Referat Zukunftsvorstellungen von damals vs. Umsetzungen von heute
Veronika.Fagerer.uni-sbg, 28. Juni 2012, 18:06
Science Fiction – Von der Fantasie zur Realität
Wie die Welt von morgen aussieht, beschäftigt die Menschheit schon seit vielen Jahrhunderten. Von Prognosen bis Träumereien über die Zukunft ist alles auffindbar.
Im folgenden werden einige Ausschnitte gezeigt, die einige dieser Visionen widerspiegeln. Eine kurze Übersicht über die dargestellten Abbildungen (Präsentation vom 19.03.12) finden sich hier:
Quelle:http://www.slideshare.net/veronikafagerer/science-fiction-von-der-idee-zur-realitt
Sci-Fi als Zukunftsbarometer?
Die Science-Fiction Literatur versteht sich nicht als Lieferant von Prognosen, vielmehr ersinnt sie mögliche Ausgänge und Richtungen, die durch aktuelle Erkenntnisse eingeschlagen werden können. Was dabei als Sci-Fi gilt, ist breit gefächert:
„Jede Erzählung, die die Lage einer noch nicht existenten Welt erörtert, ist Science Fiction.“ (Clute 1996: 6)
Was ein wichtiges Kriterium und Qualitätsmerkmal darstellt, ist der Wissenschaftsbezug:
„SF-Autoren führen uns veränderte Welten mit Begriffen vor, die mit der Sprache und den Annahmen und Argumenten gegenwärtiger Wissenschaft […] vereinbar sind […].“ (Clute 1996: 7)
Abdecken können die Ideen über zukünftige Entwicklungen alle Bereiche des Lebens und es finden sich Beispiele aus allen Epochen. Aus ausgewählten Themenbereichen werden an dieser Stelle einige aus unzähligen Visionen dargestellt:
Telekommunikation
Videotelefonie
Albert Robida, ein französischer Schriftsteller, Karikaturist und Journalist fertigte schon 1883 Illustrationen, die Menschen im Jahr 2000 mit ihren revolutionären Technikinnovationen zeigen sollten. Eines davon stellt die Videotelefonie dar. In einem kleinen abgetrennten Raum sitzend, solle es möglich sein, via Bildtelefonen – den sogenannten Téléphonoscopen – in Verbindung zu treten. Dies passiert in einer kommerziell genutzten Kammer, in der neben einer Sitzmöglichkeit eine Apparatur mit trichterförmigem Lautsprecher und einer elliptischen Projektionsfläche, die Kommunikation ermöglichen. Die Verwendung ähnelt dabei einer Telefonzellennutzung mit Münzeinwurf. Die Darstellung könnte darauf schließen lassen, dass sich die Vorstellung eines solchen Kommunizierens nicht auf einen persönlichen, privaten Kontext bezog. Die Form der Projektionsfläche lässt nicht auf einen von uns bekannten Monitor schließen. Eine Projektion wäre möglich, es findet sich allerdings kein Projektor, mit dem diese zu bewerkstelligen wäre. Ein kleines Loch, durch welches gebündelt Licht geworfen wird, wie in den einfachsten Formen der Projektion wäre dabei eine mögliche Erklärungsform.
Quelle: Abb. 1 siehe auch den Blog: Die Notwendigkeit des Bildtelefons
Wird diese technische Verwendung erst für das Jahr 2000 prognostiziert, erwächst in Realität schon in den 1930er Jahren die Idee dieser Technologie. Allerdings kann auf Grund von technischen Problemen erst in den 70er Jahren eine Weiterentwicklung und Umsetzung festgestellt werden (vgl. Schulte/Friebel/Klotzek 2001: 226).
Heimkino
Den selben Überlegungen folgend entstanden ebenso 1883 Illustrationen von Robida, die sich mit einer Art Heimkinoidee beschäftigten. Wiederum wurde für das Jahr 2000 die Möglichkeit gesehen, durch neue Technik sowohl Bild als auch Ton zu übermitteln. Dabei scheint auch der Gedanke des Privaten Einzug zu halten, da es sich hierbei wirklich um eine Verwendung im eigenen Wohnzimmer handeln dürfte. Gleichbleibend stellen sich die Projektionstechnik und die Lautsprechervorstellung dar.
Die tatsächliche Entwicklung und Verwendung des Heimkinos findet deutlich früher statt, als von dem Zeichner damals angenommen. So gibt es schon 1930 erste Schmalfilme, die allerdings ohne Ton auskommen mussten. 1982 revolutionierte die Erfindung des Video Home Systems (VHS) die Heimkinos und führte zu der heutigen hohen Verbreitung von DVD- und Blu-Ray-Systemen mit DTS-Soundsystemen (vgl. Wikipedia b o.J.: o.S.).
Das Leben in der Zukunft
Schule der Zukunft
1910 zeichnete der französische Künstler und Illustrator Villemard einige Bilder, die die möglichen gesellschaftlichen und technischen Entwicklung des Jahres 2000 zeigen sollten. Eines davon zeigt eine Vorstellung des Unterrichts der Zukunft. Hier wird mittels einer einfach anmutenden Maschine, mit Zahnrädern und menschlicher Kraft als Antrieb, Wissen vermittelt. Dieses Wissen wird scheinbar aus Büchern extrahiert. Das könnte interpretativ als Zeichen dafür gesehen werden, dass es gedanklich keine Alternative zum Leitmedium ‚Buch‘ erdacht werden konnte. Auch heute gängige drahtlose Vermittlung überstieg scheinbar die Vorstellungskraft, wodurch auf Verbindungskabel zurückgegriffen wurde. Vielleicht auffälligstes Merkmal allerdings ist, dass keinerlei visuelle Komponenten existieren. Wissen wird über Kopfhörer, die fast die Form eines Helms haben, übermittelt.
Diese Form weicht ziemlich stark von heutigen Formen des technisch übermittelten Unterrichts ab, der eher bzw. auch in großem Maße auf visuelle Lehrmethoden zurückgreifen (Videostreams von Vorlesungen etc.). Wunderlicherweise zeigt eine frühere Illustration von Robida aus dem Jahre 1883 eine treffendere Alternative, die wiederum auf die Technik des Téléphonoscops zurückgreift und so sowohl visuelle als auch akustische Signale übertragen kann.
Arbeiten in der Zukunft
Villemard’s Zeichnungen decken darüber hinaus auch noch den Bereich der Arbeit ab. Wiederum 1910 entstanden, zeigt folgende Abbildung einiges, das tatsächlich in leichten Abwandlungen heute gängige Praxis ist. Zum einen stellt Villemard eine hoch technisierte Arbeitsumgebung dar, die den Aufwand für den Menschen minimiert, da lediglich die Bedienung ausführender Maschinen zu vollbringen ist. Ebenso ist eine Art Fließbandarbeit zu erkennen, da verschiedene Maschinen, mit unterschiedlichen Arbeitsaufgaben, miteinander verknüpft und aufbauend eine Tätigkeit vollbringen. Unterschätzt wird die Rolle der Menschen allerdings dahingehend, da scheinbar nahezu jede Berufssparte jenseits des planenden Architekten als obsolet geworden angesehen wird. Die Vorstellung der Zukunft ist die völlige Umsetzung eines Planes ohne jegliche Zwischenschritte, wie es scheint. Die völlige Verschiebung von menschlicher zu technischer Arbeit, die für das Jahr 2000 angenommen wurde, kann allerdings noch nicht in diesem Ausmaß gesehen werden.
Neben diesen positiven Zukunftsvorstellungen von verheißungsvollen Technikinnovationen gab es allerdings auch weniger positive Ideen, wie die Zukunft sein könne.
Kriegsführung
Atombombe
Aufgerüttelt von Kriegsangst begann der britische Schriftsteller H.G. Wells sein Werk ‚The World Set Free‘, das 1914 veröffentlicht wurde. Darin schildert der Autor den ersten Atombombenabwurf und die daraus resultierenden Schrecken, den er fiktiv auf das Jahr 1956 datierte. Warum dieses Datum eher spät angesetzt wurde, ist nicht einfach zu beantworten. Eine These besagt, dass die schrecklichen Horrorvorstellungen eine gewisse Angst vor einem früheren Datum bestand (vgl. literature.com o.J.: o.S.).
Tatsächlich wurde die erste Atombombe schon 1945 eingesetzt. Zeitlich ist die Vorhersage also nicht haltbar. Worin Wells Werk allerdings eine weitaus treffendere Vorhersage darstellt, ist die gesellschaftliche Komponente des Bombenabwurfes. Zum einen benutzte Wells erstmals den Betriff der ‚atomic bomb‘, wie er später Einzug in die Alltagssprache hielt. Die Auswirkungen der Bombe beschrieb er detailliert (vgl. Technovelgy o.J.: o.S.):
“In the map of nearly every country of the world three or four or more red circles, a score of miles in diameter, mark the position of the dying atomic bombs and the death areas that men have been forced to abandon around them. Within these areas perished museums, cathedrals, palaces, libraries, galleries of masterpieces, and a vast accumulation of human achievement, whose charred remains lie buried, a legacy of curious material that only future generations may hope to examine….” (Wells 1914: o.S.)
Ebenso benannte er den ethischen und moralischen Horror, den die Atombombe auslösen würde(vgl. Technovelgy o.J.: o.S.):
“The catastrophe of the atomic bombs which shook men out of cities and businesses and economic relations shook them also out of their old established habits of thought, and out of the lightly held beliefs and prejudices that came down to them from the past.” (Wells 1914: o.S.)
Aber auch früher beschäftigten sich Menschen mit möglichen Waffen der Zukunft.
Chemische Kriegsführung
1883 fertigte Robida eine Zeichnung an, die Ingenieure bei der Konstruktion einer chemisch geladenen Bombe zeigt. Wiederum auf das Jahre 2000 Bezug nehmend, verwenden die Wissenschaftler eine Art Blasebalg und tragen allesamt Atemmasken. Dies alles lässt darauf schließen, dass es sich dabei um gasförmige Chemikalien handeln muss. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn man sich bewusst macht, dass einfache chemische Waffen schon seit dem Altertum (Pech, Öle, etc.) eingesetzt wurden und im Laufe der Jahre auch Gase Verwendung fanden. Im ersten Weltkrieg wurden diese Gase (Chlor, Cyanwasserstoff,…) 1914 im Sinne der modernen chemischen Kriegsführung eingesetzt. Diese Entwicklung könnte sich daher auch in der Darstellung finden lassen (vgl. Wikipedia c o.J.: o.S.).
Wiederum stellt sich diese Überlegung heute als falsch heraus. Wegen der Unvorhersehbarkeit von Gasen (drehen des Windes, Witterung, etc.) und der raschen Verflüchtigung zeichnet sich eine Entwicklung hin zur Verwendung flüssiger Kampfstoffe ab, die auch an Kleidungsstücke und Körper haften bleiben und dadurch auch über die Haut absorbiert werden. Dies ist auch der Grund, warum bei diesen Stoffen eine Gasmaske alleine nicht mehr ausreicht, um sich zu schützen (vgl. Wikipedia c o.J.: o.S.).
Wie sich der Mensch in der Zukunft bewegen wird, war ein weiterer Ansatzpunkt in vergangener Zeit.
Fortbewegung
Rollschuhe
Über die Entstehung von Rollschuhen gibt es zahlreiche, teils widersprüchliche Aussagen. Darunter auch eine unsichere Überlieferung darüber, dass Rollschuhe schon seit 1743 in Theatern bei Aufführungen verwendet wurden. 1760 wurde ein belgisches Modell gebaut, das den Namen ‚skaites‘ bekam. In den USA wurde dann 1863 ein erstes Patent von James Plimpton eingereicht. Durch technische Errungenschaften wurde dann 1883 der Rollschuh, dank fallender Preise, zum Alltagsgerät (Wikipedia d o.J.: o.S.).
Auf den ersten Blick stellt daher die 1910 entstandene Illustration von Villemard keine Zukunftsperspektive dar, sieht man allerdings genauer hin, ist zu erkennen, dass die gezeichneten Schuhe mit einer Art Motor ausgestattet zu sein scheinen. Die Zeichnung ähnelt dabei auffallend einer Blockbatterie mit dem Plus und Minus Pol.
U-Boot
Jules Vernes, der französische Schriftsteller des Werkes ‚Reise zum Mittelpunkt der Erde‘, veröffentlichte 1869 die Geschichte ‚Twenty Thousand Leagues Under the Sea‘. Darin wird der fiktive Erlebnisbericht eines Wissenschaftlers geschildert, der während seiner Meeresforschung auf ein U-Boot – der Nautilus – stößt (Wikipedia e o.J.: o.S.).
Simon Lake war einer der Leser der Geschichte und fühlte sich angeblich derart inspiriert, dass er die Laufbahn eines Marineingenieurs einschlug und tatsächlich 1895, nur 26 Jahre nach Jules Vernes Fantasie-Roman, das erste Unterseeboot – die Argonaut – entwickelte (vgl. Bly 2005: 1).
Neben diesen spezifischen Neuerungen fanden aber auch Ideen zu der Gesellschaft der Zukunft Beachtung.
Gesellschaftliche Entwicklung
Feminismus
Frühe Ideen des Feminismus finden sich schon seit dem 17. Jahrhundert (vgl. Wikipedia o.J.: o.S.). Daher verwundert es nicht, dass auch diese sich abzeichnende Entwicklung aufgegriffen wurde. Robida prophezeite 1883 das Aufbegehren der Frauenrechtsbewegung für das Jahr 1953 und hinkte dabei dem tatsächlichen Verlauf entscheidend nach.
Die theoretische Verankerung des Feminismus als Weltanschauung wird auf das späte 18. bzw. das frühe 19. Jahrhundert datiert, als begonnen wurde Grundrechte in Verfassungen zu verankern (vgl. Wikipedia o.J.: o.S.).
Was anhand der diversen Beispiele auffällt, ist, dass zumeist nur jeweils ein Aspekt der Gesellschaft durch fantasievolle Weiterentwicklungen bestehender Technik uminterpretiert wird. Auch hier stellt sich dies dar. Wird die Militärstruktur durch Frauen aufgestockt, was eine Neuerung darstellt, ist doch gleichzeitig die Waffentechnik als auch die Kleidung der herrschenden Moden entsprechend dargestellt. Vor allem auch der Unterschied zwischen Männern und Frauen in Bezug auf die Kleidung besteht in offensichtlichem Maße in dieser Zukunftsvision weiter.
Eine vollkommene Umstrukturierung der Gesellschaft auf allen Ebenen findet sich speziell in neueren Zukunftsvorstellungen. Dies lässt sich auch im folgenden Beispiel erkennen:
Zukunftsperspektive: Wie sieht die Zukunft die heutige Gegenwart
In seinem Roman ‚Brave New World‘ (1932) stellt Aldous Huxley eine Zukunft dar, die mit damaligen Umständen wenig gemein hat. Durch vollkommene Kontrolle und auch Drogenkonsum werden den Menschen ihre ‚Fehler‘ und damit auch ihre ‚Einzigartigkeit‘ ausgetrieben. Eine Art Kastensystem sieht von Geburt an vor, welches Leben man vor sich hat. Weltliche Probleme wie Altern und Krankheit existieren nicht mehr.
Die Geschichte, die im Jahr 2540 spielt, bedient sich eines bedrohlichen Untertons, der eine nahezu versklavte Bevölkerung zeigen. 1980 wurde die Handlung von BBC verfilmt. In dieser TV-Produktion findet sich auch eine Stelle, in der die Menschen der Zukunft über die primitive Gesellschaft der Vergangenheit – also der heutigen Gegenwart – sprechen und urteilen (00:06:7 – 00:10:00).
Video:
Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=ek5vse2_Aq0&feature=player_embedded
(siehe spezielle Minute 06:37 – 10:00)
Mit diesem Beispiel über die Wandelbarkeit von Zukunftsprognosen und Vergangenheitsbetrachtung schließt sich hiermit der Blick durch die Zeit.
Quellen:
Bly, Robert (2005): The Science in Science Fiction. 83 SF Predictions That Became Scientific Reality. Dallas: BenBella Books.
Literature.com (o.J.): The World Set Free. Introductions. Online im Internet unter: http://www.online-literature.com/wellshg/worldsetfree/ (16.03.12).
Schulte, Olaf/Friebel, Martin/Klotzek, Christian (2001): Aufzeichnung technisch vermittelter Kommunikation – das Beispiel Videokonferenz. Online im Internet unter: http://www.gespraechsforschung-ozs.de/heft2001/px-schulte.pdf (18.03.12).
Technovelgy (o.J.): Atomic Bomb. Online im Internet unter: http://www.technovelgy.com/ct/content.asp?Bnum=1086(11.03.12).
Wells, Herbert G. (1914): The World Set Free. Online im Internet unter: http://www.gutenberg.org/files/1059/1059-h/1059-h.htm (19.03.12).
Wikipedia (o.J.): Feminismus. Online im Internet unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Feminismus (16.03.12)
Wikipedia b (o.J.): Heimkino. Online im Internet unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Heimkino (18.03.12).
Wikipedia c (o.J.): Chemische Waffe. Online im Internet unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Chemische_Waffe (18.03.12)
Wikipedia d: (o.J.): Rollschuh. Online im Internet unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Rollschuh (18.03.12).
Wikipedia e (o.J.): 20.000 Meilen unter dem Meer. Online im Internet unter: http://de.wikipedia.org/wiki/20.000_Meilen_unter_dem_Meer (18.03.12)
Abbildungsverzeichnis:
Abb. 1: http://www.mikrocontroller.net/attachment/25493/bildtelefon_1883.png
Abb. 4: http://1.2.3.13/bmi/www.remyc.com/microbebomb.jpg
Retro-Futurismus
thomas.groebner.uni-sbg, 19. April 2012, 15:30
Es gibt auch zeitgenössischen Auseinandersetzung mit Zukunftsvisionen aus der Vergangenheit. Im Retro-Futurismus setzen sich Kunstformen mit den überholten (?) Visionen auseinander. Mehr findet ihr in meinen Blog.
Thomas Gröbner