Pierre Bourdieu und E-Business
norbert.fuchslehner2.uni-linz, 28. Jänner 2011, 09:48
Der folgende Beitrag versucht, den Kapitalbegriff von Pierre Bourdieu mit den Inhalten des E-Business, zu kombinieren. Auf den ersten Blick würde man hierbei vielleicht nicht zu viele Parallelen erwarten, aber der Beitrag beweist einmal mehr, warum Bourdieu einer der meist zitiertesten Philosophen und Soziologen der Gegenwart ist.
Pierre Bourdieu (1983, S. 183ff) versteht unter Kapital akkumulierte Arbeit und unterscheidet drei Kapitalarten:
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das ökonomische Kapital
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das soziale Kapital
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das kulturelle Kapital
Das ökonomische Kapital kann direkt und unmittelbar in Geld umgewandelt werden. Zusätzlich ist es gut zur Institutionalisierung von Eigentumsrecht geeignet. Grundsätzlich stellt das ökonomische Kapital die dominierende Kapitalform dar (Bourdieu, 1983, S. 185ff).
Im E-Business tritt das ökonomische Kapital etwa in Form von Startkapital bei Unternehmensgründungen, direkten bzw. indirekten Erlösmodellen, E-Procurement zur Kostenreduktion oder elektronischen Zahlungssystemen auf.
Das soziale Kapital ist nach Bourdieu (1983, S. 190ff) der Besitz eines dauerhaften Beziehungsnetzes, welches darüber hinaus Kreditwürdigkeit verleiht. Für die Reproduktion des sozialen Kapitals ist ständige Beziehungsarbeit notwendig.
Hinsichtlich E-Business lassen sich einige Bezüge zum sozialen Kapital herstellen. Vor allem bei Netzeffekten kommt dieser Art besondere Bedeutung zu. Je mehr User beispielsweise eine Web 2.0 Plattform benutzen, desto wertvoller wird diese. Dabei übernehmen sogar die Teilnehmenden (zB bei Facebook) einen Großteil der Beziehungsarbeit, die dem Unternehmen Vorteile bringt. Zusätzlich könnte das 4CNet-Business-Modell Connection dem sozialen Kapital zugerechnet werden, da durch die Vernetzung ja Beziehungsarbeit zur Kernaufgabe des betreffenden Unternehmens wird. Ferner ist eine Zuordnung der elektronischen Marktplätze möglich, insbesondere bezüglich E-Auktionen.
In Hinblick auf auf das kulturelle Kapital unterscheidet Bourdieu (1983, S. 185ff) zwischen inkorporierten, objekivierten und institutionalisierten Kulturkapital. Unter inkorporierten kulturellen Kapital kann der Erwerb von Bildung verstanden werden, der stets mit einem körpergebundenen Verinnerlichungsprozess verknüpft ist. Jeder Mensch muss es selbst erwerben und kann es nicht an andere delegieren. Zum objekitvierten Kulturkapital zählen die Träger des kulturellen Kapitals, wie beispielsweise Bücher, Gemälde oder Maschinen. Hierbei können Konflikte zwischen den Besitzern von ökonomischem Kapital und kulturellem Kapital auftreten, da beide aufeinander angewiesen sind (etwa Besitzer der Maschine und Techniker). Das institutionalisierte Kulturkapital ist in Form von Titeln schulisch sanktioniert, rechtlich garantiert und formell unabhängig von der Person ihres Trägers.
Im Bereich des E-Business spielt Wissen eine wichtige Rolle, wie beispielsweise hinsichtlich Technik, Infrastruktur, Betriebswirtschaft, Softwareentwicklung, Recht, Zahlungssysteme, Marketing.... Daher ist es wesentlich, dass die Beteiligten ständig neues Wissen inkorporieren bzw. verinnerlichen und lernen. Als objektiviertes kulturelles Kapital können Infrastruktur, Computer oder Webseiten betrachtet werden. Dabei können Konflikte auftreten, wenn etwa ein Finanzunternehmen ein E-Business-Unternehmen aufkauft. Einerseits ist die eine Firma auf die Finanzierung, die andere Firma auf das Knowhow angewiesen. Als institutionalisiert könnten beispielsweise Webpages interpretiert werden, deren Seriosität öffentlich anerkannt ist, etwa Internetseiten von Universitäten.
Bourdieu (1983, S. 195) erläutert schließlich noch Kapitalumwandlungen, wonach mit Hilfe des ökonomischen Kapitals die anderen Kapitalarten erworben werden können. Jedoch ist dies meist mit einem Aufwand in Form von Transformationsarbeit verbunden.
In Bezug auf E-Business können beispielsweise Kundendaten (soziales Kapital) an andere Unternehmen verkauft und somit in ökonomisches Kapital umgewandelt werden. Außerdem können Internetseiten (objektiviertes kulturelles Kapital) verkauft und daher wieder in ökonomisches Kapital transformiert werden.
Literatur:
Bourdieu, Pierre. (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. in: Reinhard Krekel (Hg.), Soziale Ungleichheit. Sonderband 2 der Sozialen Welt. Göttingen: Schwarz & Co. S. 138–198
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