (mit Quellen hinterlegte) Argumente, warum das heute geltende Urheberrrecht der "digitalen Gesellschaft" nicht mehr entspricht. Nehmen Sie Stellung zur Argumentation.

Argument 1

Viele Internetnutzer stellen Fotos, Musik oder Filme ins Internet und beachten dabei das Urheberrecht nicht. Dies hat zur Folge, dass die betreffenden Internetnutzer durch die Anwaltskanzleien der Lizenzinhaber, das sind beispielsweise Musik- und Filmunternehmen, abgemahnt werden und Abmahngebühren von mehreren hundert Euro bezahlen müssen.

Der (deutsche) Bundesverband der Verbraucherzentralen (Vzbv) kritisiert diese hohen Gebühren und fordert eine Gebühr von höchstens 100 Euro bei der ersten Abmahnung. Bei der aktuellen Debatte über das Urheberrecht dürfe man auf den Schutz der Verbraucher nicht vergessen.

Der Vzbv ist der Meinung, dass die derzeit geltenden Gesetze zu wenig konkret seien und deshalb diese Abmahnflut verursachen. Das bestehende Urheberrechtsgesetz besage zwar bereits seit dem Jahr 2008, dass die Gebühr für die erste Abmahnung beim Vorliegen von bestimmten Voraussetzungen über den Betrag von 100 Euro nicht hinausgehen dürfe, doch würde diese gesetzliche Bestimmung in der Praxis nicht greifen.

Das aktuelle Urheberrechtsgesetz unterscheide nämlich nicht ausreichend zwischen privater und gewerblicher Nutzung. Vor allem fehle eine eindeutige Formulierung, dass Urheberrechtsverletzungen nur im Falle eines "gewerblichen Ausmaßes" zu sanktionieren sind, also nur dann, wenn eine Gewinnabsicht des jeweiligen Verbrauchers zu bejahen sei. Das geltende Urheberrecht, so der Vzbv, unterscheide nicht ausreichend zwischen gewöhnlichen Verbrauchern und kommerziellen Raubkopierern.

Das Bundesjustizministerium beabsichtigt nun, die Abmahngebühren zu senken, unter anderem durch eine strengere Festsetzung des betreffenden Streitwertes. Weiters plant die Regierung, eine umfassende Aufklärungskampagne durchzuführen, um die Verbraucher vor den Gefahren von illegalen Downloads zu warnen.

Das Versenden von automatisierten Warnhinweisen durch die Internetanbieter wäre jedoch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht durchführbar, argumentiert der Vzbv. Das anlasslose Speichern von Nutzerdaten durch die Internetprovider wäre rechtlich ebenfalls nicht möglich. Der Vzbv spricht sich aber für eine Selbstverpflichtung der Unternehmen aus, wonach diese auf Werbemaßnahmen bei Webseiten von beliebten Tauschbörsen verzichten sollen, damit rechtswidrige Tauschangebote nicht noch gefördert werden.

Stellungnahme

Zahlreiche Internetnutzer kennen die Bestimmungen des Urheberrechts nicht so genau. Sie laden Fotos, Musik oder Filme, an denen sie keine Rechte haben, hoch und werden daraufhin verpflichtet, hohe Abmahngebühren zu bezahlen. Die oben angeführten Maßnahmen, also eine betragliche Begrenzung der ersten Abmahngebühr sowie eine deutlichere Unterscheidung zwischen normalen Verbrauchern und kommerziellen Raubkopierern, sind daher zu begrüßen.

Eine entsprechende Novellierung des Urheberrechtsgesetzes wäre folglich wünschenswert, ebenso wie eine breit angelegte Informationskampagne. Am zielführendsten ist es dabei, den Verstoß gegen urheberrechtliche Bestimmungen von Anfang an zu vermeiden. Beispielsweise ist es empfehlenswert, beim Upload von Fotos jene mit einer "Creative Commons"-Lizenz zu verwenden.

Alle obigen Ausführungen sind auch für österreichische Internetnutzer von Bedeutung, da die Rechteinhaber oft in unserem Nachbarland beheimatet sind und bei Urheberrechtsverletzungen somit deutsches Recht zur Anwendung gelangt.

Quellen

Bundesverband der Verbraucherzentralen: "Abmahnungen im Urheberrecht. Positionspapier des Verbraucherzentrale Bundesverbandes." 9.02.2012. Abgerufen am 8.06.2012.

Die Presse: "Fotoklau mit teurem Nachspiel." 26.04.2012. Abgerufen am 8.06.2012.

Die Welt: "Kampf gegen die Umsonstkultur." 23.05.2012. Abgerufen am 8.06.2012.

Stuttgarter Zeitung: "Hohe Abmahngebühren in der Kritik." 6.06.2012. Abgerufen am 8.06.2012.

Argument 2

Vor wenigen Tagen wurde der Eigentümer des illegalen Internet-Filmportals kino.to zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Auf dem Filmportal waren, bis zu seiner Stilllegung im Juni 2011, Raubkopien von rund 135.000 Filmen verfügbar; die Anzahl der damit verbundenen Urheberrechtsverletzungen beträgt mehr als eine Million.

Die Raubkopien wurden von kino.to nicht selbst gespeichert, sondern es wurden den Nutzern Links zur Verfügung gestellt. Mit Hilfe dieser Links war es nicht möglich, Filme, ähnlich wie bei illegalen Tauschbörsen, herunterzuladen. Vielmehr wurde ein kontinuierlicher Datenstrom, der als "Streaming" bezeichnet wird, gestartet. Beim Streaming werden keine Dateien auf den Rechnern der Konsumenten permanent gespeichert.

Nun ist es jedoch unklar, ob das Betrachten der Streams legal ist. Die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverstößen (GVU) kommt in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass das Anschauen von Streams nicht im Einklang mit dem Urheberrechtsgesetz stehe. Im Gegensatz dazu vertritt das Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht die Auffassung, das Betrachten von Streams sei nicht rechtswidrig.

Stellungnahme

Diese unterschiedlichen Rechtsmeinungen sind vor allem darauf zurückzuführen, dass es keine gesetzlichen Bestimmungen bzw. keine Gerichtsurteile darüber gibt, ob das Zwischenspeichern von Streams im Puffer eines Rechners als eine Kopie zu werten ist.

Das Filmportal kino.to wurde von den Behörden bereits stillgelegt, doch ist es auf vergleichbaren Portalen weiterhin möglich, Raubkopien von Filmen zu sehen. Dass Portale, die das Streamen von Raubkopien ermöglichen, illegal handeln, ist rechtlich unumstritten. Rechtlich umstritten dabei ist jedoch die Schuld der privaten Konsumenten, weshalb eine diesbezügliche Bestimmung im Urheberrechtsgesetz wünschenswert wäre.

Quellen

Die Welt: "Mehr als vier Jahre Haft für Gründer von Kino.to." 14.06.2012. Abgerufen am 15.06.2012.

Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Kann denn Filmegucken Sünde sein?" 24.02.2010. Abgerufen am 9.06.2012.

Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Manchmal sogar sehr viel Geld." 7.06.2012. Abgerufen am 9.06.2012.

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