Transhumanismus - Die Zukunft der Besseren Menschen


"Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch - ein Seil über einem Abgrund."
- Friedrich Nietzsche

"The Human species can, if it wishes, transcend itself ? not just sporadically, an individual here one way, an individual there in another way, but in its entirety, as humanity. [...] man remaining man, but transcending himself, by realizing new possibilities of and for his human nature."
(Huxley 1957: 17)

Während die natürliche Evolution - bestimmt durch natürliche Auslese, Anpassung, Nischenfindung, Mutationen, etc. - in Zeiträumen abläuft, die der Mensch in seiner zehntausenjährigen Zivilisationsgeschichte nicht mal ansatzweise erreicht, fordert der Transhumanismus eine bewusst vom Menschen gemachte Entwicklung, einen aktiv vollzogenen Schritt, sowohl mental als auch physisch, passiv adaptierend und domestizierend, eine gesteuerte Evolution des Menschen und seiner Umwelt.

Der Weg dazu liegt in der Technologie:
Genetic Engineering, Augmented Intelligence, Robotik, Human Modification oder auch nur simple Medikation sind Ausdruck dieser Vorgänge, die schon jetzt einen Blick in eine Zukunft werfen lassen, die sich radikal von den letzten Jahrtausenden unterscheiden wird.

Im Gegensatz zum Posthumanismus, der philosophisch die Auffassung vertritt, dass irgendwann die Technologie ? sei es nun in Form von Robotik oder künstlicher Intelligenz ? die Menschheit ersetzen wird (vgl. Krüger 2007), sieht der Transhumanismus die Technologie als Erweiterung des Menschen:

"Pragmatischer als im Posthumanismus wird hier über konkrete technische Maßnahmen aus der Nanotechnik, den Neurowissenschaften, der Pharmazie und der Kybernetik zur Erweiterung (enhancement) aller mentalen und physischen Fähigkeiten des Menschen diskutiert. Der Transhumanismus bleibt letztlich anthropozentrisch, da nicht ein Ablösung des Menschen durch künstliche Lebensformen angestrebt wird, sondern eine Verschmelzung mit der Technik − man könnte hier von der Cyborgisierung des Menschen reden."
(Krüger 2007: 1)

Eine andere Erklärung der transhumanistischen Ideologie lautet:

"Transhumanism is a blanket term given to the school of thought that refuses to accept traditional human limitations such as death, disease and other biological frailties. Transhumans are typically interested in a variety of futurist topics, including space migration, mind uploading and cryonic suspension. Transhumans are also extremely interested in more immediate subjects such as bio- and nano-technology, computers and neurology. Transhumans deplore the standard paradigms that attempt to render our world comfortable at the sake of human fulfilment."
(More 2005, zit. n. McNamee/Edwards 2006: 1)



Damit wäre auch eine ungefähre Definition des Transhumanismus gemacht. Ungefähr deshalb, weil er nicht als homogene Ideologie angesehen werden kann: zu entgegengesetzt sind die internen Strömungen, zu widersprüchlich und mannigfaltig die Ziele derselben:

Während zum Beispiel der Immortalismus die Unsterblichkeit des Menschen durch Gentechnik und Medizin erreichen will, geht ein eng mit den IKTs verwandter Ansatz sogar soweit, innerhalb der nächsten 90 Jahre die Möglichkeit des "Uploadens" menschlicher Persönlichkeiten in die Cloud zu prognostizieren (vgl. Krüger 2007: 6ff).

Natürlich gibt es auch Kritik am Transhumanismus, so wie an jedem Weltbild, das radikal und transzendent ist.
Vor allem aus der humanistischen Perpektive, die sich auch in der kritischen Theorie finden lässt, gibt es Tendenzen einer Ablehnung gegenüber technisierter Entwicklung des Menschen.
Schon Herbert Marcuse sieht die hochentwickelte Technologie-Gesellschaft nicht etwa als Ausgangspunkt für weitere Entwicklungen sondern als Manifestation der kapitalistischen Ideologie als Gesellschaftsform (vgl. Marcuse 1984). Der heutige Entwicklungsstand der Technologie führt laut ihm zu einer Unfreiheit des Menschen, eine Entfremdung von einer Mitwirkung im politischen und sozialen Prozess und die zukünftigen Entwicklungen zu einer immer größeren Form dieser Unfreiheit:

"Die bequeme, glatte, vernünftige, demokratische Unfreiheit, die in der hochentwickelten Industriekultur herrscht, scheint ein Zeichen des technischen Fortschritts zu sein."
(Marcuse 1984: 328)

Aber auch aus einer anderen Ecke wird der Transhumanismus kritisiert: Francis Fukuyama, vor allem Dingen bekannt geworden durch seine Aussage, der Kapitalismus in seiner heutigen Form sei das "End of History" (Fukuyama 1992) und damit positivistisch zu behandeln und untersuchen (quasi absolut zu setzen), geht in einem anderen Aufsatz darauf ein, das der Transhumanismus als "die größte Gefahr der heutigen Menschheit" zu sehen ist.

Doch wie ist diese Kritik einzuordnen? Während Fukuyamas Ansatz als positivistisch, systemimmanent, bürgerlich-libertär und gleichzeitig konservativ zu sehen ist, ist die Kritik der Frankfurter Schule, vor allem da sie im Endeffekt aus der Aufklärungsbewegung des Bürgertums in Verbindung mit einer marxistischen Perspektive hervorgeht, schwerer einzuordnen: Eigentlich fordert ja schon Marx - zwar aus materialistischer Sicht - eine Weiterentwicklung der Umwelt des Menschen, aber dadurch logischerweise auch eine Weiterentwicklung des Individuums und der gesamten Menschheit, was eine Einordnung als transhumanistisch zulassen würde:

"Die sozialen Verhältnisse sind eng verknüpft mit den Produktivkräften. Mit der Erwerbung neuer Produktivkräfte verändern die Menschen ihre Produktionsweise, und mit der Veränderung der Produktionsweise, der Art, ihren Lebensunterhalt zu gewinnen, verändern sie alle ihre gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Handmühle ergibt eine Gesellschaft mit Feudalherren, die Dampfmühle eine Gesellschaft mit industriellen Kapitalisten."
(Marx 1872)

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Verwendete Literatur:

Huxley, Julian (1957). Transhumanism. London, England: Chatto & Windus.

Krüger, Oliver (2007): Die Vervollkommnung des Menschen. In: Transit Vol. 33 (2007). Online unter (23.3.2012): http://www.eurozine.com/articles/2007-08-16-kruger-de.html

McNamee, MJ / Edwards SD (2010): Transhumanism, medical technology and slippery slopes. In: J Med Ethics 2006: 32. Online unter (3.6.2011): http://jme.bmj.com/content/32/9/513.abstract

Marcuse, Herbert (1984): Über das Ideologieproblem in der hochentwickelten Industriegesellschaft. In: Lenk, Kurt (Hrsg): Ideologie: Ideologiekritik u. Wissenssoziologie. Frankfurt a. Main / New York: Campus Verlag. 320-341.

Marx, Karl (1872): Das Kapital. Köln: Anaconda Verlag.

Nietzsche, Friedrich (1901): Also sprach Zaratusthra. Leipzig: C.G. Naumann.

Vance, Ashlee (2010): Merely Human? That?s So Yesterday. In: New York Times. Online unter (23.3.2012): http://www.nytimes.com/2010/06/13/business/13sing.html?ref=science&pagewanted=all