In your face - Die Codes der Jugendsprache
marlene.siegl.uni-linz, 18. Juni 2014, 17:24
Alltagswirklichkeiten junger Menschen
Jugendliche werden im Alltag mit unterschiedlichsten Erwartungen und Problemen konfrontiert. Einerseits haben sie alle Möglichkeiten, „etwas aus sich zu machen“ und sich selbst zu erfinden, jedoch stoßen sie dabei immer wieder auf Grenzen. Wer Jugendliche erreichen möchte, muss auch ihre Sprache sprechen und passende Codes (Zeichen, Symbole und Bilder) verwenden.
Integral Marktforschung und die Trendagentur T-Faktory führte die erste österreichische Sinus-Milieu-Jugendstudie 2013 - Jugend in Österreich durch. Die Studie umfasst 50 qualitative Befragungen und 1.500 Onlineinterviews mit österreichischen Jugendlichen im Alter von 14 bis 29 Jahre. Ziel der Studie war es, jugendliche Lebenswelten im Detail zu untersuchen. Das Ergebnis zeigt, dass es „die“ österreichische Jugend nicht gibt. Sondern es müssen sechs unterschiedliche Lebensmilieus unterschieden werden, die verschiedene Strategien entwickelt haben, um mit gesellschaftlichen Unsicherheiten und Widersprüchlichkeiten umzugehen bzw. umgehen zu lernen.
Die eben genannten sechs Untergruppen sind Folgende:
Hedonisten (21 Prozent): moderne Unterschichtsjugendliche (wurden früher Proletarier genannt), wenig Zukunftsperspektiven, leben in den Moment hinein und belohnen sich mit Konsum und Spaß
Digitale Individualisten (18 Prozent): fühlen sich von allen in der ständig wandelnden Gesellschaft am wohlsten, wollen kreativ tätig sein, sind experimentierfreudig und haben eine gute Ausbildung
Adaptiv-Pragmatische (18 Prozent): legen großen Wert auf Sicherheit, sind anpassungsfähig, fleißig und flexibel
Konservativ Bürgerliche (17 Prozent): sind traditionelle Werte wichtig, legen mehr Wert auf Selbstdisziplin als auf Selbstentfaltung
Performer (15 Prozent): sind leistungsorientierte, karriereorientierte Optimisten
Postmaterielle (10 Prozent): stemmen sich gegen den Zeitgeist und stehen Konsum eher kritisch gegenüber
Die Jugendlichen der sechs Kategorien sind zwar sehr unterschiedlich, haben aber auch einiges gemeinsam – so etwa die Vermischung von Werten (alte Werte werden von den Jugendlichen oft einfach neu interpretiert) oder den Hang zur Selbstdarstellung. (Q1 und Q2)
*Ergänzende Erklärung „Sinusmilieus“:
Spezifisch für Österreich haben das Marktforschungsinstitut INTEGRAL und das Markt- und Sozialforschungsinstitut SINUS 10 Milieus entwickelt. (Q3)
Was bedeutete Jugendsprache eigentlich?
Recherchiert man nach dem Thema bzw. dem Wort „Jugendsprache“, stößt man auf zahlreiche Definitionen. Eine Definition (von Helmut Henne, bereits aus dem Jahr 1980) lautet:
„Jugendsprache bezeichnet spezifische Sprech- und Schreibweisen, mit denen Jugendliche u. a. ihre Sprachprofilierung und damit ein Stück Identitätsfindung betreiben.“ (Q7)
In den Medien erscheinen immer wieder Beiträge darüber, wie sehr sich die Sprache der Eltern von denen ihrer jugendlichen Kinder unterscheidet und welche Ausdrücke Jugendliche für bestimmte Dinge haben. Wenn sich Jugendliche unterhalten, stehen Wrwachsene oft daneben, ohne zu verstehen, worum es eigentlich geht. Die Ausdrücke der Jugendlichen wirken für Erwachsene oft weit hergeholt, da sie mit dem Ursprungswort manchmal nicht mehr viel zu tun haben.
Beispiele:
Hier einige Beispiele (Q4) aus dem Wörterbuch der Jugendsprache 2014 von Pons:
- Abbitchen: Abschminken
- Abschlepp-Öse: Piercing
- Babo: Chef
- Backup-Friend: Notnagel- Freund
- Beinpresse: Leggins
- Chillaxen: Mix aus "chillen" und "relaxen"
- Defrienden: Eine Freundschaft kündigen
- Eierfeile: Fahrrad
- Failen: Misserfolg haben
- Flatrate labern: Ohne Punkt und Beistrich reden
- Fressnarkose: Mittagsschlaf
- Gehirnfasching: Psychisch labil sein
- Gesichtstuning: Schönheitsoperation
- H20: Hosentürl zwei Zentimeter offen
- In your face: Hast du gesehen? Ich hab’s dir gezeigt!
- Noob: Versager (Q4)
Warum sprechen Jugendliche anders als Erwachsene?
(Gründe von Hermann Ehrmann)
- Viele Jugendliche sprechen anders als Erwachsene um zu protestieren, in dem Fall dient die Sprache der Jugendlichen als Gegenpol zur Sprache der Erwachsenen.
- Außerdem wollen Jugendliche unter sich bleiben und sich abgrenzen. Erwachsene, die versuchen ihre Sprache zu sprechen werden oft als zudringlich empfunden.
- Die Jugendsprache kann auch dazu dienen um sich bzw. eine Gruppe zu definieren und sich zu integrieren.
- Jugendliche wollen etwas Neues und Ungewöhnliches schaffen, dazu dienen Wortneuschöpfungen.
- Jugendsprache kann auch dazu dienen, um Aggressionen abzubauen – oftmals sind Rapper, die sich mit ihren Reimen bekriegen Vorbild dazu.
- „Jugendsprache ist konkreter und kreativer als Standardsprache, sie ist prägnanter und bequemer. Sie betont Subjektivität, Stimmungen und Gefühle. Außerdem ist sie flexibler im Gebrauch von grammatischen und syntaktischen Regeln.“
Merkmale der Jugendsprache
- Bedeutungserweiterungen, -verschiebungen und –umkehrungen: z.B. „polieren“ bedeutet schlägern, „down sein“ sich mit jemandem gut verstehen.
- klangliche Eindeutschungen: z.B. abcoolen, händeln
- Schöpfungen neuer Ausdrücke: z.B. zero problemo
- fremdsprachliche Anleihen: z.B. „Supporter“ = Eltern, „beachen“ steht für faulenzen, jemand
- hat „fame“ bedeutet so viel wie anerkannt zu werden.
- Superlativierungen: z.B. super mega out
- Wortakzent: Die Aussprache entscheidet darüber, ob ein Ausdruck, z.B. „ätzend“, positiv oder negativ gemeint ist.
- Satzbau: häufige Ellipsen (unvollständige Sätze), Vorliebe für Hauptsätze
- Hang zur Verwendung von Partikeln: ey Man, gell
(Q5 und Q6)
Quellen:
Q1: Die erste österreichische Sinus-Milieu-Jugendstudie 2013 - Jugend in Österreich (2013), Url: http://www.tibs.at/content/die-erste-%C3%B6sterreichische-sinus-milieu-jugendstudie-2013-jugend-%C3%B6sterreich, letzter Zugriff: 1.6.2014
Q2: Jugendstudie – Hedonisten sind die neuen Proletarier, diepresse.com (2013), Url: http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/1384683/Jugendstudie_Hedonisten-sind-die-neuen-Proletarier?_vl_backlink=/home/index.do, letzter Zugriff: 1.6.2014
Q3: Die Sinus-Milieus® in Österreich, Integral.co.at , Url: http://www.integral.co.at/de/sinus/milieus_at.php, letzter Zugriff: 1.6.2014
Q4: Jugendsprache 2014, Eierfeile, Abbitchen: So redet Österreichs Jugend, Heute.at (2014), Url: http://www.heute.at/news/oesterreich/art23655,950749, letzter Zugriff: 5.6.2014
Q5: BG/BRG Ramsauerstraße, bg-rams.ac.at, http://www.google.at/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=12&ved=0CGEQFjAL&url=http%3A%2F%2Fwww.bg-rams.ac.at%2FSchulprofil%2FBGF%2FWorkshop_4.pdf&ei=EpudU7ueLeWO7AaO8YDoBw&usg=AFQjCNG322aFZElcb_yup0FZQEsjO1q40A&bvm=bv.68911936,d.ZGU, letzter Zugriff: 5.6.2014
Q6: Jugendsprache – Sprachverfall oder Sprachwandel, Uni Magdeburg, URL: http://www.uni-magdeburg.de/didaktik/projekte_student/Projektseiten/Jugendsprache/#_Toc163625076, letzter Zugriff: 5.6.2014
Q7: Henne, Helmut: Jugendsprache und Jugendgespräche, in: Dialogforschung, hrsg. v. Peter Schröder u. Hugo Steger, (Jahrbuch des Instituts für Deutsche Sprache; 1980/ Sprache der Gegenwart, Bd. 54), Düsseldorf 1981, S. 373.) – gefunden auf der Homepage der Uni Magdeburg, Url: http://www.uni-magdeburg.de/didaktik/projekte_student/Projektseiten/Jugendsprache/#_Toc163625076, letzter Zugriff: 5.6.2014
Jugendstudie 2014
marlene.siegl.uni-linz, 11. Juli 2014, 11:27
Habe heute im TV von der aktuellen Jugendstudie des Landes OÖ gehört, hier der Link zur Studie
und der Link zum TV Beitrag.