Aufgaben "Anticipatory Shipping"

norbert.stockhammer.jku, 19. Jänner 2016, 15:45

 

Seit Jahren sammeln große Unternehmen wie Google, Apple, Facebook & Co Daten über die Gewohnheiten und das Verhalten ihrer Kunden. Amazon geht einen Schritt weiter und hat ein Patent angemeldet, welches das Zeug zur nächsten Technik-Revolution hat: Das Wunschprodukt soll schon auf dem Weg zum Kunden sein, bevor der überhaupt auf "Bestellen" geklickt hat. Was nach einer gespenstischen Zukunftsvision klingt, ist für Amazon nur ein logischer Schritt.

Amazon-Chef Jeff Bezos plant ein Paket schon auf dem Weg zum Kunden zu schicken, noch bevor dieser es überhaupt bestellt hat. Die Idee, für die das Unternehmen bereits 2014 das Patent angemeldet hat, sieht vor, anhand von bestimmten Persönlichkeitsmustern der Kundschaft Ware schon einmal in ein Versandzentrum in der Nähe der Zieladresse zu bringen. Die Kaufentscheidung nimmt Amazon einem dann doch nicht ab.

Eine Maschine kauft also Sachen von einer anderen Maschine, die eine dritte Maschine, z. B. eine Drohne, mit der Lieferung beauftragt. Dem Kunden bleibt nur noch die Aufgabe, die Tür zu öffnen und das Päckchen anzunehmen.

 

 

Was sich jedoch ändert, ist das vorausschauende Verschieben der Ware in die Nähe des Kunden. Das Motiv liegt auf der Hand: Amazon geht es darum, Lieferzeiten zu optimieren. Ziel in letzter Konsequenz: Sobald die Bestellung aufgegeben ist, läutet es an der Tür. Schon die spektakuläre Vision, demnächst mit Drohnen Pakete auszuliefern, sah eine Lieferzeit von 30 Minuten vor, gerechnet vom Verlassen des Logistik-Zentrums bis zur Haustür. Geschwindigkeit ist in der Branche bares Geld. In den USA hat Amazon daher die Zahl seiner Versandzentren deutlich erhöht. Eine Lieferung am Tag der Bestellung ist laut einem Bericht von welt.de keine Seltenheit mehr.

Schon vor Jahren erklärte Google: "We know what you type, before you type".

"Anticipatory Shipping" heißt dieser vorausschauende Versand bei Amazon. Der Ansatz ist typisch für das Wirtschaftshandeln in der digitalen Welt. Durch die personenbezogene Auswertung von Datenbanken sollen Kundenprofile entstehen, die den Unternehmen Einblick geben in unsere Wünsche, unser Denken und unser Handeln.

Basis für das „Predictive Logistics“ ist „Predictive Analytics“, also die Kraft der Zukunftsvorhersage auf Datenbasis. „Prognosengesteuert“ fahren LKWs dann als fahrende Lager in der Gegend herum, um die Produkte an die Kunden zu liefern, kaum dass die Ware bestellt wurde. Kernsortimente lassen sich so lokal steuern und schnell ausliefern.

Nach Informationen des Wall Street Journal (WSJ) nutzt Amazon für seine Algorithmen, die das Kaufverhalten der Zukunft vorhersagen, eine Reihe an Quelldaten. Dazu zählen;

·         alle bisher gekauften Produkte

·         der Inhalt des Wunschzettels

·         die Liste der Artikel, die sich der Kunde angeschaut

·         die Verweildauer des Mauszeigers auf einem bestimmten Angebot

·         was der Kunde umgetauscht hat

·         ob er sich Kundenbewertungen angesehen hat

Ein Computer-Algorithmus wertet diese Daten aus und berechnet eine Prognose über das Kaufverhalten.

Der große Traum der Marketingexperten, dass derartige Programme tatsächlich die Zukunft vorhersagen können, hat sich bislang noch nicht bewahrheitet. Irrtümer und Pannen sind noch genauso allgegenwärtig wie völlig absurde Produktempfehlungen bei Ebay, Google oder Facebook. Doch je mehr Daten, die Kundschaft Jahr für Jahr bereitstellt, desto näher rückt diese Vision an die Wirklichkeit heran.

Laut WSJ geht Amazon davon aus, dass die vorausahnende Lieferung sich vor allem bei sehr gefragten Artikeln bewähren wird wie zum Beispiel einem Bestseller am Tag seiner Veröffentlichung. Dass es gelegentlich zu fehlerhaften Auslieferungen kommen wird, hat der Versandhändler bereits einkalkuliert. Um teure Rücksendungen zu umgehen, erwägt Amazon solche fehlgelieferten Artikel in ein Geschenk umzuwandeln.

Experten bewerten Amazons neue Erfindung daher als großen Vorteil im Konkurrenzkampf der Versandhändler. Das Unternehmen schöpfe das Wissen seiner riesigen Datensätze aus, um im Wettbewerb den nächsten großen Entwicklungsschritt zu machen. Ob Amazon seine Technik bereits einsetzt oder demnächst einzusetzen gedenkt, wollte das Unternehmen bislang nicht verraten.

Was Zukunftsforscher ins Schwärmen bringt, treibt so manchem Logistiker die Schweißperlen auf die Stirn: Immer kleinteiliger, immer schneller und immer individuellen wollen Kunden beliefert werden – am liebsten in Real-Time, sprich: bei Bestellung der Ware. Und eines nicht zu fernen Tages, im Zeitalter des flächendeckenden 3-D-Drucks, brechen wie eingangs beschrieben alle Transporte weg.

 

Phantastereien – ja vielleicht. So sind beim Internet der Dinge nicht mehr nur Computer und Smartphones an das weltweite Datennetz angeschlossen, sondern alle möglichen Geräte. Die Einsatzmöglichkeiten scheinen da nahezu unbegrenzt – auch und gerade in der Logistik. Jedes Paket, jeder Container, jeder Transportbehälter können, beispielsweise dank RFID, selbst den richtigen Weg zum Empfänger finden. Das Ziel wird einfach in intelligente Etiketten geschrieben. Das Paket weiß, wo es hin muss, steuert sich selbst auf seinem Weg durch die Anlagen und bucht seinen Platz in einem Transportfahrzeug.

Und wem das noch immer zu langsam ist, kennt Amazon nicht. Während vielerorts Einzelhändler dem E-Commerce-Hype noch nicht einmal trauen, holt der US-Versandhandelsriese zum nächsten Schlag aus. So will Amazon künftig Waren noch während ihrer Auslieferung zum Endkunden dank 3D-Drucker auf der Ladefläche des Lieferfahrzeugs ausdrucken.

Das größte Problem des E-Commerce ist das eigene Wachstum. Alle Anbieter werden in nicht allzu ferner Zukunft vor der Frage stehen: Wie bringen all die zusätzlichen Lieferfahrzeuge die Pakete in die dann ohnehin schon verstopften Ballungszentren?

Natürlich kann man Amazons Paketdrohne und die Modelle von DHL und Co als PR-Gag sehen, der eher für die Wüstenoase, Schweizer Berge oder den brasilianischen Dschungel taugt. Man kann darin aber auch die Option sehen, über die innerstädtischen Staus der Großstädte hinweg zu segeln und Pakete zielgenau abzuwerfen.

Wer also vor der Vorstellung zurückschreckt, dass die Drohne beim Paketabwurf die dösende Katze erschlägt, der sollte zumindest dem Gehirnschmalz der Daten-Ingenieure vertrauen. Die Schweizer Post und Swiss Worldcargo testeten im Sommer 2015 Drohnen des US-Hersteller Matternet und halten den kommerziellen Einsatz derselben bereits in 5 Jahren für möglich.

Basis für das „Predictive Logistics“ ist „Predictive Analytics“, also die Kraft der Zukunftsvorhersage auf Datenbasis. Prognosegestärkt fahren LKW dann als fahrende Lager in der Gegend herum, um die Produkte dann an den Kunden zu liefern, kaum dass die Ware bestellt wurde. Kernsortimente lassen sich so lokal steuern und schnell ausliefern.

Das Konzept hat dabei nicht nur seinen Charme als Serviceversprechen, als Standortvorteil und als kosteneinsparender Faktor, sondern könnte auch dem Stau auf überfüllten Autobahnen und Innenstadtringen ein Schnippchen schlagen, weil die Ware ohnehin schon rund um die Prime-Kunden zirkuliert.

Den LKW darf man sich dann übrigens nicht mehr nur als Zubringer denken, sondern ebenso als Retouren-Plattform. Denn im Stau-Alltag verdoppelter E-Commerce-Umsätze werden sich auch Zeit und Kosten der Retouren im Stau vervielfachen.

Fernziel dabei: Eine intelligente Software, die hilft, die Transporte wie einen Ameisenschwarm mittels RFID-Chip zu steuern. Die kommen sich bekanntlich auch in Massen nicht in die Quere.

Hermes sucht deshalb nach einer pragmatischen Antwort, in dem es räumlich näher an potenzielle Auftraggeber heranrückt und jetzt mit einem 100.000 Quadratmeter großen Warenverteilzentrum in Löhne (NRW) sein Netz verdichtet. Zudem wird das logistische Netzwerk bis 2019 für rund 300 Millionen Euro ausgebaut.

Von Amazon darf man dagegen im Rahmen seiner Logistikoffensive eher mehr Mini-Zentren erwarten, hat es doch seine Versandlogistik beispielsweise in Europa ohnehin um Beteiligungen und Kooperationen ausgedehnt (Yodel, Colis Privé), welche die Sendungsstruktur insbesondere mit Blick auf die innerstädtischen Gebiete verfeinern helfen.

 

Quellen:

http://etailment.de/thema/logistik-and-fulfilment/E-Commerce-im-Stau-in-die-Zukunft-3257 (Abgerufen am 18.01.2016)

http://www.rp-online.de/wirtschaft/unternehmen/amazon-liefert-schon-bevor-sie-bestellen-aid-1.3975390 (Abgerufen am 18.01.2016)

http://www.heise.de/newsticker/meldung/Schweizer-Post-testet-Paketdrohnen-2743241.html (Abgerufen am 18.01.2016)

http://www.zeit.de/2013/41/privatsphaere-internet-datenschutz/seite-2 (Abgerufen am 18.01.2016)

http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/big-data-schoene-neue-datenwelt/10255870.html (Abgerufen am 18.01.2016)

 

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