Dilemma der Privatheit im Internet

Anna.Schusser.Uni-Sbg, 2. April 2011, 23:10


Jeder User hinterlässt beim Surfen im Internet eine individuelle Datenspur. Service-Provider, wie z.B. AOL, die den Internetzugang zur Verfügung stellen, haben detaillierte Kenntnisse darüber, wie der Einzelne das Internet nutzt und welche Seiten er aufgerufen hat. Dadurch entsteht die Gefahr, dass Verhaltens- und Kommunikationsprofile jedes Nutzers erstellt, gespeichert und weiterverwendet werden können. Beispielsweise können so die ausführlichen Kundenprofile ausgewertet und an andere für Marketingzwecke weitergereicht werden. Aus dieser Tatsache ergibt sich ein Dilemma für den Nutzer.


Auf der einen Seite will der User das Internet als Informationsquelle nutzen. Dabei stellt auch nicht nur die Informationsfunktion des Internets einen großen Reiz und viele Vorteile dar, sondern auch die Nutzung von Social-Network-Seiten. Social Networks bieten die Möglichkeit für den Nutzer, sich mit anderen Usern auszutauschen, in Kontakt zu bleiben und Informationen über die Aktivitäten der anderen zu erhalten. Des Weiteren erhält auch der Nutzer die Option sich selbst darzustellen, sich anderen mitzuteilen und ihre Einträge zu kommentieren etc.


Auf der anderen Seite ergeben sich für den Nutzer des Internets und Social Networks auch Probleme. Die Firmen, die Internetdienste oder Social-Network-Dienste anbieten, gewinnen Informationen über den Nutzer. Diese Firmen sind auf der Suche nach Daten der Nutzer. Zum einen können sie damit fundierte, datenbasierte Marktanalysen erstellen, die ihnen mitteilen, wer ihre Nutzer sind, welche Vorlieben etc. sie haben, um dann gezielt darauf reagieren zu können. Zum anderen können sie ihre Kenntnisse über die Nutzer an andere Firmen weiterverkaufen. Diese Firmen benötigen die Informationen über die Nutzer, um jedem einzelnen User gezielt, auf ihn zugeschnittene, Werbung senden zu können. Der Nutzer wird dadurch „durchsichtig“ und ist dem Vorgehen der Firmen ausgeliefert. Sobald der Nutzer Informationen über sich im öffentlichen Raum des Internets preisgibt, verliert er die Kontrolle über seine Daten.

„Nachdem personenbezogene Daten das System des Nutzers verlassen haben, liegt die Verwertung der Daten beim Kommunikationspartner und nicht mehr im Einflussbereich des Nutzers. Entsprechend greifen auch rein technische Maßnahmen nicht mehr, mit denen der Nutzer seine Daten verändern oder löschen könnte. Zur Kontrolle der Verwertung der personenbezogenen Daten bedarf es zusätzlich nicht-technischer Maßnahmen wie beispielsweise dem Datenschutzgesetz, mit denen die Verwertung von personenbezogenen Daten gesetzlich gesteuert wird.“ (Müller/Eymann/Kreutzer 2002: 1)

 

Das Paradoxe liegt jedoch bei den Nutzern selbst:


„Einerseits möchte man die vielen Dienste und Angebote im Internet extensiv nutzen. Viele geben, etwa in Social Media wie Facebook und Twitter, freiwillig Privates der Öffentlichkeit preis. Dennoch wünscht man sich einen Schutz der Privatsphäre. Gerade kostenlose Angebote werden jedoch oft mit der Erfassung privater Angaben «bezahlt». Dabei setzen die Anbieter auf das Bedürfnis der Menschen, sich ihrem Umfeld mitzuteilen und sozial vernetzt zu sein. Zwar gibt es im Internet Dienste, die Anonymisierungen anbieten, doch werden diese hauptsächlich von Profis genutzt.“ (Imhof 2010)


Die Grenze zwischen „Privatheit“ und „Öffentlichkeit“ verschwimmt im Zeitalter des Internets. Die Netzöffentlichkeit ist anders beschaffen als die der traditionellen Medien, da die Menschen intensiver teilhaben und sich darstellen. Durch die Kommunikation im Internet “entsteht eine Vielzahl von Teilöffentlichkeiten“, wie z.B. Communities, die sich mit bestimmten Themen befassen (vgl. Hermanns/Koenen/Konert/Mischalski 2002: 556). Die Autoren beziehen sich dabei auf Thimm, der die Situation so einschätzt:


„Mein Eindruck – gerade aus der Netzkommunikation – ist, dass Privatheit ganz individuell, ganz verschieden, mit ganz unterschiedlichen Grenzziehungen interpretiert wird. Was für einige privat ist, ist für andere längst nicht mehr oder noch nicht privat. Daher erleben wir durch die Individualisierung, die über das Internet möglich ist, auch eine Individualsierung der Selbstdefinition, meiner Selbst und auch des Privaten.“ (Thimm, zit. nach Hermanns/Koenen/Konert/Mischalski 2002: 557)


Ich bin der Meinung, dass es durchaus problematisch sein kann, wenn Anbieterfirmen zu viel Macht ausüben können und die Privatsphäre von Internetnutzern nicht mehr geschützt wird, v.a. da inzwischen fast jeder den Zugriff auf das Internet braucht. Andererseits denke ich auch, dass sich die Einstellung zur Privatsphäre insgesamt verändert hat. Da die meisten Internetnutzer die Gefahren des lückenhaften Datenschutzes im Internet kennen und dennoch sehr viele Informationen von sich im Internet preisgeben, entscheiden sie sich damit bewusst für die „Freigabe“ ihrer Daten. Aus diesem Grund denke ich, ist es die Entscheidung jedes einzelnen, wie viele Informationen er von sich preisgibt, da er die Risiken einschätzen kann und selbst entscheiden muss wie er sich verhält. Ich stimme darin  Thimm, zu was Privatheit ist bzw. bedeutet, wird in Zukunft „individuell“ jeder selbst für sich entscheiden müssen.


Literatur:
Hermanns, Dirk/Koenen, Andrea/Konert, Bertram/Michalski, René (2002): Werkstattbericht: Interdisziplinärer Diskurs über den Wandel der Privatheit und die Rolle der Medien. In: Weiß, Ralph/Groebel, Jo (Hrsg.): Privatheit im öffentlichen Raum. Medienhandeln zwischen Individualisierung und Entgrenzung. Opladen: Leske und Budrich, S. 549-610.
Müller, Günter/Eymann, Thorsten/Kreutzer, Michael (2002): Telematik- und Kommunikationssysteme in der vernetzten Wirtschaft. München: Oldenbourg Verlag. Online im Internet unter: http://www.vs.inf.ethz.ch/publ/se/AuszugPrivatheit.pdf.
Imhof, Isabelle (23.06.2010): Das Internet soll vergessen lernen. NZZ Online. Online im Internet unter: http://www.nzz.ch/magazin/digital/internet_vergessen_1.6226551.html.
Thimm, Caja (2000) (Hrsg.): Soziales im Netz. Sprache, Beziehungen und Kommunikationskulturen im Internet. Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.

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