Webkommunikation Beiläufige Kommunikation im Web - These oder Tatsache?
rainer.kroisamer.uni-linz, 18. März 2014, 14:26
Wir tun es ständig, von morgens bis abends, durch Sprache und Laute, durch Gesten und Mimik, bewusst und unbewusst. Früher taten wir es auf Steintafeln und Papyrus, heute auf Twitter und Co. Wir kommunizieren. Bereits aus dem Jahre 1969 stammt der Satz des österreichisch-amerikanischen Kommunikationsforschers Paul Watzlawik: " Man kann nicht nicht kommunizieren" (Q1).
Die Geschichte lehrt uns also, dass die Art der Kommunikation sich ändert. Es ändern sich die Medien aber auch die Inhalte, und wir beobachten eine zunehmende Verlagerung unserer Kommunikation in das Web. Gab es in vielen Familien bis vor kurzer Zeit noch die tägliche Unterhaltung beim Abendessen, liegt heute meist das Smartphone neben dem Teller. Dass es mittlerweile zu zwischenmenschlichen Problemen führt wenn einem im Restaurant das Smartphone wichtiger ist als das Gegenüber, ist längst auch in der Öffentlichkeit ein Thema (Q2).
In diesem Beitrag soll die These von Hans Mittendorfer, "Ein Maßgeblicher Teil der Webkommunikation kann im übertragenen Sinne als 'beiläufige Kommunikation' betrachtet werden, die der Aufmerksamkeit, welche beim Spaziergang dem Hund geschenkt wird, entspricht" (Q3), auf Anwendung und Gültigkeit untersucht werden.
Beispiele die sogenannte beiläufige Kommunikation zu veranschaulichen finden wir viele: der Griff zum Smartphone um die neueste Twitter Nachricht zu lesen, das kurze "checken der Mails" vor dem Fernseher und das Posten der Bilder des Nachmittagsausfluges auf Facebook.
Dabei ist beiläufige Kommunikation kein Phänomen das sich nur auf das Web beschränkt, es gibt sie auch außerhalb des Webs. Man denke an eine abgewandelte Form des Small Talk - ein belangloses Gespräch an der Supermarkt Kasse, ein flüchtiger Kommentar beim Zigarettenkauf. Das alles gab es früher auch.
Ich möchte, als neuen Ansatz, einige Gedanken einfließen lassen, die ich mir zur Gültigkeit der These der beiläufigen Kommunikation im Web gemacht habe. Demnach muss beiläufige Kommunikation differenziert werden nach:
- Kanal
- Gerät
- Umfang
- Nutzer (Sender od. Empfänger)
Ad 1 Differenzierung nach Kanal:
- E-Mail: verlangt i.d.R. vom Sender und Empfänger mehr Aufmerksamkeit als beispielsweise eine Kurznachricht.
- Chat (zB Skype): verlangt i.d.R. weniger Aufmerksamkeit als das Schreiben von E-Mails, und kann auch "beiläufig" erledigt werden
- Kurznachricht (zB SMS oder Whats App): ähnlich wie ein Chat, jedoch meistens kein aufbauender Dialog, somit i.d.R. sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne
Ad 2 Differenzierung nach Gerät:
Mobilgerät vs. Desktop Computer: Ich sitze zu Hause vor meinem Desktop PC. Ich bin konzentriert, nicht abgelenkt von dem was ich tue - Ich schreibe Mails oder verfasse einen Newsletter für meine Kunden. Im Gegensatz dazu, ich bin mobil, also in Bewegung, meine Aufmerksamkeit muss mit mehreren Dingen gleichzeitig geteilt werden - meine mobile Kommunikation beschränkt sich auf das Minimum - ein kurzer Tweed, eine Whats App Nachricht.
Ad 3 Umfang:
Ich lese oder verfasse einen Tweed auf meinem Smartphone vs. ich lese oder verfasse einen Artikel auf einer Tageszeitung. Aufmerksamkeit und Umfang der Tätigkeit sind stark unterschiedlich. Während das eine eher beiläufig erledigt werden kann, erfordert das andere wesentlich mehr Aufmerksamkeit und Konzentration und erfolgt somit nicht beiläufig.
Ad 4 Nutzer (Sender vs. Empfänger):
Unternehmen verfassen einen Newsletter um auf Produktneuheiten aufmerksam zu machen. Im Gegensatz dazu überfliege ich Werbe-Newsletter in meinem Posteingang. Hier haben wir also eine Differenzierung in Sender und Empfänger. Je wichtiger die Information und die dahinterliegende Absicht, desto geringer die Gefahr der Beiläufigkeit. Hier spielt auch der gewählte Kanal eine Rolle.
Zusammenfassend kann ich die These, ein maßgeblicher Anteil der Webkommunikation sei beiläufig zwar nachvollziehen, jedoch nicht vollends unterstützen, da meiner Meinung nach eine Differenzierung der beiläufigen Kommunikation in die vier genannten Bereiche, Kanal, Gerät, Umfang und Nutzer gemacht werden muss.
Von der beiläufigen Kommunikation im Web zur Beiläufigkeit im Alltag?
Als abschließende Bemerkung und Einladung zur Diskussion, besteht nun nicht die Gefahr, dass mit zunehmender Verlagerung der Kommunikation ins Web, die traditionelle, verbale und zwischenmenschliche Kommunikation zur Beiläufigkeit wird?
Quellen (zuletzt geprüft am 18.3.2014):
Q1: Paul Watzlawick, Janet H. Beavin, Don D. Jackson. Menschliche Kommunikation. Huber Bern Stuttgart Wien 1969, 2.24 S. 53
Q2: http://www.srf.ch/gesundheit/alltag-umwelt/abhaengig-vom-smartphone
Q3: Hans Mittendorfer 2014, https://collabor.idv.edu/webkomm14s/stories/47664/
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