Statement Auswirkungen neuer Technologien auf die Gesellschaft
Veronika.Fagerer.uni-sbg, 28. Juni 2012, 18:02
Facebook-Revolution
Auf Grund von zahlreichen Aufständen die mittels Web 2.0 Tools organisiert wurden, herrscht in den letzten Tagen eine Diskussion vor, die den Einfluss der social media aus Gesellschaften und im speziellen deren politischen Systeme beleuchtet.
Eines der Beispiele dafür, wie schnell weltweite Aufmerksamkeit via Web 2.0 Anwendungen generiert werden kann, ist die Kampagne der amerikanischen NGO Invisible Children, die 2012 das Video 'Kony 2012' auf YouTube stellten, um Zusatimmung und Unterstützung für die Gefangennahre des ugandischen Warlords Kony zu sammeln:
Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=Y4MnpzG5Sqc&feature=player_embedded
Nach unglaublich schneller Verbreitung und Zustimmung wurde das Thema auch in den traditionellen Medien aufgegriffen. Innerhalb kürzester Zeit war jedem der Name Kony ein Begriff. Auch nachfolgend wurde das Thema via Video-Botschaften auf YouTube diskutiert. Zum heutigen Zeitpunkt finden sich neben den positiven Rückmeldungen auch schon zahlreiche kritische Stimmen auf der Plattform und in den klassischen Nachrichtenmedien, die derart massiv waren, dass sich die Organisation zur Veröffentlichung eines zweiten Videos gezwungen sah:
Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=c_Ue6REkeTA&feature=player_embedded
Doch nicht nur die Verbreitung von Themen scheint mit den neuen Medien möglich. Vor allem in Regionen Afrikas und des Nahen Ostens werden vor allem soziale Netze als Organisationsplattformen für Proteste und Aufstände genutzt - von manchen als 'Facebook-Revolutionen' bezeichnet.
Ein solches Beispiel finden sich etwa unter: http://www.facebook.com/MaTunisie
Fraglich dabei ist jedoch, wie groß der Einfluss dieser neuen Technologien wirklich ist und ob die Betitelung als 'Facebook-Revolution' gerechtfertigt ist. Dabei gibt es zum Einen die Position, dass durch die neuen Anwendungen eine andersartige Form der Revolution entsteht, während die gegenläufige Meinung darin besteht, dass lediglich die Geschwindigkeit und Ausweitung durch die neuen Medien einer Änderung unterliegt.
In folgendem Beitrag wird versucht, die entgegengesetzten Argumente in Kürze systematisch gegenüber zu stellen, um ein umfassendes Bild der Kontroverse zu erhalten.
PRO: Web 2.0 als Tool zur gesellschaftlichen Änderung
- Die Sprache auf Plattformen wie Facebook und Co. zeichnet sich durch Kürze und Direktheit aus, wodurch sie für viele Nutzer einfach verständliche macht und leicht aufzunehmen ist (vgl. Savir 2012: o.S.).
- Durch die globale Vernetzung von Personen kann eine Information innerhalb kürzester Zeit zu großer Reichweite und dadurch Einfluss gelangen (vgl. Rohr 2011: 1; Kappes 2011: o.S.).
- Durch die Sozialen Medien wird das Gefühl des direkten Bezuges und Einfluss erzeugt. Partizipation für gesellschaftlich wichtige Themen würden so erhöht werden (vgl. Rohr 2011: 1).
- Durch die zumeist schriftlichen oder videotechnisch aufgezeichneten Inhalte im Internet ermöglicht eine längere Haltbarkeit von Informationen sowie wird deren Zugangsmöglichkeiten erweitert (vgl. Kappes 2011: o.S.).
- Die Netzwerkstruktur ermöglicht eine leichtere Organisation von Revolutionen und Bürgerrechtsbewegungen wie die Beispiele etwa in Ägypten zeigen (Apolte/Möller 2011: o.S.).
- Durch die sichtbaren Vernetzungen durch ‚Likes‘ und ähnliche Tools der Sozialen-Medien-Plattformen wird die Kette der Leser sichtbar, wodurch die Glaubwürdigkeit erhöht und eine Art virtueller ‚Sozialer Graph‘ entsteht, der aufzeigt, was die globale Gesellschaft bewegt (Schmidt 2011: o.S.; Kappes 2011: o.S.).
- Einer der am meisten heraus stechende Mehrwerte der Web 2.0 Plattformen wird in der dezentralen Struktur gesehen. Jeder User kann ein Teil in der Informationskette und selbst Produzent von Botschaften werden (vgl. Kappes 2011: o.S.).
- Durch die wachsenden technologischen Möglichkeiten wird stetig an der Stärke der Internetangebote gearbeitet oder Back-up-Systeme erschaffen, die einen Eingriff erschweren sollen. So findet sich zum Beispiel für den Internet-Dienst Twitter eine Plattform mit ähnlichen Funktionen unter doost.status.net (Kappes 2011: o.S.).
Uri Savir (2012: o.S.) sieht darin eine weitreichende Möglichkeit für ein friedvolles Zusammenleben wenn er schreibt: „As social discourse changes with Facebook, we need to ask ourselves how this phenomenon can influence peace?I firmly believe that in a world with fewer borders, peacemaking and peacebuilding will change fundamentally, as the relations between government and citizens change.“
CONTRA: Web 2.0 hat keine allzu große Rolle im gesellschafltichen Wandel
- Das Hauptargument von Vielen, die den Wert der Web 2.0 Tools in der Diskussion als überhöht ansehen, ist, dass Revolutionen und Aufstände schon lange vor den heute technischen Möglichkeiten existierten. Die alleinige Erklärung der gängigen Umbrüche sei daher nicht allein auf die technische Komponente zurückzuführen. Termini wie ‚Facebook-Revolution‘ würden den Beitrag und Einfluss der revoltierenden Menschen untergraben, sowie die politisch-sozialen Missstände verschleiern, die zu einem Aufstand führen können (Naughton 2011: o.S.; Rohr 2011: o.S.).
- Auch die neuen sprachlichen Ausformungen stellen einen Ansatzpunkt für kritische Stimmen dar. Durch die oft verkürzte Botschaftenübermittlung kann es zu einer Vereinfachung, um nicht zu sagen Verzerrung von komplexen Situationen und führe zu einem Dualismus von Befürwortern und Kritikern, der keinen Platz für andersartige Meinungen lässt. Zudem würde durch die Kategorisierung von Befürwortern durch ‚Likes‘ oft eine scheinbare Mehrheit erzeugt, ohne dass dies tatsächlich zutrifft (vgl. Kappes 2011: o.S.).
- Die geknüpften Beziehungen über Facebook und Co. sind entgegen Realbeziehungen weniger bindend. Ein ‚Like‘ allein veranlasst nicht zwingend den tatsächlichen Einsatz bei Protestbewegungen. Die online erzeugte Partizipation wird als lediglich virtuell gesehen (vgl. Rohr 2011: o.S.).
- Während die eine Seite die schwere technische Verwundbarkeit von Onlinemedien anführen, gibt es auch Stimmen, die eine gegengesetzte Position vertreten und Beispiele anführen, in denen Regime Sicherheitslücken zu finden suchten um Nutzerdaten von Aktivisten abstrahieren zu können. Auch die Abschaltung von Internet- und Mobiltelefonverbindungen stellt für die Kritiker eher ein Negativargument dar (vgl. Kappes 2011: o.S.).
- Letztlich lässt sich auch argumentieren, dass neben der positiven Informationsübermittlung auch Falschmeldungen und Propaganda durch die Sozialen Medien verbreiten lässt (Settembrini di Novetre 2011: o.S.).
Welchen Einfluss neue Technologien letztendlich haben, ist zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht in Gänze absehbar. Welche Position sich als die wahre herausstellt, bleibt abzuwarten.
Quellen:
Apolte, Thomas von/Möller, Marie (2011): Staaten im Umbruch. Die Kinder der Facebook-Revolution. Online im Internet unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/arabische-welt/staaten-im-umbruch-die-kinder-der-facebook-revolution-1592378.html (30.04.12).
Kappes, Christoph (2011): Die ‚Facebook-Revolution‘ – Gedanken zum Einfluss des Internets auf politische Umbrüche. Online im Internet unter: http://carta.info/38129/die-facebook-revolution-gedanken-zum-einfluss-des-internets-auf-politische-umbrueche/ (30.04.12).
Naughton, John (2011): Yet another Facebook revolution: why are we so surprised? Retrieved from: http://www.guardian.co.uk/technology/2011/jan/23/social-networking-rules-ok (30.04.12).
Rohr, Mathieu von (2011): Demokratie. Die Revolution, die keine war. Online im Internet unter: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,742430,00.html (30.04.12).
Savir, Uri (2012): Savir’s Corner: The Facebook Revoltion. Online im Internet unter : http://www.jpost.com/Opinion/Columnists/Article.aspx?id=254404 (30.04.12).
Schmidt, Heike (2012): Sensation ‘Kony 2012’: Und wen kümmert Afrika? Online im Internet unter: http://derstandard.at/1332323977763/Heike-Schmidt-Sensation-Kony-2012-Und-wen-kuemmert-Afrika (09.04.12)
Settembrini di Novetre, Marco (2011): Facebook-Revolution revisited. Onlin im Internet unter: http://faz-community.faz.net/blogs/deus/archive/2011/11/24/facebook-revolution-revisited.aspx (30.04.12).
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