Isolation des Einzelnen - Chancen des Social Networks
Anna.Schusser.Uni-Sbg, 2. April 2011, 23:20
Ich finde den Beitrag „Richtung 2000“ sehr interessant und es ist spannend zu sehen, wie aus der damaligen Zeit (1972) die technische Entwicklung für die Zukunft (2000) prognostiziert wurde. Besonders fällt auf, dass einige Punkte aus der Prognose wirklich so oder so ähnlich eingetreten sind, wie z.B. Satellitenfernsehen, Bildtelefonie etc., und sich für uns heute als völlig normal darstellen. Manche der im Film gezeigten Entwicklungen haben sich durchgesetzt und andere nicht. Verwundert hat mich, dass in dem Beitrag viele verschiedene Bereiche wie Verbesserung des „Umweltschutzes“ und des „Verkehrs“ (durch Nutzung von Zügen und Elektroautos) etc. eine große Rolle spielen, dass aber persönliche Kontakte völlig abnehmen bzw. eigentlich überhaupt nicht mehr stattfinden sollen.
Da Menschen soziale Wesen sind, sind Kontakte und Interaktionen mit anderen Menschen ein wichtiger Bestandteil im „gesamten Lebensverlauf“ und spielen für sie eine „zentrale Rolle“ (vgl. Kneidinger 2010: 19). Ich halte es deshalb für problematisch, dass bei der Beschreibung der technischen Entwicklungen im Film fast ausschließlich Gesichtspunkte genannt werden, die zur Isolation der Menschen, zu ihrer Vereinzelung und Vereinsamung führen. Der Film zeigt nur Menschen, die beinahe keine sozialen Kontakte haben, außer gelegentlich per Videotelefon, aber fast nie persönlich. Außerdem sitzen sie zuhause, weil sie ja außer der Arbeit keine Termine haben. In der heutigen Zeit nimmt jedoch die Kommunikation per Handy und Internet einen hohen Stellenwert im Bereich des sozialen Lebens ein. Möglicherweise waren diese Entwicklungen im Jahr 1972 so noch nicht absehbar und werden deshalb im Film nicht erwähnt. Die Bedürfnisse der heutigen Gesellschaft haben sich aber im Vergleich zu 1972 verändert. Röll stellt dazu fest, dass „In der digitalen Medienkultur […] offensichtlich der Bedarf, sich mit anderen Menschen auszutauschen, Erfahrungen und Erlebnisse zu kommunizieren“ (Röll 2009: 222 f.), wächst. Dies zeigt sich unter anderem in der schnellen Verbreitung des Internets. „Das Radio hat fast 40 Jahre gebraucht, um auf 50 Millionen Nutzer zu kommen, beim Fernsehen waren es noch 30 Jahre, beim Internet ganze 4 Jahre.“ (Picot/Quadt 2005: 3). Diese Entwicklung zeigt ganz deutlich, dass das Internet eine wichtige Rolle im Leben der Leute spielt. Daraus ergibt sich allerdings auch die Gefahr, dass sich manche Personen nur noch in der virtuellen Welt bewegen und keine direkten sozialen Kontakte mehr pflegen und somit den Bezug zur Realität verlieren. Die Frage, die sich stellt, ist also:
„Stellen Online Social Networks eine Bereicherung für die Beziehungspflege bzw. den Kontaktaufbau zu neuen Personen dar, oder wirken sie sich eher hemmend und beschränkend aus, indem durch den wachsenden Gebrauch derartiger Online-Angebote die Zeit für die Pflege und Aufrechterhaltung existierender Beziehungsbindungen reduziert wird?“ (Kneidinger 2010: 17)
Ich denke, dass es sicherlich problematisch ist, wenn sich Leute selbst isolieren und nur noch mittels technischer Geräte soziale Kontakte aufnehmen (wie im Film). Aber die Chancen, die sich aus der Kommunikation per Internet ergeben, sind äußerst vielfältig und komplex. Deshalb bin ich eher der Meinung, dass die Social Networks heute den Kontakt zu anderen Personen sogar fördern, da man mit sehr vielen Menschen gleichzeitig in Kontakt treten kann und auch Beziehungen zu Leuten pflegen kann, die man persönlich nicht sehr oft sieht. Das Internet ist ein „Allroundmedium“, das viele verschiedene Medienbedürfnisse auf einmal erfüllen kann (vgl. Friedrichs/Sander 2009: 30). Es hat eine Informationsfunktion, durch Online-Zeitungen, eine Unterhaltungsfunktion durch Angebote von Filmen, Musik, Spielen etc. und auch die Möglichkeit zur sozialen Kontaktaufnahme durch Social Networks. In den meisten Fällen überschneiden sich die einzelnen Funktionen sogar, z.B. gibt es bei Online-Zeitungen zusätzliche Videos und Social Network-Seiten, wie Facebook, bieten auch Spiele an usw. Dass Kontaktaufnahme und Kontaktpflege aber nicht nur auf das Medium Internet beschränkt bleiben, sondern massive Auswirkungen auf das reale Sozialverhalten haben können, zeigt sich derzeit am Beispiel einiger arabischer Staaten. Bei den Aufständen im Nahen Osten hat die Internet-Kommunikation auf Social Networkseiten (allen voran Facebook) im Vorfeld in erheblichem Maße zur späteren Mobilisierung der Massen auf der Straße beigetragen.
Quellen:
Friedrichs, Henrike/Sander, Uwe (2009). Die Verschränkung von Jugendkulturen und digitalen Medienwelten. In: Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.): Digitale Jugendkulturen. Wiesbaden: VS Verlag, S. 23-36.
Kneidinger, Bernadette (2010): Facebook und Co: Eine soziologische Analyse von Interaktionsformen in Online Social Networks. Wiesbaden: VS Verlag.
Picot, Arnold/Quadt, Hans-Peter (Hrsg.) (2005): Telekommunikation und globale wirtschaftliche Entwicklung: Einfluss einer weltweiten Verbreitung neuer Technologien. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag.
Röll, Franz-Josef (2009): Social Network Sites. In: Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.): Digitale Jugendkulturen. Wiesbaden: VS Verlag, S. 209-224.
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