Der Faktor "Mensch" im Interface Design - Entwicklungsperspektiven
Anna.Schusser.Uni-Sbg, 9. Mai 2011, 19:35
Definition und Anwendung
„User Interfaces bilden das Bindeglied zwischen einem Service und dem Service Anwender (Endbenutzer).“ (Keuper u.a. 2010: 173) Jedes User Interface hat seine eigenen spezifischen Ausprägungen, die wiederum den Einsatz in den jeweiligen Endgeräten begünstigen (vgl. ebd.). Wenn die Prozessschritte ähnlich oder sogar gleich sind, dann können bereits bestehende User Interfaces wiederverwendet werden. Es kann auch zwischen den User Interfaces gewechselt werden, was zum einen eine hohe Flexibilität ermöglicht und zum anderen gezielt auf die Bedürfnisse des Endbenutzers eingeht (vgl. ebd.: 176). Ein Beispiel dafür, wie auf den Endbenutzer zugeschnittene „Anwendungen“ entwickelt werden, wird hier im Video durch die Erstellung eines neuen „Apps“ veranschaulicht.
iPhone User Interface Design, Paper Prototype Study
Quelle (08.05.2011)
Während Screen- und Informationsdesign die Form beschreibt, wird mit Interface- und Interactiondesign die Funktion eines Produkts bestimmt. Interfacedesign ist also als Gestaltung von Funktionselementen definiert (vgl. Stapelkamp 2010: 13). „Das Screendesign stellt zusammen mit dem Interface sicher, ob eine Interaktionsmöglichkeit erkannt wird und ob alle optischen und funktionalen Aspekte und Absichten in einem gemeinsamen Zusammenhang wahrgenommen werden.“ (ebd.: 16)
Entwicklungsperspektiven
In der aktuellen Diskussion wird gefordert, dass die „[…] Gebrauchstauglichkeit für den Endnutzer […] mindestens denselben Stellenwert bekomm[t] wie die Qualität der technischen Realisierung“ (Mensch und Computer 2000). Unter renommierten Forschern im Bereich der Mensch-Computer-Interaktion gibt es zunehmend mehr, die fordern, von „[…] einer technikzentrierten Weiterentwicklung zu einer aufgaben- und menschenzentrierten Entwicklung überzugehen, um die ständig wachsende Komplexität von Anwendungssystemen […] in den Griff zu bekommen“ (Norman, 1991, 1998, zit. nach Mensch und Computer 2000).
Einen früheren Versuch, den „[…] menschlichen Faktor bei der Entwicklung von interaktiven Anwendungen zu berücksichtigen und [so] die Mensch-Computer-Interaktion zu verbessern […]“, hat Ben Shneiderman vorgenommen. Dafür hat er „8 goldene Regeln des Interface Designs“ aufgestellt:
1. Konsistenz anstreben
Verwandte Funktionen wie z.B. Löschen, Weiter oder Zurück, sollten systemübergreifend immer vorhanden sein, gleich heißen und gleich funktionieren.
2. Abkürzungen (Shortcuts) für erfahrene Benutzer bereitstellen
Erfahrene Nutzer sollten den Interaktionsprozess mit Shortcuts verkürzen können, um schneller arbeiten zu können. Abkürzungen, Funktionstaten, versteckte Befehle und Makro-Fähigkeit können hier ebenso sehr hilfreich sein.
3. Informatives Feedback anbieten
Zu jeder Systemeingabe des Benutzers sollte auch eine Systemrückmeldung erfolgen und den derzeitigen Status verständlich erläutern. Bei häufigen Systemeingaben kann die Rückmeldung eher moderat ausfallen, nicht so häufige Eingaben sollten besser erklärt werden.
4. Design von Dialogen zur Verdeutlichung der Abgeschlossenheit
Aktionssequenzen sollten in Gruppen organisiert sein, die einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende aufweisen. Das informative Feedback nach einer abgeschlossenen Aktionssequenz gibt dem Benutzer ein Gefühl des ordnungsgemäßen Abschlusses der Aktion und somit ein Gefühl der Entlastung, welches den Weg frei macht für die nächste folgende Aktion.
5. Einfache Fehlerbehandlung anbieten
So gut es geht, sollte das System so gestaltet sein, dass der Benutzer keine Fehler machen kann. Falls doch ein Eingabefehler gemacht wird, sollte es eine einfache Fehlerbehandlung geben, die es dem Benutzer ermöglicht, den Fehler zu beheben.
6. Möglichkeit zur Stornierung anbieten
Diese Möglichkeit nimmt dem Benutzer die Angst, etwas falsch machen zu können, und bestärkt ihn gleichzeitig in der Erforschung neuer Menüpunkte. Diese “Undos” können für einzelne Aktionen, für Dateneinträge oder ganze Menügruppen gelten.
7. Benutzerkontrolle
Erfahrene Anwender brauchen das Gefühl, dass Sie die Macht über das System haben, und, dass das System auf ihre Eingaben antwortet und sozusagen gehorcht. Das System sollte daher dem Anwender das Gefühl des “Eingebers” und nicht das des “Antwortenden” vermitteln.
8. Kurzzeitgedächtnis entlasten
Die Begrenzung der menschlichen Informationsverarbeitung innerhalb des Kurzzeitgedächtnisses erfordert eine erheblich reduzierte und einfache Anzeige von Bedienelementen. Die gleichzeitige Darstellung mehrerer Seiten oder Fenster sollte vermieden werden. Die Fensterbewegungsfrequenz sollte reduziert werden, und die Zeit, die zum Erlernen von Aktionssequenzen benötigt wird, sollte ausreichend bewilligt werden.
Seit Sheidermans Regeln für die Erstellung von Interfaces haben sich die Anforderungen bereits weiter entwickelt. Die Konzentration auf die Bedürfnisse der Menschen ist inzwischen noch weiter in den Mittelpunkt der Überlegungen gerückt. Dies wird zum Beispiel in dem Video über den Studiengang „Interface Design“ an der FH Potsdam besonders deutlich.
Interface Design
Quelle (08.05.2011)
Heute ermöglicht die Verfügbarkeit von Information und Informationsverarbeitung über Netze eine grundlegend neue prozessbegleitende Unterstützung von Tätigkeiten mit neuen Chancen und Gestaltungsaufgaben, die von den Endgeräten (ubiquitous computing) unabhängig sind. Die Systeme sind einer ständigen Evolution unterworfen, weshalb dynamische, flexible und anpassbare Systeme notwendig werden. Die Systeme müssen sich an veränderte Aufgabenstellungen, Kontexte, sowie an sich verändernde Prozesse anpassen (vgl. Mensch und Computer 2000). Die neueste Entwicklung in der Anwendung für Nutzer geht sogar so weit, dass sich „Interfaces“ auflösen bzw. verschwinden, weil sie nicht mehr unbedingt relevant sind, wenn sich die „Interaktion“ von selbst erklärt. Diese neue noch am Anfang stehende Innovation wird im folgenden Video vorgestellt.
Human Interface
Quelle (08.05.2011)
Für die zukünftige Entwicklung ist eine ganzheitliche Vision notwendig. Um neue Lösungen bereitzustellen, müssen integrierte Gestaltungsansätze gefunden werden, die Technik und menschliche Bedürfnisse gleichermaßen berücksichtigen. Auch Marktmechanismen werden die Selektion beeinflussen (vgl. Mensch und Computer 2000).
Quellen:
Keuper, Frank/Hamidian, Kiumars/Verwaayen, Eric/Kalinowski, Thorsten (Hrsg.) (2010): transformIT. Optimale Geschäftsprozesse durch eine transformierende IT. Wiesbaden: Gabler.
Mensch und Computer 2000. Information, Interaktion, Kooperation. Online im Internet unter http://www.mensch-und-computer.de/memorandum.html (06.05.2011)
Shneiderman, Ben (2001): User Interface Design. Effektive Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Leitfaden für intelligentes Schnittstellendesign. Was Programmierer und Designer über den Anwender wissen müssen. Frechen: Mitp-Verlag.
Stapelkamp, Thorsten (2010): Interaction- und Interfacedesign: Web-, Game-, Produkt- und Servicedesign Usability und Interface als Corporate Identity. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag.
Connector
Carla.Stenitzer.Uni-Sbg, 16. Mai 2011, 10:33
Liebe Anna,
Ein wirklich interessanter und gut recherchierter Beitrag zum Thema HCI! Ich habe deinen Beitrag übrigens auch gleich mit dem passenden Connector verlinkt. Dort findest du auch andere Beiträge, die sich mit dem Thema HCI auseinander setzen.