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Donnerstag, 29. September 2005
Partizipatorischer Journalismus
„Participatory Journalism: The act of a citizen, or group of citizens, playing an active role in the process of collecting, reporting, analyzing and disseminating news and information. The intent of this participation is to provide independent, reliable, accurate, wide-ranging and relevant information that a democracy requires.“ [Bowman/ Willis, 2003, S.9]

Sieht man die Aufgabe des Journalismus in dem Sammeln, Bearbeiten und Verbreiten von Informationen, wird nicht vorausgesetzt, dass diese Arbeiten von Professionisten ausgeführt werden. Will man die „Vormachtstellung“ der professionellen Journalisten wahren, bedarf es mehr als einer Zusicherung von Fairness und Objektivität in der Berichterstattung. Für die Rezipienten ist es wichtiger freien Zugang zu den Informationen zu haben und zu wissen, dass diese unabhängig von kommerziellen Interessen dargestellt werden, als die Illusion der objektiven Nachrichten eines Medienunternehmens. Je mehr Personen an einem Thema arbeitend, desto besser wird das Ergebnis. Vorraussetzung für den Erfolg ist die Lösung von hierarchischen Strukturen, nach denen Informationen bestimmte Wege durchlaufen müssen, um an die Öffentlichkeit gelangen zu können. Das Prinzip der „Top-down“ Kommunikation, auch „Push- Kommunikation“ genannt, steckt dahinter. Der Informationsfluss ist weitgehend vorgeschrieben und gelenkt wird. So gelangt die Nachricht erst an die Öffentlichkeit, nachdem der Weg durch die Redaktion und dem Chefredakteur gegangen wurde. Die Informationen werden vorweg ausgesucht und gefiltert, sodass das Publikum nur beschränkten Einblick in die tatsächlichen Geschehnisse bekommt oder teilweise gar nicht über etwas informiert wird. Die Funktion der Journalisten und Redakteure als Gatekeeper ist hier deutlich zu spüren. Sie sind es, die aktiv die Informationsschleusen nach ihren Bestimmungen öffnen und wieder schließen. Partizipatorischer Journalismus funktioniert hingegen nach dem „Bottom-up“ Prinzip, das auf eine netzwerkartige Kommunikationsstruktur baut, Kollaboration voraussetzt und Gleichheit der Beteiligten über die Rentabilität des Produktes stellt. Keiner der Kommunikationsteilnehmer hat eine vorgeschriebene Rolle, jeder wird abwechselnd vom Autor zum Rezipienten und umgekehrt. Die Entstehung einer Nachricht erfolgt im Kollektiv, die Recherche fällt nicht auf eine Person oder Gruppierung zurück, sondern verteilt sich auf das ganze Kommunikationsnetzwerk, in dem jeder den gleichen Stellenwert hat. Auch Interessensgemeinschaften steuern in dieser Kommunikationsform ihren Teil bei. Eine dieser Communities ist die Blogosphäre, in deren Raum durch Diskussion und Erfahrungsaustausch neue Gedanken entstehen oder Tatbestände angezweifelt werden. Das Produkt der Blogosphäre geht an die anderen Kommunikatoren weiter. So nimmt die Nachricht ihren Lauf. Communities können im Rahmen der „bottom-up“ Kommunikation genauso Informationslieferanten sein wie professionelle Journalisten. Es besteht weder eine Hierarchie noch eine Schleuse zwischen den einzelnen Kommunikationsteilnehmern. Die Symbiose von Sender und Empfänger beschreibt John Seely Brown, Wissenschafter von Xerox, folgendermaßen:

„In an era when anyone can be a reporter or commentator on the Web, you move to a two-way journalism. The journalist becomes a ‚forum leader’ or a mediator rather than simply a teacher or lecturer. The audience becomes not consumers, but ‚pro-sumers’, a hybrid of consumer and producer.“ [Brown, zit. nach Bowman/ Willis, 2003, S. 9]

Partizipatorischer Journalismus verbreitet sich schnell und erfreut sich großer Beliebtheit, zumindest bei dem bisher aus dem Publikationsprozess ausgeschlossenen Publikum. Generell lässt sich die publizistische Kooperation in folgende Kategorien einteilen:
  1. Partizipation der Leser in News Outlets der Mainstream Medien. Z.B. in den Weblogs professioneller Journalisten wie Dan Gillmor, in Diskussionsforen von Zeitungen o.ä.
  2. Kooperation von Independent News und Information Websites. Nischenpublikationen, Kundeninformationen, Stadtnachrichten etc. werden von Amateuren oder unabhängigen Journalisten verfasst und in eine größere Nachrichtenplattform eingegliedert. Z.B. Biased BBC.
  3. Partizipation gleichgestellter Mitglieder auf eigenen News-Plattformen, wie der südkoreanische Weblog OhmyNews. Bürgerjournalisten liefern First-Person Reports von aktuellen Ereignissen. Das E-Journal von Dan Gillmor .
  4. Das Sammeln von Informationen auf kollaborativen Medienseiten, wie Slashdot.org. Die User veröffentlichen Inhalte oder nur Links zu interessanten Neuigkeiten auf einer Plattform, die Bestandteile von Weblogs und Diskussionsforen mischt.
  5. „Thin Media“ Partizipation in Form von Mitwirkung an Mailinglisten, E-Mail Newslettern, o.ä.
  6. Veröffentlichung der eigenen Materialien auf Personal Broadcasting Sites. Aus auf einer Website gesammelten Audio- und Videoinhalten vieler Personen entstehen neue Produkte, wie z.B. KenRadio.com. Hier werden Materialien zusammengezogen und in Form einer Radiosendung veröffentlicht. [Vgl. Lasica, 2003]

Partizipation ist ein unaufhaltsames Phänomen, viele haben das Potential der Publikationsnetzwerke erkannt und verwerten die Produkte des partizipatorischen Journalismus in den verschiedensten Formen. Die genannten Kategorien nach J.D. Lasica, Chefredakteur von Online Journalism Review, sind nur einige der vielen parallel laufenden kooperativen Publikationsformen.

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