Deep Packet Inspection - Providertechnik zur Ausforschung des Nutzers
raphael alexander.horvath.uni-linz, 16. Jänner 2013, 10:10
Deep Packet Inspection - Providertechnik zur Ausforschung des Nutzers
Auf dem Hackerkongress 29C3 in Hamburg wurde jüngstens der Einsatz der Technik Deep Packet Inspection scharf kritisiert. Wurde die Technik bis dato nur in den Ländern China und Russland eingesetzt, so ist diese nun auch bis nach Deutschland gekommen.
Bei der eingesetzten Technik handelt es sich um eine Möglichkeit zur Überwachung der gesamten Kommunikation die über einen bestimmten Provider läuft. So wurde diese beispielsweise in Russland dafür verwendet, um Mobilfunknutzer daran zu hindern größere Datenmengen auszutauschen. Anfänglich wurde dies von den Providern "freiwillig" aufgebaut, also ohne den politischen Druck eines Staates im Hintergrund, so der russische JournalistAndrej Soldatow.
Doch auch wenn der Einsatz der Technik unter diesem Aspekt noch erklärbar wäre, so ergeben sich die Probleme daraus, wenn der Einsatz von Deep Packet Inspection plötzlich, wie geschehen, vom Staat vorgeschrieben wird.
Aufgrund dieser Verankerungen sind Provider nun verpflichtet bestimmte Websites zu sperren, darunter fallen Seiten die neben der Darstellung von Kindesmissbrauch, Anleitungen zum Selbstmord oder Drogenkonsum darstellen. Im Grunde spricht nichts gegen dieses Vorgehen, allerdings ist dies laut Soldatow nur der erste Schritt, denn problematisch an dem Gesetz ist, dass ein Gericht die Sperrung von allen illegalen Inhalten anordnen kann. So wird unter dem Deckmantel des Schutzes für Kinder indirekt eine Möglichkeit zur Netzzensur eingeführt.
Ein weiteres Szenario zum Einsatz dieser Technik ist das Auslesen der gesamten Kommunikation von Nutzern durch den Inlandsgeheimdienst. Einzige Voraussetzung dafür ist ein Gerichtsbeschluss der den Providern aber nicht vorgelegt werden muss. Somit wissen also selbst die Provider nicht mehr wann wer abgehört wird.
Somit ist also grundlegend eine Technik die für einen anderen Zweck konzipiert wurde, nun zu einem kompletten Überwachungsapparat mutiert.
In Deutschland wird dieses System momentan unter dem verharmlosten Begriff Netzwerkmanagement schrittweise eingeführt. Auch hier ist der momentan vordergründige Nutzen ein zu massives File-Sharing über die Mobilfunknetze zu verhindern. Allerdings, so Internetaktivist Markus Beckedahl, erfordert es zur totalen Überwachung nur einer kleinen Anpassung der Konfigurationsdatei welche in wenigen Minuten realisierbar ist.
Doch stellt sich hier berechtigterweise die Frage, ob die Befürchtungen nicht zu übertrieben sind und ein mögliches Szenario eines totalen Überwachungsstaates sehr unwahrscheinlich ist. Beckedahl bringt hier als Gegenargument die Problematik, dass Gesetze in Deutschland sehr schnell und sehr flexibel erlassen werden wenn etwas passiert. Seine Befürchtungen beschreiben eine Infrastruktur die von der Urheberrechtslobby aufgebaut und gefordert werden kann. Die Technik zur Überwachung ob es sich um eine illegale Kopie handelt oder nicht ist ja bereits vorhanden - warum dann nicht nutzen?
Allerdings bedeutet eine direkte Überwachung beziehungsweise Einmischung in den Echtzeit-Datenverkehr eine Überordnung des Urheberrechts über Grundrechte. In China und Russland werden Nutzer bereits ausgeforscht und überwacht, aus diesem Grund nennt Beckedahl diese Technologie auch Risikotechnologie.
Die knapp 6000 Besucher sollten anhand dieser Technik auch wieder an ihre Verantwortung erinnert werden. Keiner soll derartige Techniken erforschen oder installieren, ohne sich anschließend von den gesellschaftlichen Folgen distanzieren zu können.
Die Entwicklung in Deutschland zu Netzthemen ist nach dem umstrittenen ACTA-Thema zwar etwas ruhiger geworden, stehen geblieben ist sie aber nicht. So fordert die SPD momentan eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Dies lässt zwar keine Detaileinblicke auf die direkte Kommunikation zu, Verhaltensmuster können aber jederzeit abgelesen werden.
Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, kündigt an: "Wir werden uns einmischen müssen."
Quelle:
Netzaktivisten warnen vor Zensurtechnik, Spiegel Online vom 30.12.2012
Link zum Artikel:
http://han.ubl.jku.at/han/wiso/www.wiso-net.de/webcgi?START=A40&OVVAR=DOK_SPEICHERN,EINZEL_DOK,EINZEL_TITEL,PDF_ALLOW,RTF_ALLOW&DOK_SPEICHERN=1&EINZEL_DOK=304453_SPON_0&EINZEL_TITEL=Netzaktivisten_warne&PDF_ALLOW=1&RTF_ALLOW=1&WID=08832-6140503-40522_4 (geschützt - Artikel upgeloadet)
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