Innovative Geschäftsmodelle im Mobile Business anhand des Beispiels Generali Versicherung

claudia stefanie.irrmann.uni-linz, 14. Jänner 2015, 09:24

Die Generali Versicherung ist das erste große europäische Versicherungsunternehmen, das von seinen Kunden auf elektronischem Wege über deren Fitness, Ernährung und Lebenstil informiert werden möchte. Will ein Kunde eine Lebens- oder Zusatzkrankenversicherung abschließen, hat er die Möglichkeit mittels Bekanntgabe der persönlichen Gesundheits- und Fitneßdaten Vergüngstigungen zu erhalten. Vergünstigungen können Gutscheine, Geschenke und Rabatte sein.

Der Hintergedanke dabei ist: wer gesund lebt, kostet den Versicherungen weniger Geld.

ABER: wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Welche Konsequenzen sind zu beachten UND wie kann Missbrauch und Täuschung verhindert werden?

Für dieses Telemonitoring Projekt kooperiert die Generali Versicherung in Deutschland mit dem südafrikanischen Versicherungsunternehmen Discovery, das ein eigenes Gesundheitsprogramm entwickelt hat mit Namen "Vitality". Bei diesem Programm werden Kunden mit Gutscheinen, Geschenken und Rabatten belohnt, wenn sie bewußt auf ihre Gesundheit achten. Die Kunden werden dabei regelmäßig überprüft, ob deren Angaben auch stimmen.

Partnerunternehmen sind u.a. Adidas, Fitneßstudios, Restaurants, Lebensmittelgeschäfte, Hotels, Fluglinien, Autoverleihfirmen, Medienunternehmen (Zeitschriften, Kinos), usw.

Exkurs zu Telemonitoring: Unter Telemonitoring versteht man die Fernuntersuchung, -diagnose und -überwachung des Patienten von seinem behandelnden Arzt. Der Patient kann dabei sein normales Leben weiterführen. [...] Patienten werden mit Geräten zur Messung von Vitaldaten ausgestattet (z.B. Gewicht, Blutdruck, Herzfrequenz), die in der Lage sind, diese Daten direkt zu einem medizinischen Betreuer zu übertragen. [...] Zusätzlich kann es ein Kommunikationsgerät im Telemonitoring für den Patienten geben, z.B. ein speziell ausgestattetes Mobiltelefon oder einen Personal Digital Assistant (PDA). Auf dieses Gerät können im Telemonitoring automatisch Informationen und Rückmeldungen des Arztes übertragen werden, z.B. Erinnerungen an Medikamenteneinnahme, durchzuführende Messungen oder auch eine Information über den aktuellen Status der Messwerte. [1]

Funktionieren soll das Modell wie folgt: die Versicherung stellt den Kunden eine App zur Verfügung und diese senden mittels dieser App alle Daten über den persönlichen Lebensstil an das Versicherungsunternehmen. Das sind Informationen wie Dokumentation von Vorsorgeterminen, gezählte Schritte, gesunde Ernährung, sportliche Aktivitäten, etc.

Den Versicherungsunternehmen gelingt daher etwas, was sie schon seit Jahren versuchen: eine Fülle an Daten von ihren Kunden zu erhalten und das noch dazu freiwillig und mit wenig Aufwand für die Unternehmen. Die große Menge an Daten (Stichwort "Big Data") ist auch deshalb wichtig, um den Mißbrauch dieses Programmes zu verhindern. Mittels "Sensor Fusion" kann z.B. verhindert werden, daß jemand sein Handy an das Pendel seiner Pendeluhr hängt, um den täglichen 10 km Spaziergang vorzutäuschen. Verbindet man nämlich den Schrittzähler mit GPS Daten, kann die Versicherung feststellen, ob sich der Kunde auch wirklich von der Stelle bewegt hat. Benutzt der Kunde hingegen ein Laufband, können die aufgezeichneten Daten aus dem Computer des Laufbandes weitergeleitet werden. Und um sicherzustellen, daß auch wirklich der Vertragspartner selbst auf dem Laufband unterwegs war, kann mittels Mikrofon die Atmung aufgenommen werden und so kontrolliert werden, ob es sich wirklich um Kunde X handelt. Sollte jemand auf die findige Idee kommen statt Hunde Handys auszuführen, kann dies z.B. mittels eingeschaltetem Bluetooth kontrolliert werden. Sind immer die x gleichen Handys in Bluetooth Nähe, liegt der Verdacht nahe, daß es sich um einen "Handy-Gassi-Geher" handelt.

Exkurs zu Multi-Sensor Data Fusion: Multi-Sensor Datenfusion bezeichnet die Zusammenführung und Aufbereitung von bruchstückhaften und teilweise widersprüchlichen Sensordaten in ein homogenes, für den Menschen verständliches Gesamtbild der aktuellen Situation. Das im Lauf der Daten-Fusion entstehende, sog. Lagebild stellt dann die Basis für einen weitergehenden fundierten Entscheidungsprozess dar. Das originäre Einsatzgebiet von Multi-Sensor-Data-Fusion-Systemen liegt im Bereich militärischer Führungssysteme, jedoch halten die dort entwickelten Systemkonzepte in zunehmendem Maß auch Einzug in die unternehmensweiten Controlling-Systeme. Anstatt des Begriffes Multi-Sensor-Datenfusion findet man in der englischsprachigen Fachliteratur auch die abgekürzten Begriffe Sensor Fusion, Data Fusion und Information Fusion als Überbegriff, der explizit auch andere Datenquellen als Sensoren einbezieht. Im Gegensatz zu dem im Kontext Datawarehouse auftretenden engeren Datenfusionsbegriff, der sich mit der rein informationstechnischen Zusammenführung von zwar lückenhaften, aber doch gleich/ähnlich strukturierten Daten beschäftigt, ist der Multi-Sensor-Datenfusionsansatz in folgenden Aspekten wesentlich weitreichender:

a) Nicht kommensurable Datenquellen: Ein umfassender Lageüberblick erfordert oft die Integration von Sensoren und Datenquellen, die nicht nur hinsichtlich ihrer Datenstruktur, sondern auch hinsichtlich ihres Inhalts höchst unterschiedlich sind. Eine Reihe von Verarbeitungsschritten ist dabei notwendig um die Daten auf ein semantisches Niveau zu heben, auf dem sie tatsächlich kombinierbar sind. So müssen beispielsweise Radardaten erst zu Flugspuren (Tracks) aufbereitet und mit Informationen zur Identifikation kombiniert werden, bevor sie tatsächlich mit statischen Quellen wie etwa einem in einer Datenbank gespeicherten Flugplan verglichen werden können.

b) Information Aging: Die Frequenz der eingehenden Daten ist in der Regel unterschiedlich, das heißt, dass ein Multi-Sensor-Datenfusionssystem in der Lage sein muss, Informationen zu verarbeiten, die unterschiedlich alt sind. Das Alter der Daten spielt dabei nicht nur eine Rolle hinsichtlich der Frage, ob und wie relevant sie für die aktuelle Situation sind. Vielmehr müssen alte Daten oft in die Gegenwart extrapoliert werden, um zu entscheiden, ob die aktuellen Beobachtungen widersprüchlich zu alten Daten sind oder ob eine Entwicklung erkennbar ist. So muss beispielsweise entschieden werden, ob es sich bei von zwei Radarstationen im Abstand von 10 bis 15 sec an unterschiedlichen Positionen entdeckten Objekten um dasselbe Flugzeug handelt, das nur zum Zeitpunkt der zweiten Beobachtung bereits an einer anderen Position ist, oder ob von zwei unterschiedlichen Flugzeugen auszugehen ist.

c) Informationsgewichtung: Je nach der Auslegung der Sensorik und dessen lokaler Position können Informationen des jeweiligen Sensors mit unterschiedlicher Gewichtung ins Lagebild eingehen. So ist z. B. davon auszugehen, dass bei entsprechender Ausstattung die Bordsensoren eines Abfangjägers ein verlässlicheres Bild von der Nahsituation liefern, als Radarsysteme aus einer weiteren Distanz. Bei der Informationsgewichtung müssen deshalb unterschiedlichste Faktoren, wie Systemausstattung, Messbereiche, Scan-Frequenzen, aktuelle Positionen etc. verteilter Sensorsysteme einbezogen werden. Auf höherem Niveau geschieht diese Gewichtung auch bei der Harmonisierung von bereits fusionierten Daten, die mit anderen Führungssystem ausgetauscht werden.

d) Informations-Interpretation: Ein nach dem Prinzip "Die Gesamtheit ist mehr als die Summe der Einzelteile" aufgestelltes Lagebild erfordert die teilweise Interpretation von eingehenden Informationen. Einerseits muss dabei in Betracht gezogen werden, mit welcher qualitativen Güte die eingesetzte Sensorik in der Lage ist, Informationen zu liefern (manche Radarsysteme schätzen etwa die Geschwindigkeit eines Objektes, andere können diese messen; hochauflösende Laser-Entfernungsmesser werden akkuratere Informationen liefern als Radars). Andererseits muss berücksichtigt werden, in welchem Maße eine Verschiebung der Informations-Gewichtung das Lagebild verändert und welche potentielle Gefahr eine fehlerhafte Gewichtung verursachen könnte. [2]

Alle Versicherer arbeiten an solchen Programmen und betonen immer, daß es sich hier um rein freiwillig zur Verfügung gestellte Daten handelt. Natürlich wollen diese Unternehmen so viel wie möglich über ihre Kunden wissen, nicht nur wegen der Risikoeinschätzung fällig werdender Zahlungen bei Erkrankungen, sondern auch, um weitere eigene Produkte oder Produkte von Partnerunternehmen anbieten zu können. Das Argument lautet "je genauer wir dich kennen, desto leichter können wir dir einen individuellen Tarif anbieten". D.h. aber auch für jene Kunden, die bei diesen Programmen nicht mitmachen wollen, daß sie zwar jetzt keine Vergünstigungen jedweder Art erhalten, in Zukunft aber vielleicht mit höheren Beiträgen abgestraft werden.

Ein weiterer Kritikpunkt ist der individualisierte Tarif. Diese Individualisierung führt das Prinzip Versicherung ad absurdum. Normalerweise gleichen Versicherungen verschiedene Risiken zwischen vielen Kunden über einen langen Zeitraum aus. Mit individualisierten Tarifen versuchen sie nun, den Anteil der "besten" Risiken zu erhöhen und die "schlechteren" Risiken anderen Unternehmen zu überlassen - sozusagen eine 2 Klassen Versicherung. Das ist ein weiterer Schritt zur Entsolidarisierung unserer Gesellschaft.

Ein sehr großes Problem stellt auch der Datenschutz dar. Geltende Datenschutzbestimmungen stammen im Wesentlichen aus der Vor-Internet-Ära und werden den heutigen technischen Möglichkeiten nicht mehr im vollen Umfang gerecht. Bei der freiwilligen Preisgabe von persönlichen Daten wissen die Kunden nicht, wie die Daten im Konzern verarbeitet werden und wer darauf Zugriff hat. Gerade durch die Zusammenarbeit von Versicherern mit Partnerunternehmen besteht die Gefahr der Datenweitergabe und somit die Möglichkeit sogenannte "persönliche Pakete" anbieten zu können. Der Kundenmanipulation ist damit Tür und Tor geöffnet.

Fazit: diese App soll aus den Kunden gesündere Menschen machen. Ansich ein hehres Unterfangen. Versicherungen wollen dadurch ihren Gewinn maxmimieren. Ein ebenfalls verständliches Ziel in einer marktwirtschftlich orientierten Gesellschaft. Die daraus resultierenden Gefahren sind aber nicht zu unterschätzen.

Quellen:

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Telemonitoring (aufgerufen am 27.11.2014)

[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Multi-Sensor_Data_Fusion (aufgerufen am 27.11.2014)

 

Auf die Idee für dieses Thema bin ich durch einen Zeitungsartikel in der Tageszeitung "Die Presse" gekommen. Ursprünglich wollte ich über Dating Apps schreiben, aber dieses Thema ist schon ziemlich veraltet und enthält nicht so viel Sprengstoff wie das Thema Gesundheit, Versicherung und der Umgang mit freiwilligem Exhibitionsmus.

 

 

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