Artikel Fake Reviews: Fallbeispiel Amazon

sebastian.kaltenboeck.uni-linz, 14. Jänner 2017, 11:57

 

Fake Reviews – Fallbeispiel Amazon

 

Die meisten Online-Shop-Betreiber, wie Amazon, bieten die Möglichkeit, dass Kunden die angebotenen Produkte bewerten können. Diese Kundenbewertungen haben einen enormen Einfluss auf den Umsatz von Amazon, Ebay & Co: 63% der Kunden bevorzugen Shops, die Kundenbewertungen anbieten. 65% der Kunden kaufen Produkte, die sie ursprünglich gar nicht kaufen wollten, nach dem Lesen einer positiven Kritik. Bereits eine positive Bewertung steigert den Umsatz eines Produktes um 10%, 200 positive Bewertungen um 44%. 58% der Kunden denken, dass Geschäfte mit Online-Bewertungen vertrauenswürdig sind. Kunden vertrauen den Produktbewertungen 12-mal mehr als den Angaben der Hersteller.

 

Natürlich sind solchen Statistiken immer mit Vorsicht zu genießen, jedoch eines ist eindeutig: Aus E-Commerce Sicht sind Kundenbewertungen nicht mehr wegzudenken. [Q1]

 

#negative Bewertungen

 

Negative Bewertung bedeuten für die Händler wiederum einen großen Schaden. Dies lässt sich auch an einem Beispiel eines Vorfalls bzgl. einer negativen Produktbewertung 2014 erkennen: Nachdem ein Kunde eine negative Kritik über ein 20€ teures Fliegengitter äußerte, erhielt dieser eine Abmahnung und darauffolgend eine Schadensersatzklage von 70.000€ aufgrund des entgangenen Gewinns.

 

"Die Lieferung erfolgte schnell. Das war das Positive. In der Anleitung steht ganz klar, man muss den Innenrahmen messen. Das ist falsch. Damit wird das Ganze zu kurz! Die Ware selbst macht guten, stabilen Eindruck. Der Verkäufer nie wieder!"

 

Nach Angaben des Anwalts des Unternehmens führte diese Bewertung zur Sperrung des Händlerkontos und in weiterer Folge zu erheblichen Verlusten. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass die Meinung eines einzigen Kunden dafür verantwortlich war.

 

Schlussendlich wurde die Schadensersatzklage höchstwahrscheinlich zurückgewiesen. Sie zeigt dennoch, welchen Stellenwert negative Produktbewertungen für die Verkäufer haben. [Q2]

 

#Positive Kundenbewertungen

 

Positive Kundenbewertungen sind demnach für den Erfolg von Händlern im Internet entscheidend. Eigentlich wäre dieses System eine Win-Win Situation für den Kunden und den Anbieter: Kunden können ein unverfälschtes Feedback teilen und dieses bei ihrer Kaufentscheidung in Betracht ziehen; der Anbieter kann sein Produkt anhand des Feedbacks optimieren.

 

#Fake Reviews

 

Doch dieses System hat eine gravierende Schwachstelle, es wird manipuliert: 20-30% aller Rezessionen sind gefälscht! [Q3]

 

Beispielsweise können Händler auf Plattformen wie fiverr.com für ca.  5 Dollar Freizeit-Rezensenten beauftragen, um eine positive Produktbewertung zu schreiben. Auf diese Weise ist eine lukrative Marketingkampagne um wenig Geld möglich. Der Markt für gekaufte Bewertungen wird jedoch längst nicht nur von Privatpersonen beansprucht, es entstehen immer neue Portale wie „BuyAmazonReviews.com“ (gesperrt), welche professionelle Online-Shops für Bewertungen betreiben. Es ist ein profitabler Markt, es werden um die 25 Dollar pro Rezession bezahlt. Diese Branche geht dabei auch soweit, dass Händler zu Zahlungen erpresst werden, wenn sie keine negativen Bewertungen erhalten möchten.   [Q4]

 

#„Amazon Vine“

 

Die Menge an „Fakebewertungen“ sind für den Online-Handelsgiganten Amazon ein Dorn im Auge, da die Kundenbewertungen essentieller Teil des Geschäftsmodells von Amazon sind und diese zunehmend kompromittiert werden. Deshalb führte Amazon den Vine-Club ins Leben, in dem ausgewählte Rezensenten Produkte bewerten. Eine Einladung in den Amazon Vine-Club wird wohl kaum jemand ablehnen: jeden Monat können sich Mitglieder aus einer reichhaltigen Produktliste Produkte bestellen, darunter beispielsweise auch Notebooks im Wert von 2000€, um diese zu testen und Bewertungen zu schreiben. Die Produkte dürfen sie natürlich im Gegensatz dazu behalten! [Q6]

 

Offizielle Informationen von Amazon sind dazu eher unklar, auf https://www.amazon.de/gp/vine/help wird lediglich angegeben, dass diese unabhängigen Vine-Mitglieder vertrauenswürdige Rezensenten darstellen, die in keiner Weise dazu genötigt werden, positive Produktbewertungen zu schreiben. [Q7]

 

Dass Bewertungen von Produkten, die stark rabattiert oder gratis angeboten werden, deutlich positiver ausfallen, ist nach einer Studie von ReviewMeta.com deutlich: 86% der Produkte von Testern werden deutlich besser bewertet. Insgesamt um 0,38 Sterne. Dies klingt zunächst nicht nach besonders viel, jedoch wird ein Produkt mit 4,36 Sternen als eher mittelmäßig und ein Produkt mit 4,74 Sternen als Top-Produkt angesehen (Video zur Studie: https://www.youtube.com/watch?v=kdLI62JKpCk). Da Produkte nun besser bewertet werden wenn sie kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, existieren neben dem Vine-Club auch andere Review Portale, die gegen Bewertungen Produkte anbieten (z.B. http://testberichte.reviews/ ).  Hier bekommen die Rezensenten Coupons, die sie auf Amazon.de einlösen können und sollen dann ihre Bewertung dort auch abgeben. Nach den AGB von amazon.de müssen diese zwar klar ersichtlich als kostenlos oder vergünstigt erkennbar gemacht werden, jedoch ist für Amazon nicht offensichtlich, wie unabhängig diese Bewertungen sind. [Q8]

 

In den letzten Monaten hat sich nun einiges getan: Amazon.com verbietet seit Oktober 2016 „anreizbasierte“ Produktbewertung, also jegliche Form von gekauften Produktbewertungen, Amazon.de folgte mit der gleichen Einschränkung im November 2016. Der Vine-Club bleibt jedoch bestehen. Außerdem dürfen seitdem Amazon Kunden nur mehr fünf „nicht-verifizierte“ Produktbewertungen veröffentlichen. Des Weiteren räumt sich Amazon das Recht ein, nur mehr verifizierte Rezensionen anzuzeigen, falls eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Rezensionen in kurzer Zeit veröffentlicht werden. Auf Amazon.com wurden aus diesen Gründen auch vor kurzem 500.000 bezahlte Rezensionen gelöscht. [Q9][Q10]

Viele Fake-Rezensionen haben Gemeinsamkeiten: sie werden oft innerhalb kurzer Zeit erstellt, haben einen ähnlichen Sprachstil, etc. Die Chronik der Einkäufe, die Anzahl der Rezensionen, und weitere Merkmale der Fake-Rezensenten weichen oft vom Durchschnitt ab. Hier kann durch die Anwendung von Algorithmen (Data Mining) eine Fake-Rezension mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erkannt werden. Das Unternehmen  http://fakespot.com/ bietet gratis Analysen von aktuell 1.410.571 Produkten auf Amazon.com an.

 

#Fazit

Da Amazon sich nun vermehrt gegen bezahlte Bewertungen wehrt, zeigt, dass der Reputationsschaden durch die Fake-Bewertungen für den Online-Handelsgiganten enorm sein muss - da Amazon eigentlich finanziell von den vermehrt positiven Bewertungen profitiert. Geschickte Händler werden wahrscheinlich - trotz der Reformen von Amazon - Wege finden, um Einfluss auf Bewertungen nehmen zu können. Durch den Einsatz von Data Mining Verfahren lassen sich jedoch viele Fake-Rezensionen aufdecken.

 

0 comments :: Kommentieren


To prevent spam abuse referrers and backlinks are displayed using client-side JavaScript code. Thus, you should enable the option to execute JavaScript code in your browser. Otherwise you will only see this information.