Partizipativer Journalismus Partizipativer Journalismus

sabine.pupeter.uni-linz, 5. Juni 2014, 22:59

Definition

Zu Beginn erfolgt eine Determinierung des Begriffes „Partizipativer Journalismus“, um den Begriff abzugrenzen und ein klares Verständnis von diesem für die weiteren Inhalte des Blogbeitrages sicherzustellen.


Partizipativer Journalismus ist laut Shayne Bowman und Chris Willis „The act of a citizen, or group of citizens, playing an active role in the process of collecting, reporting, analyzing and disseminating news and information. The intent of this participation is to provide independent, reliable, accurate, wide-ranging and relevant information that democracy requires.” (Q1, S. 62)


Nach Sven Engesser lässt sich der Begriff wie folgt beschreiben: „Partizipativer Journalismus beteiligt die Nutzer zumindest am Prozess der Inhaltsproduktion, wird außerhalb der Berufstätigkeit ausgeübt und ermöglicht die aktive Teilhabe an der Medienöffentlichkeit.“ (Q1, S. 66)


Beide Definitionen meinen also, dass ein Nutzer oder eine Gruppe von Nutzern an der Erstellung von Inhalten von Medienbeiträgen beteiligt sind.
Der Partizipative Journalismus wird auch als Graswurzel Journalismus oder Bürger-Journalismus bezeichnet. (Q2)

 

Erscheinungsformen

Auch vor den neuen Möglichkeiten der Partizipation im Web 2.0 existierten zuvor bereits Offline-Plattformen für den Partizipativen Journalismus wie beispielsweise Heimatzeitungen, Leserbriefe, ein Hörer- und Zuschauertelefon, die Alternativpresse, ein nicht-kommerzieller Rundfunk oder diverse offene Kanäle. (Q3 , S. 53-60)
Heute lassen sich die Formen des partizipativen Journalismus in vier Kategorien – die Individualformate, Kollektive Webangebote, professionell-redaktionelle Webangebote und professionell-partizipative Webangebote – unterteilen.  Eine weitere spezielle Erscheinungsform stellen noch die sublokalen Webangebote dar. (Q3 , S. 61-98)

 

- Individualformate
Diese Formate werden von Einzelpersonen angeboten bzw. von Individuen, welche auch Organisationen sein können, ausgeübt. (Q3, S. 78)

  • Weblog: mit dem Begriff Weblog ist ein geführtes Logbuch oder Journal gemeint. Es werden chronologisch sortierte Beiträge aneinandergereiht. Zwei Funktionen eines Weblogs sind dabei besonders wichtig: zum einen die Kommentarfunktion, welche die Idee des Web 2.0 als „Mitmach-Plattform“ unterstützt, zum anderen das Setzen von Trackbacks, die darüber informieren, wenn ein Eintrag eines Blogs in einem anderen Blog referenziert wird. Durch diese Funktionen entstehen viele partizipative Möglichkeiten. (Q4, S. 27)
  • Microblogging: Dies stellt eine Form des „verkleinerten Bloggens“ dar.  Eine Informationseinheit ist meist auf eine bestimmte Zeichenanzahl begrenzt. Twitter stellt den weithin verbreitetsten Microblogging-Dienst dar. Durch das Verweisen von interessanten oder wichtigen Inhalten im Web kann Microblogging mit partizipativem Journalismus assoziiert werden. (Q3, S. 74-77)

 

- Kollektive Webangebote
Diese Erscheinungsform wird von Kollektiven aufrecht erhalten und nicht von Einzelpersonen.  Durch ein Kollektiv wird die Herstellung  und Bearbeitung von Inhalten übernommen. Beispiele hierfür sind die Plattform Youtube, auf der Videos zu finden sind oder die Plattform Flickr die ausschließlich auf Fotos abzielt. Durch die Dokumentationsform ist also eine Differenzierung möglich. Ebenso auf Basis des Informations- und Unterhaltungsgehalts der Inhalte, des Themenspektrums oder dem Aktualitätsbezug. (Q3, S. 78-79)

  • Wikis: Diese stellen eine Sonderform des Kollektiven Webangebots dar und stellen eine sehr große Offenheit hinsichtlich des Produktionsprozesses zur Verfügung. Wikis zeichnen sich durch ein hohes Partizipationspotential aus. (Q3, S. 80-82)
  • Soziale Nachrichtenangebote: Eine weitere Form von kollektiven Webangeboten sind soziale Nachrichtenangebote. Dabei werden Nachrichten aus dem Web gesammelt und von einem Kollektiv in einem sozialen Prozess bewertet. Die Aktivität des Kollektivs ist hier jedoch besonders gering, da sich die Leistung meist auf die Suche nach Inhalten und deren Weiterleitung beschränkt. (Q3, S. 83-85)

 

- Professionell-redaktionelle Webangebote
Deren Qualität besteht hinsichtlich einem hohen Maß an Professionalität und einem hohen Organisationsgrad. Die Rollen Journalist und Nutzer bleiben hier zum Großteil erhalten. Partizipativer Charakter wird hier erlangt, wenn Journalisten ihren Nutzern die Möglichkeit geben sich aktiv an den Webangeboten zu beteiligen. (Q3, S. 85-86)

  • Leserreporter Angebote: Diese stelle eine Sonderform der professionell-redaktionellen Webangebote dar. Hier werden Nutzer von Redaktionen dazu aufgefordert, Beiträge zu verschiedenen Themen zu schicken. Ein Beispiel hierzu stellt die Bild Zeitung dar. (Q3, S. 89)

 

- Professionell-partizipative Webangebote
Nutzern wird das Recht eingeräumt eigenständige Beiträge im Rahmen einer professionellen Redaktion zu veröffentlichen. (Q3, S. 91)

 

- Sublokale Webangebote
Ein besonderes Merkmal dieser Erscheinungsform bezieht sich auf das beschränkte Einzugsgebiet der Inhalte und Leser. Ein Beispiel wäre hier myheimat.de. (Q3, S. 95-98)

 

 

Gegenöffentlichkeit und partizipativer Journalismus

Ein interessanter Aspekt auf den ich während meiner Recherche gestoßen bin, bezieht sich auf die Gegenöffentlichkeit in Zusammenhang mit partizipativem Journalismus. „Gegenöffentlichkeit beschreibt eine Form gesellschaftlicher Aktivität, die sich bewusst in den Gegensatz zur „herrschenden“ Öffentlichkeit stellt, um vernachlässigte oder unterdrückt erscheinende Themen, Probleme oder soziale Gruppen der allgemeinen Wahrnehmung zugänglich zu machen.“ (Q5)
Der partizipative Journalismus im Internet stellt eine Plattform für gesellschaftskritische Gegenöffentlichkeit dar – beispielsweise durch Möglichkeiten der Teilhabe am massenmedialen System oder der Gegenthematisierung von initiierter gesellschaftlicher Mobilisierung. Dazu können die unterschiedlichen Erscheinungsformen von partizipativem Journalismus herangezogen und genutzt werden. (Q6)

 

 

Fazit

Partizipativer Journalismus existierte schon vor dem Web 2.0 und genießt aber dennoch gerade eine Hochphase mit Besonderheiten. Die Partizipationsbarrieren sind durch die Möglichkeiten des Internets so niedrig wie noch nie. Es gibt eine Vielzahl an digitalen Plattformen, die zur Partizipation genutzt werden können. Gleichzeitig werden hohe gesellschaftliche Erwartungen an den partizipativen Journalismus geheftet wie zB auch in Bezug auf die Gegenöffentlichkeit. Noch nie wurde derart gründlich theoretisch reflektiert und eine kontroverse Diskussion in der Öffentlichkeit geführt. Gleichzeitig muss in diesem Zusammenhang aber als Folge dieser Faktoren der Qualitätsfaktor kritisch betrachtet werden und bei partizipativen journalistischen Arbeiten mit größter Sorgfalt vorgegangen werden. (Q7)

 

 

Quellen

Q1: Engesser, Sven (2008): Partizipativer Journalismus. Eine Begriffsanalyse. In: Zerfaß, Ansgar/ Martin Welker/Jan Schmidt (Hrsg.): Kommunikation, Partizipation, und Wirkungen im Social Web. Herbert v. Harlem Verlag, 2008, S. 47-71

Q2: http://de.wikipedia.org/wiki/Graswurzel-Journalismus

Q3: Engesser, Sven (2013): Die Qualität des partizipativen Journalismus im Web. Springer Verlag, 2013

Q4: Bernecker, Michael/Beilharz, Felix: Social Media Marketing – Strategien, Tipps und Tricks für die Praxis; 2. Auflage, Köln, 2012

Q5: http://de.wikipedia.org/wiki/Gegen%C3%B6ffentlichkeit

Q6: Essenger, Sven/Jeffrey Wimmer: Gegenöffentlichkeit(en) und partizipativer Journalismus im Internet, VS-Verlag, 2009

Q7: http://journalistik-journal.lookingintomedia.com/?p=832

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