Japanese Capsule Hotels

rainer.kroisamer.uni-linz, 17. Jänner 2018, 12:26

 

Kapselhotels

In Japan ist vieles anders. Alles denkbar, das meiste machbar. Ganz anders als bei uns, in Europa. In Japan denkt man praktisch. Mal aus Not, mal aus Lust. Der Einfallsreichtum der Japaner_Innen scheint jedenfalls keine Grenzen zu kennen. Deshalb mag vielleicht so manchen dieses Konzept nicht zu erstaunen, die meisten von uns wohl aber doch: Das Kapselhotel. Wie bitte? Ein Kapselhotel. Seinen Ursprung hat das Kapselhotel in Tokyo, der Hauptstadt Japans. Tokyo, eine Weltstadt mit knapp zehn Millionen Einwohnern (so genau kann das niemand sagen) und einer Metropolregion in der über 35 Millionen Menschen leben ist Platz, so wie überall in Japan, ein knappes Gut. Dementsprechend sparsam, so ist das Gebot, muss man umgehen mit dem Platz. Möglichst viel und möglichst viele auf noch weniger Raum unterbringen. Darin ist man geübt, in Japan. Und nachdem der Platz in Tokyo nicht nur begrenzt sondern auch, wen wundert’s, sehr sehr teuer ist, müssen viele Japaner_Innen tagtäglich vom Umland nach Tokyo zu ihrer Arbeitsstätte pendeln. Nicht selten wird es am Abend spät – 12-Stundentage sind in Japan keine Seltenheit – und es lohnt sich nicht, für ein paar Stunden Schlaf zwei Stunden Fahrtzeit in Kauf zu nehmen. Hier kommt das Kapselhotel ins Spiel.

 

 

Ein Kapselhotel ist eine Art von Hotel, das in Japan entwickelt wurde und eine große Anzahl von extrem kleinen Zimmern – Kapseln – bietet, die eine billige und einfache Übernachtungsmöglichkeit für Gäste darstellen, die nicht die Dienstleistungen konventionellerer Hotels benötigen [1]. Ein bereits 1979 erstmals von Kisho Kurakawa in Osaka gebautes Kapsel-Hotel besteht aus über- und nebeneinander gestapelten Kapseln die das Nötigste in Bezug auf Platz und Ausstattung bieten. Im Inneren eines jeden Abteils gibt es Platz für eine Person, um hineinzukriechen, sich hinlegen und aufsetzen zu können. Zur Grundausstattung gehören Licht, eine Klimaanlage und ein Wecker. Meistens aber bieten Kapselhotels auch einen Fernseher, Steckdosen, Radio und natürlich Wlan. Die Abteile lassen sich meist nicht absperren, es gibt lediglich eine Jalousie für den Eingang um für ein wenig Ruhe und Privatsphäre zu sorgen.

 

Während Kapsel-Hotels in der Vergangenheit hauptsächlich Geschäftsmänner als Gäste hatten, haben mittlerweile Nachtschwärmer und auch Japan-Touristen Kapsel-Hotels – nicht zuletzt wegen der relativ günstigen Preise im Vergleich zu herkömmlichen Hotels – für sich entdeckt. Kapselhotels sind nicht mehr nur Orte, an denen man spontan oder notgedrungen übernachten kann, sondern auch Unterkünfte für Menschen die auf der Suche nach etwas Neuem und futuristisch Anmutendem sind. Auch wenn Kapsel-Hotels auf den ersten Blick etwas steril und unpersönlich wirken, so bieten sie allerhand Annehmlichkeiten. Zur Grundausstattung eines Kapsel-Hotels gehört ein gemeinschaftlich genutztes Bad, manchmal sogar ein traditionelles „Onsen“, meist ein Restaurant oder zumindest Getränke- und Snackautomaten, ein Gemeinschaftsraum mit TV, einer Mangas-Bibliothek und Videospielen [2].

 

Die Regeln für eine Übernachtung in einem Kapsel-Hotel sind fast überall gleich: Erstmal die Schuhe ausziehen und ab damit in den Schrank. Beim Check-in bekommt man neben einer nummerierten Kapsel einen weiteren Spint-Schlüssel für Gepäck und weitere persönliche Sachen. Wertgegenstände werden mit in die Kabine genommen. Ebenso, man denkt hier an alles, werden Handtücher und Pyjama ausgehändigt. Dann ab ins Gemeinschaftsbad oder in das Onsen [3].

 

 

Kapsel-Hotels waren anfangs nur für männliche Gäste vorgesehen, heutzutage hat die Vernunft auch dort Einzug gehalten und Frauen können ebenso dort nächtigen. Schlafräume und Nasszellen sind nach Geschlechtern getrennt – gegendert sozusagen.

 

 

Kapselhotels sind nicht wirklich für einen längerfristigen Aufenthalt gedacht – wer würde auch gerne in einer Plastikkabine länger wohnen wollen – was aber nicht bedeutet, dass man nicht länger bleiben kann. Nur bleibt es einem in den meisten Fällen nicht erspart, jeden Morgen aus- und bei Bedarf wieder einzuchecken.

 

Perversion oder geniale Erfindung?

Was soll man nun davon halten? Von einem Ort an dem Menschen wie Bienen in einem Stock nebeneinander und gestapelt steril und abgeschottet voneinander ihre Nächte verbringen. Reduziert auf das Wesentlichste an Raum, aber Hauptsache mit Wlan. Vielleicht ist genau das das Stichwort: Reduktion. Braucht es nicht mehr für einen Menschen als eine Kunststoffbox in der er gerade einmal genügend Platz findet seinen Körper auszustrecken, ein Gemeinschaftsbad und einen Snackautomaten? Und nicht zu vergessen Wlan? Wenn ich nicht wüsste Kapsel-Hotels kämen aus Japan, würde ich meinen es handelt sich um eine Obszönität. Wenn man aber nur ein wenig mit der japanischen Kultur vertraut ist, erkennt man die Praktikabilität dieser Erfindung. Aber: steckt noch mehr dahinter? Ist ein Kapselhotel nicht auch ein Zeichen dafür, wie es mit unserer Gesellschaft steht? Städte als wirtschaftliche und kulturelle Zentren. Zentren von Macht, Politik und Innovation, aber auch Ausgrenzung und Zerstörung. Mega-Agglomerationen wie Tokio bieten Arbeit, jedoch ist das Leben zu teuer. So nehmen viele täglich weite Anreisestrecken auf sich um zwischen Wohn- und Arbeitsort zu pendeln. Verpasst man den letzten Zug, bietet einem neben einem überteuerten Hotel das Kapsel-Hotel die Möglichkeit das Bedürfnis nach Unterkunft zu decken. Ballungsräume als Abbild der Natur. Menschen die wie Ameisen in ihrem Bau, chaotisch, überfüllt, Gedränge und dennoch scheint es zu funktionieren.

 

Assoziationen 

Oftmals werden im Science-Fiction-Genre Dinge und Möglichkeiten angedacht, die später Realität werden. Aus dem Film "The Fifth Element" erinnere ich mich an eine Szene in der die Hauptdarsteller in einer "Kapsel" - ähnlich der eines Kapselhotels - schlafen, während sie zu einem fernen Planeten reisen. Haben sich in diesem Fall die Autoren des Films etwas aus der Realität abgeschaut?

 

In vielen Gebieten der Welt müssen Menschen unter widrigsten Umständen in Slums leben. Oft teilen sich ganze Familien nur wenige Quadratmeter "Wohnfläche", aufgeteilt pro Kopf ergibt sich daraus nicht mehr Fläche als in einem Kapselhotel.

 

Wie kann uns das Web helfen?

Die Frage die ich hier zunächst stellen möchte ist, was hat das Web bis jetzt mit uns gemacht? 

Eine sinnbildliche Darstellung: Nebeneinander und trotzdem abgeschottet, keine reale Kommunikation, Reduktion auf eine Fläche von 5x10 cm mit einem Bildschirm. Parallelen zum Kapselhotel?

 

 
 
 

 

 

Quellenangaben: 

[1] Online: http://dictionary.sensagent.com/capsule%20hotel/en-en/, abgerufen am 5.1.2017

[2] Online: https://tokyocheapo.com/accommodationcat/capsule-hotel-tokyo-guide/, abgerufen am 5.1.2017

[3] Online: http://www.nachjapanreisen.de/kapselhotel-capsule-hotels/, abgerufen am 5.1.2017

 

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