Supercomputer in der Klimaforschung
edith.forstinger.uni-linz, 29. Juni 2017, 19:57
Gliederungsübersicht
- Einführung
- Was bedeutet eigentlich "Klima", "Wetter" und "Klimaforschung"?
- Anwendungsgebiete der Klimaforschung
- Supercomputer im Einsatz
1. Einführung
Unter einem Supercomputer ist nicht etwa ein Computer zu verstehen welcher besonders außergewöhnliche Funktionen bietet. Die Außergewöhnlichkeit liegt vielmehr in der enormen Kapazität an Daten begründet, welche durch Supercomputer verarbeitet werden können und präzise Ergebnisse liefern, welche mit herkömmlichen (wissenschaftlichen) Methoden so nicht erzielt werden könnten. Supercomputer können daher als die schnellsten Rechner ihrer Zeit definiert werden. Aufgrund der hohen Herstellungskosten, welche (derzeit) im hohen zweistelligen bzw. dreistelligen Millionenbereich liegen, kommen Supercomputer vorwiegend im wissenschaftlichen Bereich – hier jedoch nahezu ohne Einschränkung auf Disziplinen – zu Simulationszwecken zum Einsatz. Zu nennen sind beispielsweise die Bereiche Luft- und Raumfahrt, Medizin, Wettervorhersage, Klimaforschung, oder Militär. Zur Frage, welche Grenzen Supercomputern (möglicherweise) gesetzt sind, darf ich auf den Beitrag "Stößt die Entwicklung von Super-Computern an finanzielle oder technische Grenzen?" meines Kollegen Andreas Kremser verweisen.
Von der Organisation TOP500 werden im Wesentlichen seit dem Jahr 1993 halbjährlich die leistungsstärksten Rechner gelistet. Auch Österreich findet sich in dieser Liste (Version November 2016) wieder. Platz 246 beispielsweise wird vom Supercomputer VSC-3 der Universität Wien (in Kooperation mit acht weiteren österreichischen Universitäten im Jahr 2014 entwickelt) belegt. Dieser besteht aus über 32.000 einzelnen Prozessorkernen und dient der breiten wissenschaftlichen Forschung.
Kein Thema polarisiert sowie der Klimawandel. Der folgende Beitrag setzt sich mit solchen Supercomputern näher auseinander, welche im Bereich der Klimaforschung zum Einsatz kommen.
2. Was bedeutet eigentlich "Klima", "Wetter" und "Klimaforschung"?
Zunächst ist zu klären, was überhaupt unter dem Begriff "Klima" zu verstehen ist. Das Klima ist das durchschnittliche Wetter, das einen Ort über einen längeren Zeitraum hinweg betrachtet, prägt. Als Referenzzeitraum werden meist 30 Jahre herangezogen. Unter dem Begriff "Wetter" hingegen versteht man den Zustand in der Atmosphäre an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Anders ausgedrückt ist das Klima die Gesamtheit aller an einem Ort möglichen Wetterzustände, einschließlich ihrer typischen Aufeinanderfolge sowie ihrer tages- und jahreszeitlichen Schwankungen. Das Klima wird maßgeblich von einem Wechselspiel aller Erdsphären (hiezu zählen die Kontinente, Meere und die Atmosphäre) sowie der Sonnenaktivität und Instabilitäten der Erdumlaufbahn (welche Eiszeiten und Warmzeiten bedingen) beeinflusst. Aber auch innerhalb der Atmosphäre spielen sich Vorgänge ab, welche das Klima ganz maßgeblich mitbeeinflussen bzw. sogar verändern. Hiezu gehört vor allem der Ausstoß von Treibhausgasen.
Treibhausgase sind jedoch nicht per se als negativer Einflussfaktor in Hinblick auf Klimaveränderungen zu sehen. Ganz im Gegenteil - ohne Treibhausgase würden Temperaturen um -15 °C herrschen und wäre somit ein Leben auf der Erde - zumindest so wie wir es kennen - nicht möglich. Als problematisch stellen sich jedoch die vom Menschen aufgrund technologischer Neuerungen "zu viel" in die Atmosphäre emittierten Treibhausgase dar (im Mittelpunkt steht hiebei das Kohlendioxid). Als Schlagwort sei hier die Verbrennung fossiler Brennstoffe genannt. Die globale Emission von Treibhausgasen ist seit dem Jahr 1750 um 40 % gestiegen.
Dadurch wird die Atmosphäre stetig wärmer, was mittlerweile mehr oder weniger unbestritten - je nachdem, ob man Vertreter der Industrie oder "Umweltschützer" fragt - nicht nur lediglich ungewollte, sondern für bestimmte Bevölkerungsgruppen und Vegetationen lebensbedrohliche Folgen nach sich zieht. Zu erinnern ist an zahlreiche Medienberichte über Hochwasser, extreme Dürreperioden, Abschmelzen der Polkappen unter gleichzeitigem Anstieg des Meeresspiegels usw.
Hier setzt die Klimaforschung - wissenschaftlich korrekt als "Klimatologie" bezeichnet - an. Es handelt sich um eine interdisziplinäre Wissenschaft, welche die Fachbereiche der Meteorologie, Geographie, Geologie, Ozeanographie und Physik in sich vereinigt. Ziel der Klimaforschung ist es, die Gesetzmäßigkeiten, welchen das Klima folgt, zu erforschen.
3. Anwendungsgebiete der Klimaforschung
Wie das Klima früher (gemeint ist damit vor Jahrtausenden und Jahrmillionen) ausgesehen hat, lässt sich relativ einfach anhand organischer Materialien, wie beispielsweise Sedimenten, Korallen, Baumringen oder Eisbohrkernen im Rahmen der Paläoklimatologie, bestimmen. Für die Erforschung der Ursachen und Zusammenhänge, welche über die Jahrtausende hinweg zu Klimaveränderungen geführt haben, ist organisches Material alleine jedoch nicht besonders aufschlussreich.
Um in der Ursachenforschung verwertbare Erkenntnisse zu erhalten, kommen Klimamodelle bzw. Computersimulationen zum Einsatz. Auf Grundlage der in der Paläoklimatologie aus organischen Materialien gewonnenen Befunden kann zuverlässig herausgefunden werden, dass ein bestimmtes Ereignis (Vulkanausbruch, Schwankungen der Erdbahnparameter, Variationen der Sonnenstrahlung usw.) eine bestimmte Klimaveränderung mit sich gebracht hat. In dieser so erstellten Klimageschichte geht die Menschheitsgeschichte auf - Warmzeiten beeinflussten die Menschheit günstig (Hochkulturen - beispielsweise das Römische Reich - konnten sich entwickeln, Alpenüberquerung Hannibals usw.), wohingegen Eiszeiten oder raue Klimabedingungen die Menschheit prüften und zu Hungersnöten, Seuchen, Völkerwanderungen usw. führten.
Klimamodelle und Computersimulationen sind nicht nur für die "historische" Klimaforschung von Relevanz - der Hauptanwendungsbereich liegt in der Darstellung bzw. im Greifbarmachen der zukünftigen Klimaentwicklungen. Es können mittels Klimamodellen und Computersimulationen die Folgen der steigenden Temperatur aufgrund der nach wie vor steigenden Treibhausgasemission, aber auch die Wirksamkeit und Grenzen von Gegensteuerungsmaßnahmen aufgezeigt werden.
Datenlieferanten für Klimamodelle und Computersimulationen gibt es zu Hauf. Insbesondere Messstationen an Land, Satelliten im All oder Sonden im Meer liefern Rohdaten en masse. Aber auch Luftfahrzeuge - für welche das Wetter einer der wichtigsten Faktoren ist - sind diesbezüglich nicht zu vernachlässigen. Diese Rohdaten müssen zusammengeführt, analysiert und interpretiert werden. Hier kommen Supercomputer zur Anwendung - nur sie wissen diese Datenfülle adäquat zu interpretieren. Gewisse Werte sind jedoch nicht greifbar und müssen von den Forschern geschätzt werden. Zu beachten ist auch, dass nicht für alle Orte der Erde gleich gutes Datenmaterial zur Verfügung steht. All das beeinflusst natürlich die Zuverlässigkeit Computersimulation.
4. Supercomputer im Einsatz
Überblick und Arbeitsweise
"Die Genauigkeit eines Klimamodells hängt von der Leistungsfähigkeit des Supercomputers ab, ist aber auch durch sie limitiert. Dies liegt an der Komplexität und Dynamik des Klimas sowie an der enormen Datenmenge, die berechnet und ausgewertet werden muss."
Klimamodellierung mittels Supercomputer bedeutete in der Vergangenheit, dass physikalische Komponenten miteinander gekoppelt wurden, beispielsweise die atmosphärische und ozeanische Zirkulation mit den Austauschprozessen an der Meeresoberfläche. Supercomputer von heute können jedoch mehr - zusätzlich zur Koppelung ist es möglich, chemische und biologische Vorgänge zu integrieren und auch das Zusammenspiel von Klima und sozioökonomischem System zu studieren.
Bei der Erstellung von Klimamodellen werden der Ozean und die Atmosphäre in einzelne Zellen aufgeteilt, sodass ein Gittersystem entsteht. Innerhalb einer Gitterzelle wird wiederum ein Mittelwert betrachtet. Als logische Konsequenz wird das Ergebnis daher umso genauer, je kleiner die Gitterzellen angesetzt werden. Dabei erhöht sich jedoch auch die benötigte Rechenzeit für die Simulation signifikant. Die nachfolgenden Videos beschreiben diesen komplizierten Prozess sehr gut:
Vor allem im europäischen Raum ist das Deutsche Klimarechenzentrum mit Sitz in Hamburg Vorreiter in Sachen Klimamodellierung und Computersimulation. Folgende Supercomputer waren bzw. sind im Deutschen Klimarechenzentrum im Einsatz:
- Control Data Cyber-205 (Jänner 1988 - März 1989)
- Cray 2S (November 1988 - Mai 1994)
- Cray Y-MP (Mai 1991 - Mai 1995)
- Convex C38xx (November 1991 - 1998)
- Cray C916 (April 1994 - Juni 2001)
- Cray T3D (September 1994 - Juni 2000)
- NEC SX-4 (Oktober 2001 - März 2002)
- NEC SX-6 "Hurricane" (März 2002 - April 2009)
- Sun Linux Cluster "Tornado" (April 2008 - Juli 2012)
- IBM Power 6 p375 "Blizzard" (März 2009 - Oktober 2015)
- bullx B700 DLC "Mistral" (seit Juli 2015/Juli 2016 - installiert in zwei Phasen)
Der erste hier gelistete "Supercomputer" Control Data Cyber-205 verfügte lediglich über einen Prozessor mit einer Spitzenrechenleistung von 0,2 Gigaflops und konnte auf einen Hauptspeicher von 0,032 GigaByte zurückgreifen - damals eine Sensation, heute nicht mehr der Rede wert. Über die Jahrzehnte entwickelten sich die Supercomputer stetig weiter. Zwei werden in diesem Beitrag näher untersucht - Blizzard und sein Nachfolger Mistral.
Supercomputer "Blizzard"
Im europäischen Raum erregte im Jahr 2009 der Supercomputer "Blizzard" des Deutschen Klimarechenzentrum Aufregung. Blizzard war zum damaligen Zeitpunkt mit einem Gesamtgewicht von 35 Tonnen und 8.448 Prozessoren der größte Rechner, der ausschließlich für die Klimaforschung zur Verfügung stand. Mithilfe von Blizzard konnten Klimamodelle mit höherer räumlicher Auflösung berechnet werden. Das hat bis heute den Vorteil, dass auch regionale Klimabesonderheiten genauer vorhergesagt werden können. Eine Besonderheit an Blizzard war, dass neben der Atmosphäre und den Ozeanen auch Prozesse im Eis, Boden und Pflanzenbereich sowie deren Einfluss auf den Treibhauseffekt einbezogen werden konnten.
Die Spitzenrechengeschwindigkeit von Blizzard lag bei 158 Teraflops pro Sekunde. Zum Vergleich - die Rechengeschwindigkeit von Blizzard ist somit rund 20.000 Mal höher als jene eines normalen PC. Das Klimadaten-Archiv des Deutschen Klimazentrums umfasste 2009 rund 65.000 Magnetbandkassetten und wies eine Speicherkapazität von mehr als 60 Petabyte auf. Umgerechnet entspricht dies etwa 13 Millionen DVD's. Blizzard verschaffte sich die für die Simulation notwendigen Informationen mittels 56 Roboterarmen. 50 Kilometer Kabel verbanden die Einzelbestandteile von Blizzard miteinander. Auch in Sachen Kosten setzte Blizzard mit rund 35 Millionen Euro neue Maßstäbe. Betrieben wird Blizzard ausschließlich mit Ökostrom - um der eigenen ökologischen Verantwortung nachzukommen, sollen Supercomputer in der Klimaforschung lediglich einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen.
Neben den vier Gesellschaftern des Deutschen Klimarechenzentrums (Max-Planck-Gesellschaft, Universität Hamburg, GKSS-Forschungszentrum Geesthacht, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung) steht Blizzard auch rund 100 weiteren wissenschaftlichen Arbeitsgruppen aus ganz Deutschland für die Forschung zur Verfügung. Das folgende Video zeigt die Dimensionen von Blizzard sowie dessen Einsatz in der Forschung.
Supercomputer "Mistral"
Blizzard wurde 2015 von Mistral abgelöst. Mistral zählt zu den leistungsfähigsten und energieeffizientesten Supercomputern der Welt. Er verfügt über 100.000 Prozessorkerne. Die Spitzenrechenleistung liegt bei erstaunlichen 3 Petaflops - das ist rund das 20-fache des Vorgängers Blizzard. Die Organisation Top500 listet Mistral im Juni 2017 auf Platz 38. Im Kostenpunkt schlägt Mistral mit 41 Millionen Euro zu Buche.
Mistral setzt in der Klimamodellierung neue Maßstäbe und erlaubt die Implementierung eines deutlich engmaschigeren Gitternetzes (100-Meter-Gitter). Weiters können mehr Prozesse in Erdsystemmodellen berücksichtigt werden und Unsicherheiten in Klimaprojektionen reduziert werden.
Ausblick
Im Jahr 2020 soll bereits ein neuer Supercomputer seinen Dienst antreten. Mit Spannung bleibt abzuwarten, welche Möglichkeiten die Zukunft der Supercomputer bieten.
Quellen
https://de.wikipedia.org/wiki/Supercomputer
https://de.wikipedia.org/wiki/TOP500
https://www.top500.org/list/2016/11
http://orf.at/stories/2380086/
http://informatik.uibk.ac.at/wp-content/uploads/2016/06/Supercomputer_Fahringer.pdf
https://www.uibk.ac.at/ipoint/news/2014/oesterreichs-neuer-supercomputer-ist-gruen.html.de
https://www.top500.org/project/
https://medienportal.univie.ac.at/uniview/forschung/detailansicht/artikel/unser-supercomputer-in-zahlen/
http://typo3.vsc.ac.at/systems
https://de.wikipedia.org/wiki/Klima
http://www.weltderphysik.de/gebiet/planeten/atmosphaere/klimaforschung/
https://de.wikipedia.org/wiki/Klimatologie
http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2017-05/klimaforschung-klimawandel-arktis-antarktis-wetterballons-messungen
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/klimaforschung-wetterdaten-erklaeren-geheimnisse-der-geschichte-a-739422.html
http://www.handelsblatt.com/technik/energie-umwelt/blizzard-neuer-superrechner-fuer-die-klimaforschung/3323094.html
https://www.dkrz.de/about/aufgaben/dkrz-geschichte/rechnerhistorie-1
https://www.welt.de/regionales/hamburg/article147243313/Neuer-Supercomputer-fuer-die-Klimaforschung.html
https://www.mpg.de/9864073/JB_2016
Technische Meisterleistungen im Klimarechenzentren
hannes.huber2.uni-linz, 30. Juni 2017, 21:48
Der Artikel gibt einen recht guten ersten Einblick in die Klimaforschung allgemein und die technischen Hintergründe im speziellen. Mich hat er dazu motiviert, mich nächer mit dem Supercomputer "Mistral" zu beschäftigen. Für mich als Techniker einfach faszinierende Leistungsdaten, wenn ich an die Spitzenrechenleistung von 3.6 PetaFLOPS bei mehr als 100.000 Prozessorkernen denke. Sich ausgiebiger mit dem Thema zu Beschäftigen, zahlt sich jedenfalls aus. Als Quelle kann man unter anderem die auch für diesen Beitrag verwendete Seite https://www.dkrz.de nutzen.