Produktdifferenzierung durch „Versioning“ - Individualisierung des Massenmarktes

thomas.pichler.uni-linz, 9. November 2009, 22:05

Produktdifferenzierung durch „Versioning“ - Individualisierung des Massenmarktes

Da mein Kollege Siegfried Greisinger in seinem Lern-Blogg, meiner Ansicht nach, die Grundlage des „Versioning“ und die grundsätzliche Idee die Unternehmen mit dem „Versioning“ verfolgen,  nämlich das Abschöpfen von Umsätzen im Sinne einer möglichst großen Konsumentenrente, sehr ausführlich beschreibt und ich seiner Ausführung nur vollstens zustimmen kann, werde ich in meiner Abhandlung auf mögliche Formen des „Versioning“ anhand von ausgewählten Beispielen, die ich dem Buch Information Rules“ entnommen habe, eingehen und dazu Stellung nehmen [vgl. Shapiro S. 53ff]:


Delay (Verzögerung)

Ein erstes Beispiel zu dieser Art des „Versionings“ ist das allseits bekannte Vorgehen von Buchverlegern ein neues Buch zuerst als Hardcover-Version für Leser, die es nicht erwarten können das Buch zu lesen, auf den Markt zu bringen und erst z.B. ein Jahr später die Paper-Back-Version für geduldigere Leser und aufgrund deren geringerer Zahlungsbereitschaft natürlich zu einem günstigeren Preis nachzuschießen und auch diese Konsumentenrente abzuschöpfen.

Ein weiteres, etwas kurioses Beispiel ist jenes des Zustelldienstes Federal Express kurz FedEx der zwei „Versionen“ der Zustellung unterscheidet. Erstere sichert die Zustellung am nächsten Tag zu und die Zweite die „Premium“-Zustellung die die Zustellung bis spätestens 10 Uhr am Morgen des nächsten Tages zusichert. Dass FedEx auch lieber eine zweite Tour fährt, als ein Nicht-Premium-Paket vor 10 Uhr morgens zuzustellen mutet zwar seltsam und unökonomisch an, erhält aber das Geschäftsmodell von FedEx aufrecht [vgl. Shapiro S. 56f].

 

Speed of Operation (Ausführungsgeschwindigkeit)

Bei Software ist es durchaus üblich die Versionen mit unterschiedlichen Funktionen auszustatten. So wurde etwa bei der Studenten-Version von Mathematica der auf Gleitkomma-Operationen spezialisierte Co-Prozessor eines Computer einfach nicht verwendet und so wurden mathematische und grafische Berechnungen wesentlich verlangsamt. IBM vollzog eine ähnliche Strategie auch bei ihren Laser Druckern der Series E die zwar von der Funktionalität her vollkommen ident sind zu ihren Laser Druckern für den professionellen Bereich, allerdings nur noch 5 Seiten anstelle von 10 Seiten pro Minute druckten. Dass IBM hier auch noch Kosten auf sich nahm um die Series E zu verlangsamen und diese Version der Laserdrucker auch noch günstiger verkaufen musste, erscheint auch auf den ersten Blick komisch. Nur so konnten sie jedoch auch den Home-Office-Markt zu einem attraktiven Preis bedienen ohne die Verkäufe des  professionellen Models zu kannibalisieren [[vgl. Shapiro S. 58ff].


Annoyance (Belästigung)

Darunter fällt beispielsweise Software die beim Starten ständig die Aufforderung zur Zahlung einer Registrierungsgebühr anzeigt, welche etwa erst nach 30 Sekunden verschwindet und die Software erst dann benutzbar ist. Dies ist meiner Meinung nach eine gute Alternative zur Strategie des Follow-the-free-Ansatzes, die je nach Verwendungshäufigkeit der Software den Benutzer wahrscheinlich zur Bezahlung der Registrierungsgebühr veranlasst und dem Unternehmen somit auch Umsatz beschert.


Eigene Meinung:

Die gebrachten Beispiele zeigen nur einen anderen Aspekt der Versionierung auf, gehen jedoch nicht wirklich umfangreich auf die Individualisierung des Massenmarktes ein, wie dies meine Kollegen etwa mit den Modellreihen des Autoherstellers Audi oder der Vielzahl an im Funktionsumfang unterschiedlichen Versionen des Microsoft Betriebssystems Windows oder deren Office-Produktlinie getan haben. Es war mir jedoch ein Bedürfnis auch diese Möglichkeiten zu erwähnen.

Zur „Versionierung“ von Autos fällt mir noch ein, dass selbst innerhalb einer Modellreihe, wie etwa dem A4 von Audi, die Versionierung noch weiter getrieben wird durch die Ausstattungslinien wie Ambition, Attraction usw. Innerhalb dieser Ausstattungslinien gibt es dann weiters ja noch die Extras mittels der der Kunde sein Auto noch weiter individualisieren kann.

Persönlich sehe ich „Versionierung“ als ein gutes Instrument zur Preisdifferenzierung, da es auch dem Konsumenten entgegenkommt und er so eventuell nur das bezahlt was ihm auch wichtig ist bzw. was er auch nutzt. Warum sollte etwa ein Heimanwender Microsoft Windows 7 kaufen, wenn es nur eine einzige Version mit dem vollen Funktionsumfang gäbe, von dem er gerade mal 10 Prozent nutzt, wenn es eine günstigere Version die nicht den vollen Funktionsumfang bietet für seine Zwecke genau so tut. Allerdings sollte es nicht ausarten, wie dies etwa bei den Produkten der Mobil-Telefon-Netz-Betreiber der Fall ist und sich der Konsument in einem wahren Tarif-Dschungel wiederfindet. Einen negativen Beigeschmack hat auch die Vernachlässigung der ökologischen Verantwortung die Unternehmen zweifellos tragen, wie dies am Beispiel von FedEx gezeigt wurde.

Von Seiten der Unternehmen finde ich es spannend, welche Möglichkeiten zur Individualisierung es gibt und wie diese „Versionierung“ entsteht und solche Ideen generiert und in Strategien umgesetzt werden.

Weiters ist es interessant, wie Unternehmen durch Versionierung auch Markforschung betreiben können bzw. durch das Kaufverhalten ihrer Kunden auch Informationen über sie und etwa ihre Preissensibilität gewinnen können

 

Quellen:

[Shapiro] Shapiro C., Varian H. R.: Information Rules - A Strategic Guide to the Network Economy, Harvard Business School Press, Boston, Massachusetts, 1998.

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