Eric Arthur Blair
Samstag, 20. November 2004
"Soon Most Information will be generated colaboratively by the cyber-tribal Hunter-Gatherers of Cyberspace" -J. P. Barlow ...

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Wenn Autoren zu Kollaborateuren werden – was ändert sich dann?
Oder: wenn Kommunikation ein Recht, gar ein Menschenrecht wird – was ändert sich dann?

Werner Kuhlen führt in diesem Artikel zwei große Themenbereiche und ihre real bereits existierenden bzw. absehbaren Konsequenzen zusammen. Zum einen ist das „kollaboratives Erstellen von Wissen“. Zum anderen das am UN-Weltgipfel 2003 in Genf heftig diskutierte „Right to Communicate“ als ein gerechteres, nachhaltigeres und den Ansprüchen einer (globalen) Informationsgesellschaft entsprechenderes Menschenrecht.

Kuhlen gründet seine Darstellungen auf der unumstößlichen Tatsache der zunehmenden Telemediatisierung unserer gesamten Lebenswelt, insbesondere der intellektuellen um die es in dem Artikel hauptsächlich geht. Die sich ständig weiterentwickelnde technisch-mediale Umgebung in der wir uns befinden, zieht einen „grundlegenden Wandel in den Formen unseres Umgangs mit Wissen und Information und in den Formen, wie wir miteinander kommunizieren“ (vgl. Kuhlen 2004, S. 4)nach sich. Neue Verhaltens- bzw. Umgangsformen und Einstellungen werden durch die Telemediatisierung erst ermöglicht. Sichtbares Resultat im Bereich der intellektuellen Lebenswelt ist unter anderem die Hypertextifizierung von Wissen und Information durch kollaboratives Zusammenarbeiten von Autoren. Aber nicht nur die Produktion von Wissen, sondern auch die Bewertung, Verbreitung, genauso wie die Nutzung findet immer häufiger in offener Form in kollaborativen Netzwerken statt. Steve Harnand fasst diese Form der kommunikativen Produktion unter dem Begriff „scholarly skywriting“ zusammen. (vgl. Harnand 1990 in Kuhlen 2004, S.1-2) In diesen Netzwerken werden Autoren nun zu Kollaborateuren, die gemeinsam produzierten Texte zu Hypertexten. Dem entgegen steht das traditionelle, westliche Verständnis von Autorenschaft, das dem Autor alle Urheber-/Verwertungsrechte über sein individuell erzeugtes Werk zusichert. Nun sind Hypertexte aber nicht nur Erzeugnisse sich kollaborativ verhaltender Autoren, G.P. Landow zu folge verhalten sich Texte durch synchrone Vernetzung mit anderen Texten ebenfalls kollaborativ. (vgl. Landow 1997 in Kuhlen 2004, S. 3) Der Leser schafft durch Interaktion und Navigation in den offenen Hypertexten ein individuelles, vergängliches „Textfragment als Netzausschnitt aus dem potentiell viel Größeren“. (Kuhlen 2004, S.3)
Wer ist aber der Autor des aktuell entstandenen Textfragments? Wer besitzt Urheber- bzw. Verwertungsrechte daran? Dem aktuellen Entwicklungsstand kollaborativer Zusammenarbeit hinkt die Legislative nicht nur weit hinterher, die momentane Gesetzeslage behindert geradezu die neuen medialen Möglichkeiten durch Wertvorstellungen für den Umgang mit geistigem Eigentum, die in einer anderen Phase der medialen Entwicklung entstanden sind.
Womit überhaupt nicht bestritten werden soll, dass auch in Zukunft kreative, rechtlich geschützte Produkte individueller Autoren entstehen werden. In jedem Fall wird kollaboratives Arbeiten nach Kuhlen aber Konsequenz haben
· für den Begriff Autorenschaft und den damit verbundenen rechtlichen Schutz haben
· für Verteilung/Publikation von Produkten und Ergebnissen der Wissenschaft, Kunst, Unterhaltung
· für Formen des Wissensmanagement in Organisationen
· für Lehren und Lernen
· für die Rolle der Medien
· für die Entwicklung neuer partizipativer Formen des politischen Systems
(vgl. Kuhlen 2004, S. 4-5)

Unter Kollaborateuren will Kuhlen nun alle jene verstanden wissen, die Produktion von neuem Wissen als das betrachten was es schon immer war: Kollaboration.
Kuhlen definiert solche Produkte als entwicklungsoffene, also nicht abgeschlossene Werke, die als kollektive Leistung weder individuell zurechenbar sind, noch individueller Anerkennung bedürfen. Daher sollten sie nach Kuhlen auch niemandem gehören und als gemeinsames Gut für alle frei zugänglich und nutzbar sein. Vier richtungweisende Modelle führt Kuhlen dazu an:
· Free-and-opensoft-ware Bewegung
· Creative-commons-Lizensierung
· Open Access Initiative
· Wikipedia

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Herausforderungen der Kollaboration
Im Bereich der KI-Forschung:
Stand bis vor wenigen Jahren noch das Gegeneinander von Mensch und Maschine im Vordergrund (Kasparow gegen Deep Blue) so verlagerte sich das Interesse der KI-Forschung auf andere menschliche Domänen, wie die Simulation von Zusammenarbeit. An Hand der alljährlich ausgetragenen Roboterfußballweltmeisterschaften, wo Kollaboration simuliert wird, kann gleichzeitig auch viel Nützliches für ein neues Verständnis von Autorenschaft abgeleitet werden, denn die Herausforderung besteht darin, „dass jeder einzelne Akteur durchaus autonom, zielgerichtet und auf die Umwelt reagierend zu handeln in der Lage sein muss, aber ständig in kollaborative Situationen verstrickt ist.“ (Kuhlen 2004, S. 8) Daher müssen, so Kuhlen, Formen von Wissensproduktionen und Annerkennungssysteme entwickelt werden, die sowohl der Entstehung individueller Werke Rechnung tragen, als auch Anreize für kollaborative Leistungen bieten.

Kollaboration in der Wissenschaft
Globalisierung macht auch vor der Wissenschaft nicht halt. Laut R. Stichweh hat sich zwischen 1980 und 1990 der Anteil von Publikationen mit internationaler Koautorenschaft von 11% auf 20% fast verdoppelt. (vgl.R. Stichweh in Kuhlen 2004, S. 9) Interessant ist aber nicht so sehr diese empirische Tatsache, vielmehr der damit verbundene Wandel von Publikationsverständnis in der Wissenschaft. Im Zuge der Open-access-Initiative muss die Vervielfältigung nicht mehr ausschließlich eindividueller Akt zwischen Autor und Verlag sein, sondern der Autor selbst kann sein Werk zur kollektiven Nutzung in Wissenschaftsportalen diverser Wissenschaftsorganisationen zur Verfügung stellen. Durch weiterführende Links, Kommentare anderer etc. kann so aus vielen Einzelstücken und Einzelautoren ein neues Produkt entstehen. Wie oben bereits erwähnt müssen auch hier neue Formen der Leistungsanerkennung gefunden werden.

Kollaboration im Wissensmanagement
Unter Wissensmanagement versteht man generell alle Verfahren, „die es einer Organisation erlauben, eine bessere Kontrolle über Produktion, Verteilung und Nutzung von explizitem und implizitem Wissen zu bekommen.“ (Kuhlen 2004, S. 9) Aber auch im Bereich des Wissensmanagement ist ein Paradigmenwechsel, weg von der statischen Sicht hin zur dynamischen Sichtweise von Wissensmanagement, zu verzeichnen. Es wird also nicht mehr nur davon ausgegangen, dass Wissen in verfügbaren Containern (Bücher, Dokumente, Files, Datenbanken,Pedrsonen etc.) gespeichert ist und bei problematischen Situationen einfach abgerufen werden kann. Die dynamische Sichtweise versteht unter dem Begriff Wissen das Ergebnis eines Kommunikationsprozesses im Zuge dessen Wissen durch Kombination und Integration einzelner Wissensstücke aus vielfältigen Ressourcen erst entsteht. Real existierende Informationsressourcen sind dennoch nicht entbehrlich, aber das entstandene Wissen erhält so eine andere qualitative Dimension, weil Menschen unterschiedlicher Herkunft und Expertise etwas beisteuern. Zentrale Hypothese Kuhlens dabei ist, dass das Ergebnis des vorher beschriebenen Prozesses mehr ist als die vorher unabhängig von einander existierenden Wissensstücke. In weiterer Folge fördert kollaboratives Wissensmanagement die Entstehung von neuem Wissen. Effektivste Instrumente dafür sind asynchrone Kommunikationsforen, wie etwa bei wiki-pedia.

Kollaboratives Lernen
Unter Kollaborativem Lernen versteht man angewandtes Wissensmanagement. Wissen wird also nicht mehr rezeptiv durch das Hören der Vorlesung angeeignet, sondern ist wiederum ein konstruktiver Prozess, basierend auf intensiver Referenzierung einzelner Wissensstücke anderer Lernender und externen Ressourcen. Kuhlen führt dazu das Projekt K3 an, das an der Uni Konstanz entwickelt und erprobt wird. Die Herausforderung dabei ist ein weiteres mal die Bewertbarkeit der kollaborativen Leistung, da traditionelle Prüfungsanforderungen fast ausschließlich auf individuell erbrachte Leitung ausgerichtet ist. So hinkt also nicht nur die Gesetzgebung hinter aktuellen Entwicklungen her, auch die Ausbildungssysteme halten an traditionellen, in der Berufspraxis aber längst überkommenen Formen der Wissensgenerierung fest. In der Berufspraxis kommt der Fähigkeit zu kollaborativem Arbeiten immer höhere Gewichtung zu.
Eine wichtige Erkenntnis die durch K3 bis jetzt gewonnen werden konnte ist, dass Kollaboration kein naturwüchsiger Prozess ist. Er bedarf intensiver Planung, Steuerung und Kontrolle, durch wen oder was auch immer (Öffentlichkeit, Teilnehmer etc.). (vgl. Kuhlen 2004, S. 11)


Die globale Dimension des kommunikativen Paradigmas
Ausgangspunkt für eine politische, rechtliche, sogar menschenrechtliche Diskussion über die Verankerung und Kodifizierung eines „right to communikate“ (r2c) ist die Tatsache, dass kollaboratives Arbeiten auf Kommunikation beruht. Menschen können gar nicht anders als ständig zu Kommunizieren, es ist ihre Bestimmung, ihr Schicksal. (vgl. Kuhlen 2004, S.11) Die momentane Grundlage aller bestehenden Kommunikationsrechte ist die Verknüpfung von Mitteilungs- und Rezipientenfreiheit, „in Artikel 19 UDHR als seek, receive, impart beschrieben.“ (vgl. Kuhlen 2004, S. 12) Kommunikation ist dem nach ein Universalrecht. Es kann aber nicht absolut reklamiert werden, da Kommunikation von individuellen und kollektiven Interessen bestimmt wird, auch kulturelle Unterschiede mit Kommunikation führen in unserer globalen Gesellschaft zu Konflikten. Wie auf den vorhergehenden Seiten schon öfter erwähnt, konnte auch auf internationaler, überstaatlicher Ebenen die Gesetzgebung nicht Schritthalten mit dem durch Telemediatisierung entstandenen Wandel im Umgang mit Wissen und Information. Im Gegensatz zu den bestehenden Kommunikationsrechten ist das Verständnis von Kommunikationsfreiheit des r2c „das Recht eines jeden, in den freien Austausch von Wissen und Information eintreten und sich kollaborativ, teilend, unbeschränkt durch Autoritäten oder technische Restriktionen an der Produktion von neuem Wissen und neuer Information beteiligen zu können.“ (ebd., S. 12) Nicht dass die Zeichen der Zeit in überstaatlichen Gremien nicht wahrgenommen wurden, vielmehr hatte man erkannt, welch weitreichende, höchst reale, fundamentale Folgen Kommunikationsrechte für alle Bereiche der Gesellschaft haben. Neben dem Problembewusstsein verhinderten bisher ausgeprägte Machtinteressen der „fortgeschrittenen Länder des Westens/Nordens“ (ebd., S. 13) an den globalen Informations- und Kommunikationsmärkten dieser Welt angemessene, rechtliche Entwicklungen. Es existieren davon abgesehen noch eine Reihe Kritikpunkte, die nicht leichtfertig von der Hand gewiesen werden können.
· das politische Argument
· das medienbezogene Argument
· das menschenrechtliche Argument (siehe dazu Kuhlen 2004, S. 13-14)

Für besonders riskant hält es Kuhlen, gültige Kommunikationsgesetzte unverändert bestehen zu lassen und sie lediglich in interpretatorischer, hermeneutischer Form an neue Bedürfnisse anzupassen. Wie unzureichend das traditionelle, kodifizierte Kommunikationsverständnis, wie klein der Interpretationssielraum für die aktuellen Entwicklungen tatsächlich ist, verdeutlicht er am Beispiel „impart“. (vgl. ebd., S.14)
Oben wurden bereits die Machtinteressen angesprochen, welche das r2c noch immer erfolgreich verhindern. Ebendiese Machtinteressen pflanzen sich ebenso erfolgreich auf staatlicher Ebene fort. Privilegierte Medienprofessionelle, individuelle Starjournalisten, operierende Medieneigentümer haben bei fortschreitender Kommerzialisierung des Medienbereichs ausgeprägtes ökonomisches Interesse daran, das Potential der Netzwerke zur freizugänglichen medialen Mitbestimmung zu boykottieren. Essentiell dabei ist die monopolartige Einweg-Kommunikation aufrecht zu erhalten. (vgl. ebd., S. 15)
In weiterer Folge zeigt sich auch „das offizielle Politische System spröde gegenüber“ (ebd., S.15) den neuen Möglichkeiten, die ein r2c rechtlich stützen würde. Für die „Machthaber“ wäre die Kontrolle über direkt entstandenen politischen Öffentlichkeiten schwieriger. Über die spontane Kommunikation hinaus könnten sich so neue Formen von Öffentlichkeiten, auch neue politische Entscheidungsstrukturen bilden. Entscheidend ist für Kuhlen dabei nicht die Unterscheidung ob es spontane oder institutionalisierte Formen der Bildung von Öffentlichkeit sind, sondern ob in ihnen von jedermann das r2c geltend gemacht werden kann. Damit ein für alle mal die Alleinherrschaft alter Eliten, staatlicher Organe, kommerzieller Medienkonzerne über Öffentlichkeit beendet wird. (vgl. ebd., S. 15)

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