Inhaltsangabe Identität + Internet = Virtuelle Identität?
Nicola Döring
Quelle: Forum Medienethik Nr. 2/2000, München 2000 S 65 – 75
Menschen geben sich im Internet gerne als jemand anderer aus. Die Möglichkeit sich im Netz eine beliebige Identität zuzulegen ist grenzenlos. Man kann beliebig viele Benutzer auf verschiedensten Plattformen einrichten. Wie viel Information man von sich preisgibt ist jedem selber überlassen. Informationen über eine Person können von Identität zu Identität unterschiedlich sein. Virtuelle Identitäten – also Menschen geben sich als jemand anderer aus als sie in Wirklichkeit sind – werden angenommen. Diese Identitäten werden für die E-Mailkommunikation, Chats und für die Kommunikation im WWW verwendet. Gründe sind die (geglaubte) Anonymität, der Wechsel des Geschlechts, das Schlüpfen in eine Scheinrolle, die man im echten Leben nicht leben kann oder nicht leben darf (soziale Gründe, Akzeptanz, Scharm,…). Beispielsweise nehmen „körperlich gehandicapte Personen, Großmütter oder Großväter" (Döring, 2000) im Onlineleben Rollen ein, die im realen Leben als lächerlich oder unpassend abgetan werden. Der Wegfall der sozialen Kategorie, also zum Beispiel das Alter der Person, im Onlineleben ermöglicht das Leben in einer anderen Welt für diese Menschen. Zum Beispiel meldet sich eine Studentin in einem Flirt-Forum an, mit dem Ziel „ungewohnte und sexuell gewagte Selbstinszenierungen zu erproben" (Döring, 2000), wird sie einen anderen Usernamen wählen, als wenn sie an einem Onlineseminar der Universität teilnimmt. Beim Onlineseminar könnte sie ihren eigenen Namen verwenden, um für ihre Kollegen erkennbar zu sein.
Identitätswechsel wird auch für kriminalistische Handlungen betrieben. Es werden falsche Angaben zu Alter, Beziehungsstatus, etc. getätigt, um mit anderen in Kontakt zu treten. Gerade Kinder sind in Chats und Foren leichte Opfer für Internetbetrüger. Das Internet öffnet die Möglichkeit mit Menschen in Kontakt zu treten. Menschen geben sich als unverheiratet aus um als Heiratsschwindler an Geld zu kommen.
Anonymität reduziert Ängste
„Geografische Distanz, fehlender Sichtkontakt und Anonymisierbarkeit reduzieren bei der computervermittelten zwischenmenschlichen Kommunikation die sonst so verbreiteten sozialen Ängste und Hemmungen" (Döring, 2000). Aufgrund des fehlenden Sichtkontaktes zu dem Chatpartner profitieren Menschen und trauen sich mehr als bei direktem Kontakt. Die entspannte Atmosphäre (zum Beispiel zu Hause) ermöglicht es mit dem Partner
„ausgelassener, witziger, herausfordernder" (Döring, 2000) und ernsthafter zu sprechen. Das Kennenlernen von Menschen wird erleichtert indem man gewisse Parameter definieren kann. Menschen im Alter von 30 bis 40 und einer Körpergröße von 170 cm – 190 cm. Viele Beziehungen wurden bereits über Onlinekontaktaufnahme geschlossen.
„Die Diversifizierung der Handlungskontexte in spätmodernen Gesellschaften verlangt Flexibilität im Identitäts- Management ohne jedoch Beliebigkeit zu erlauben" (Döring, 2000).
Netzkommunikation findet immer häufiger in Ausbildungs-, Berufs- und Dienstleistungskontexten statt, „in denen Überraschung, Provokation oder Spiel keinen Raum haben…" (Döring, 2000). Der Trend zu glaubwürdigen und wiedererkennbaren Benutzernamen ist unaufhaltsam.
Quelle: Döring N. (2000), Identität + Internet = Virtuelle Identität?, Forum Medienethik 2/2000 S 62 – 75
www.mediaculture-online.de
Warum die Artikelauswahl:
Dieser Artikel gibt einen Überblick über die sozialen Faktoren von Identitätswechsel. Gerade der soziale Faktor spielt bei der Annahme von fremden Identitäten eine große Rolle. Menschen die beispielsweise sozial ausgegrenzt werden können in der virtuellen Welt ein anderes Leben starten/leben, dies zeigt auch der Trend zu Rollenspiele im Netz.