Webkommunikation Aufgabe: Tageszeitungen in der Krise
rainer.kroisamer.uni-linz, 2. Juli 2014, 19:22
Zur Debatte "Krise der Tageszeitungen" habe ich mich mit den Artikeln von Jeff Jarvis und Mario Sixtus auseinandergesetzt. Der Grundtenor ist bei beiden Autoren ähnlich, sie sehen keine Zukunft für die Tageszeitung wie wir sie heute noch kennen. Doch eine Krise für die Tageszeitung muss nicht gleichzeitig eine Krise für den Journalismus bedeuten.
#1 Jeff Jarvis: Journalisten sind Dienstleister, keine Monopolisten
In seiner Grundaussage geht Jeff Jarvis davon aus, dass Tageszeitungen in Papierform keine Zukunft haben werden. Obwohl er sich selbst als Liebhaber der Zeitung und Zeitschriften bezeichnet, erkennt er dass es nicht die Zeitung an sich ist die von Bedeutung ist, sondern die Information, die Nachrichten und der Journalismus. Er sieht den Journalismus als Dienstleistung und sieht den ökologischen und ökonomischen Vorteil des digitalen Journalismus gegenüber den Print-Tageszeitungen als natürliche Entwicklung der Technik. So wie es die Buchdruckmaschine von Gutenberg vor 600 Jahren war, so ist es heute das Internet das die Informationsbeschaffung- und Verbreitung grundlegend verändert. Es liegt an den Journalisten und deren Verlagen, sich den neuen Umständen anzupassen, neue Geschäftsmodelle und Absatzwege zu schaffen. (Q1)
Zum Thema Journalismus bin ich persönlich der Ansicht dass professionelle Journalisten heute mehr denn je gefordert sind aus der Flut an Informationen diejenigen herauszufiltern, zu überprüfen und zu ordnen, die für die Allgemeinheit von Bedeutung sind. Für den Verbraucher bringt das Internet in der Hinsicht Vorteile: er kann wählen ob er sich seine mediale Realität (vgl. Pluschkowitz, Q2) zum Großteil aus sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook oder Spotify selbst erstellt, oder er dafür auf den professionellen Journalist vertraut. Doch wer journalistische Qualität wie bisher erwartet, der darf auch das "Gatekeeping" nicht verkommen lassen.
Fakt ist, und die Zahlen sprechen hier für sich, die Absätze an Tageszeitungen sind seit Jahren stark rückläufig. Wurden im Jahr 2003 in der Bundesrepublik Deutschland noch täglich 22,6 Millionen Tageszeitungen verkauft, waren es im Jahr 2012 nur noch 18,4 Millionen Exemplare. Das ist ein Rückgang von 18,6 Prozent.
Quelle: http://de.statista.com/infografik/714/die-tageszeitung-in-der-krise/
Auch die Anzahl an Tageszeitungen ist rückläufig. Gab es im Jahr 1992 426 Blätter, so waren es 2012 nur mehr 333. Dieser Trend ist allerdings nicht allzuverwunderlich. Es ist schließlich nicht davon auszugehen gewesen, dass nach dem einsetzenden Boom des Internets in den späten neunziger Jahren die Anzahl an Tagesblättern steigen würde.
Quelle: http://de.statista.com/infografik/714/die-tageszeitung-in-der-krise/
Große Tageszeitungen wie die Süddeutsche oder FAZ wird es auch in Zukunft noch in gedruckter Form geben, allerdings zu deutlich höheren Preisen und möglicherweise nicht mehr täglich, sondern nur noch zwei- oder dreimal in der Woche, meint etwa Michale Geffken, Medienforscher und Direktor der Leipzig School of Media (Q3). Wie aktuell können aber Nachrichten sein wenn sie nur zweimal die Woche gedruckt werden? Kann dann überhaupt noch von Tagesnachrichten gesprochen werden? Wohl eher nicht. Die Inhalte müssen sich dementsprechend anpassen, weg von Tagesaktualität hin zu ausgiebig recherchierten Themen und Hintergrundinformationen. Das aber zu höheren Preisen? Ob Leser bereit sind dafür mehr zu bezahlen wird sich erst zeigen müssen.
#2 Mario Sixtus: Revolutionen sind unangenehm
Der Grundtenor von Mario Sixtus in seinem Artikel zur Debatte "Krise der Tageszeitungen" ist, ähnlich wie zuvor bei Jeff Jarvis, pessimistisch im Hinblick auf die Zukunft der Tageszeitung. Auch er spricht davon dass es die Tageszeitung wie wir sie heute kennen, möglicherweise in zehn Jahren nicht mehr geben wird. Eine der Kernaussagen auf die er seine Sichtweise zurückführt ist jene, dass insbesondere Verlage zwischen einer "Wahrnehmungsbubble" und dem "Rieplschen Gesetz" leben. Nur gedruckter Journalismus sei von hochwertiger Qualität, deswegen werde es gedruckte Texte auch weiterhin geben (Wahrnehmungsbubble) und kein Medium sei jemals von einem anderen verdrängt worden (Rieplsches Gesetz) (Q4). Für Sixtus zeugt dies von Ignoranz und dem Wunsch der Verlage die Zeit zurückzudrehen als die Tageszeitung noch unangefochten wichtig war, weil es ansonsten kaum ein anderes Informationsmedium gab.
Hier läßt sich eine gute Verbindung zu Jeff Jarvis erkennen, der davon spricht dass Journalisten durch ihre Funktion als Wächter (Gatekeeping) ein herrliches Oligopol besaßen in dem sie ihre journalistische Arbeit zusammen mit Nicht-Nachrichten, Sport- und Lifestylethemen mischten und so Leser als auch Werbekunden lockten, und das jetzt zu zerbröckeln droht. (Q1)
Als weitere Probleme der Tageszeitung führt Sixtus ökonomische und technische Aspekte an: Die Unwirtschaftlichkeit der Herstellung und Distribution und Verwertung, der Aspekt des Redaktionsschlusses wonach die Welt nach der Druckfreigabe durchaus nicht still steht. Beides sind Argumente mit denen sich Online-Journalisten und Redakteure nicht konfrontiert sehen.
Ein weiteres Problem das Sixtus andiskutiert, und hier spiegelt sich auch meine eigene Meinung wieder, ist jenes, dass Tageszeitungen meist als "Paketlösungen" angeboten werden. Als Inhaltsbündel gemischt aus Tagesnachrichten, Jobbörse, Horoskopen, Apothekendiensten, Öffnungszeiten, etc. Als Leser von Online-Ausgaben kann ich mir jedoch Inhalte gezielt suchen und konsumieren. Lösungsvorschläge für einen Weg aus der Krise bleibt aber auch Sixtus schuldig. Die Fragen nach der Zukunft des Journalismus und dessen Finanzierung bleiben offen. Möglicherweise wird sich der Trend der Bezahlabos - also Geld für Content durchsetzen (können). Schon jetzt verlangt etwa die New York Times für bestimmte Artikel Geld.
Fazit: Krise der Tageszeitung oder Krise des Journalismus?
Sind Journalisten und Verlage nicht fähig sich auf das Medium Internet umzustellen und ihre Art zu schreiben und zu dokumentieren anzupassen? Ist es Ignoranz, Bequemlichkeit? Oder läuft die Entwicklung des Internet einfach viel zu rasant und sind 350 Jahre Geschichte der Tageszeitung nicht einfach so abzuändern?
Es sollte zunächst unterschieden werden ob man von einer Krise der Tageszeitungen oder einer Krise des Journalismus spricht, denn beides gleichzusetzen wäre falsch. Auch Sixtus ist der Ansicht, nicht nur gedruckter Journalismus ist guter Journalismus. Im Gegenteil. Also kann der wahre Journalismus auch nach Ende von Papierrollen und Druckerschwärze weiter bestehen. Er ist nicht gebunden an die traditionelle Form von Produktion und Distribution. Was es braucht ist ein Umdenken in den Redaktionen und den Chefetagen der Verlage. Neue Finanzierungs- und Absatzmodelle müssen geschaffen werden. Das weitere Ignorieren von Technologien und der veränderten Art wie sich Leser mit Informationen versorgen würde die Krise nur noch verstärken.
Quellen:
1. Jeff Jarvis, Online: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/jeff-jarvis-journalisten-sind-dienstleister-keine-monopolisten-a-914915.html, abgerufen am 18.6.2014
2. Pluschkowitz, Medienwirkung, Online: https://collabor.idv.edu/webkomm14s/stories/49382/, Folie 4, abgerufen am 30.6.2014
3. Michael Geffken, Online: http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2012-11/Tageszeitung/komplettansicht, abgerufen am 30.6.2014
4. Mario Sixtus, Online: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/mario-sixtus-zur-zeitungsdebatte-revolutionen-sind-unangenehm-a-915281.html, abgerufen am 1.7.2014
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