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Montag, 12. Januar 2004
Turn-Taking bei Videokonferenzen
martina.leisch.linz, 15:40h
Turn-taking und Back-Channeling spielen eine wichtige Rolle bei der Steuerung der Kommunikation. Unter turn-taking versteht man grundsätzlich den organisierten Sprecherwechsel, der entweder explizit zB durch Sprecherselektion oder implizit zB durch Blickkontakt erfolgen kann. Beim impliziten turn-taking fordert in der Folge ein Sprecher den nächsten Sprecher indirekt auf, das Wort zu ergreifen, in dem er zB seine Stimmlage (Intonation) ändert oder Blickkontakt herstellt. Back-Channeling ist die Rückmeldung des Hörers zB durch Kopfnicken oder Lächeln, womit Aufmerksamkeit, Verstehen oder Bewertung gezeigt wird. Bei der genauen Analyse empirischer Kommunikation fällt auf, dass es im Redefluss Stellen gibt, an denen die Redeübergabe wahrscheinlicher ist, als in anderen Stellen. An solchen Stellen eines möglichen Sprecherwechsels kann dreierlei passieren:[1]
Findet kein Sprecherwechsel statt, dann beginnt das Spiel an der nächsten Stelle möglicher Redeübergabe von neuem. Grundsätzlich kann vorweggenommen werden, dass die Ergänzung des Audiokanals durch die Übertragung von Videobildern die Kommunikation mit der einer Präsenzsituation nicht qualitativ vergleichbar macht. Mittels Video sollte das Verhalten der Teilnehmer sichtbar gemacht werden, welches wichtige nonverbale Informationen transportiert (Gestik, Mimik,...). Entscheidend ist jedoch die technische Qualität der Videokonferenzen. Sofern das Bild- und Tonmaterial nicht simultan ablaufen, also Verzögerungen auftreten, kann die zusätzliche visuelle Informationsquelle die Kommunikation auch behindern. Entscheidend ist, dass auf jeden all die Audio-Wiedergabe verzögerungsfrei sein sollte. Treten hier Verzögerungen auf, so wirkt sich das besonders gravierend auf die Sprecherwechsel (turn-taking) aus. Derartige Verzögerungen können unter anderem folgende kommunikative Schwierigkeiten hervorrufen:
Es leiden aber auch die Aufmerksamkeit und die Verständlichkeit von signalisierenden Informationen, die letztendlich zu Irritationen über die Wahrnehmung der jeweils anderen Seiten führen kann. Wenn zB Sprecher A eine Äußerung und Aufforderung an Sprecher B stellt und eine Zeitverzögerung auftritt, so kann A die entstehende Wartezeit falsch interpretieren und schließt nochmals eine Äußerung an. Sprecher B nimmt jedoch die zweite Aussage von A erst nach Ende seiner Antwort wahr und könnte sie daher unter Umständen als Antwort darauf werten. Siehe dazu insbesondere die Ausführungen und graphische Darstellung von FRIEBEL/LOENHOFF/SCHMITZ/SCHULTE.[2] Für die Wahrnehmung nonverbaler Informationen und in der Folge des impliziten turn-takings ist im Falle der Videokonferenz – wie bereits erwähnt – die Qualität des Videomaterials von entscheidender Bedeutung. Hier geht es vor allem um die Bildgröße (Bildausschnitt), Bildauflösung sowie Bildwiederholungsrate.[3]
Eine weitere Problematik hinsichtlich des impliziten Sprecherwechsel ist das Fehlen des Blickkontaktes. Eine aus der Face-to-Face-Kommunikation vertraute wechselseitige Steuerung der Gesprächspartner ist somit für den Bereich des Blickkontaktes weitgehend ausgeschlossen. Einem Sprecher ist es in der Regel nicht möglich, Signale nur an bestimmte Personen zu senden. Die von ihm gesendeten Signale können von allen Teilnehmern gleichermaßen empfangen werden. Der Blickkontakt ist ein nonverbales Mittel zur Aufmerksamkeitssteuerung des Zuhörers. Es ist anzunehmen, dass durch fehlende Blickkontakte Konzentrationsprobleme bei Teilnehmern einer Videokonferenz auftreten. Ursachen für derartige Konzentrationsprobleme können aber auch in der geringen Interaktivität und Partizipation in mediengestützten Veranstaltungen sein. Die Blickrichtung kann meist auch nicht auf irgendeinen beliebigen Gegenstand gerichtet werden, denn meist handelt es sich bei Videokonferenzen nicht um einen virtuellen Raum, sondern um einen virtuellen Punkt, wo sich alle Teilnehmer versammeln. Aber auch die Audioübertragung spielt einen wesentlichen Faktor für Wahrnehmung und Kommunikation. Die Qualität des übertragenen Tons liegt grundsätzlich zwischen jenem des Telefons und des Fernsehens. Oft ist es der Fall, dass der Videokanal und der Audiokanal nicht immer synchronisiert sind, dh, dass die Videosignale den Zuhörer etwas später als die Audiosignale erreichen können. Das kann die Zuordnung der nonverbalen Botschaften zu den verbalen Informationen erheblich erschweren.
Der Sprecherwechsel in der Videokonferenz ist kaum intuitiv möglich, weil selbst kleine Gesten wie Nicken nicht wahrgenommen werden können. Man muss deshalb eine Videokonferenz durch verschiedene organisatorische Maßnahmen unterstützen. Empfehlenswert wäre allgemein die Steuerung einer Videokonferenz mit Hilfe eines Moderators, also mittels explizitem turn-taking. Die synchrone Kommunikation erfordert neue Kommunikationsregeln. Die aufgrund der technischen Unzulänglichkeiten auftretenden Sprachverzögerungen und der Umstand, dass das gleichzeitige Sprechen das akustische Verstehen unmöglich macht, erfordern von den Teilnehmer einer Videokonferenz eine strenge Kommunikationsdisziplin.[4] [2] FRIEBEL, M./LOENHOFF, J./SCHMITZ, H. W./SCHULTE, O. A. (2003): Siehst Du mich?, Hörst Du mich? - Videokonferenzen als Gegenstand kommunikationswissenschaftlicher Forschung. In: kommunikation@geselschaft, Jg 4, Beitrag 1, Seite 1 - 23 [3] GIESECKE, M. (2003): Turn-taking / Das Modell der Analyse der Gesprächsorganisation. www.michael-giesecke.de/.../05_auswertung/theoriediskussion/ 05_thd_turn_taking_das_modell_der_analyse.htm [4]http://kaufwas.com/bk/wissen/wb/videokonferenzsysteme_kritik.htm ... comment |
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