Meinungen Aggregatoren des Long-Tail: Demokratisch oder doch nicht ?

harald.maier-kern.uni-linz, 7. Juli 2011, 00:27

Das Internet und der Content wächst

In den letzten Jahren sind Anzahl der Hostnames im Internet weiter gewachsen. Derzeit sind lt. Webcraft rund 346.004.403 Websites online. (Q1) Dementsprechend kann man ableiten, daß die Informationen im Web vervielfacht haben.

 

Entwicklung der Hosts 1995 - 2011

 

Der Aggregator wird zum Schleusenwärter

In dieser Informationsfülle erleichtern Aggregatoren dem User das selektive Auffinden von Information. Dabei werden Medieninhalte gesammelt, aufbereitet und für eine Zielgruppe neu zusammengestellt. (Q2)

Mittendorfer erwähnt in seinem Artikel verschiedene Kategorien, in denen Aggregatoren den Nachfragern Angebote des Long Tails (vgl. Q4) aufbereiten. (Q3)

 

  • Sachgüter (Beispiel: eBay)
  • Digitale Güter (Beispiel: iTunes)
  • Werbung (Beispiel: Google)
  • Information (Beispiel: Wikipedia)
  • User generated Content  (Beispiel: Blogs)

 

Mittendorfer gibt als Beispiele dabei Aggregatoren die durchwegs globale Bedeutung gewonnen haben. Man könnte dies am Markenwert, an der Börsenkapitalisierung oder auch an den Userzahlen festmachen.

Wordle: GatekeeperAbhängig einer beherrschenden Marktstellung (z.B. Google, E-Bay, Wikipedia usw.) kann man den Aggregatoren somit eine deutliche Positionierung im Entscheidungsfindungsprozess eines Nachfragers zuschreiben.

Die Funktion eines Gatekeepers (Q5) ist somit für diese Aggregatoren mit beherrschender Marktstellung anwendbar.

Zwar würde sich lt. Anderson durch den Long Tail eine Demokratisierung von Angebot und Nachfrage einstellen (Q4), dies setzt jedoch voraus, daß Aggregatoren in ihrer Gatekeepingrolle nach den Prinzipien der Demokratie handeln.

 

Was bedeutet der Begriff Demokratie im Web?

Demokratisierung im Web kann meines Erachtens so verstanden werden, daß viele Benutzer Inhalte für viele Benutzer produzieren. Dabei ist die Einhaltung der allgemeinen Grundrechte und auch der freien Meinungsäußerung und der Rezipientenfreiheit zu beachten (vgl. Q6).

 

Webzensur in China durch Suchmaschinenanbieter

Es gäbe nun Beispiele dafür, wie Organisationen oder Staaten diese Demokratie im Web unterlaufen. So filtert China (Stichwort:„The great firewall of china“) nicht nur unerwünschte Websites sondern zensiert auch kontentbezogen Inhalte aus dem Datenstream. (vgl. Q7) Nun mag China kein gutes Beispiel sein, da es durch kommunistischen Strukturen nicht den Anspruch einer Demokratie erhebt wie die USA.

Interessant ist aber, daß diese Sperren beispielsweise vom US-Suchmaschinenbetreiber Yahoo unterstützt werden (vgl. Q8) Die entscheidende Frage stellt sich hier für mich: Welche Motive veranlassen Yahoo diese Sperren anzuwenden?

Antwort darauf gibt Google. Auch dieser Suchmaschinendienst übte mit Markteinführung in China eine freiwillige Selbstzensur aus. Dazu wurde vom weltweit größten Suchmaschinenbetreiber erklärt, daß ansonsten der Marktzutritt gefährdet wäre. (Q9) Es stand offenbar ein kommerzielles Motiv im Vordergrund.

 

 

Auf Grund von Hackerangriffen im Jahr 2010 auf Googlemailkonten von chinesischen Dissidenten, hinter dem der Suchmaschinenanbieter die chinesische Regierung vermutete, wurden alle Zensurmaßnahmen eingestellt bzw. die google.cn Website auf die unzensurierte Site in Hongkong umgeleitet. China stellt darauf für Google den Entzug der Internetlizenz in den Raum. Nach monatelangem Streit lenke Google wiederum ein, und beugte sich der Zensur. (vgl. Q10)

 

Demokratie contra Kommerz und Marktstellung

Man könnte nun diesen Fall als ein empirisches Beispiel ansehen, wie ein Aggregator aus wirtschaftlichen Interessen die Demokratie im Web einschränkt.

Eine zu untersuchende These daraus basierend könnte sein, daß Aggregatoren zwar die Demokratisierung des Web im ersten Schritt vorantreiben und auch propagieren, jedoch diese kommerziellen und eigenen machtpolitischen Interessen unterordnen.

Donahue unterstreicht dies mit folgender Aussage fest: "Maximizing profit and minimizing expenditures has an impact on gatekeeping." (Q12)

 

Und was noch?

Für mich ergeben sich daraus zwei weitere Fragestellungen, die den Rahmen dieses Statements sprengen würden.

  • Wie reagieren die Nutzer auf undemokratische Verhaltensweisen von Gatekeepern? Wollen Benutzer eigentlich demokratische Verhältnisse, oder ist dies ein Elitenthema?
  • In wie weit wirkt sich die Konzentration von Gatekeepern (Stichwort: Unternehmenszukäufe und Fusionen) auf deren strategische Verhaltensweisen aus?

Kommentare und Meinungen dazu sind gewünscht und willkommen...

 

Zusammenfassung und perönliche Schlußfolgerung

Der Long-Tail wirkt lt. Anderson demokratisierend auf das Web, durch das rasche Wachstum an Information übernehmen Aggregatoren eine Filterfunktion. Besitzend diese eine marktrelevante Stellung geraten sie eine bedeutende Gatekeepingrolle, die unter Umständen die Demokratisierung bei Interessenskonflikten mit ihren eigenen organisatorischen Zielen in Frage stellt.

 

 

Weiterführende Publikation zum Thema Gatekeeping im Netzwerk:

Barzilai-Nahon, Karine (2008). Toward a Theory of Network Gatekeeping: A Framework for exploring information control. (http://ekarine.org/wp-admin/pub/GatekeepingSalienceTheory.pdf)

 

_________________________

Quellennachweis (Qn):

Q1: Netcraft.com June 2011 Web Server Survey (2011).
(http://news.netcraft.com/archives/2011/06/07/june-2011-web-server-survey.html)

Q2: Wikipedia 'Aggregator'

Q3: Mittendorfer, Hans (2011). Geschäftsmodelle die dem Web entspringen.
(http://collabor.idv.edu/propaedwebwi11s/stories/34941/)

Q4: Anderson, Chris (2008). The long tail.
(http://www.wired.com/wired/archive/12.10/tail.html)

Q5: Wikipedia 'Gatekeeper'

Q6: Wikipedia 'Demokratie'

Q7: Spiegel.de. (2011) Pornos, Diäten – wir können alles sperren.
(http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,752941,00.html)

Q8: Diestelberg, Michael (2006) auf winfuture.de. Zensur in China: Yahoo am Gründlichsten.
(http://winfuture.de/news,25921.html
)

Q9: Stern.de (2006). Google übt in China Selbstzensur.
(http://www.stern.de/digital/online/suchmaschinen-google-uebt-in-china-selbstzensur-553980.html)

Q10: Aldenrath, Petra (2010) auf tagesschau.de. Google beendet Selbstzensur in China.
(http://www.tagesschau.de/ausland/google234.html)

Q11: Tagesschau.de (2010). Google gibt in Zensurstreit mit China nach.
(http://www.tagesschau.de/ausland/google288.html)

Q12: Donohue, G. A., Olien, C. N., & Tichenor, P. J. (1989). Structure and Constraints on Community Newspaper Gatekeepers.

 Alle Onlinequellen abgerufen am 06.07.2011.


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