Dienstag, 12. Juni 2012
Was kommt, was bleibt...

Nicht nur wir in unserem Kurs fragen uns, was kommt und was bleibt, was die Zeit bringen wird in den nächsten fünf, zehn oder zwanzig Jahren. Auch Futurologen, Zukunftsforscher, Techniker, Ingenieure und Informatiker stellen sich die gleiche Frage Jahr für Jahr am von der TU Dresden ausgerichtetem IEEE- Time Machine Kongress.

Auf Heise.de findet sich darüber ein interessanter Artikel, der im Grunde zeigt, dass sich nicht mal Zukunftsforscher eine Vorhersage über die nächsten zehn Jahre zutrauen. 




Montag, 2. April 2012
Technikdeterminismus - die passive Perspektive


"Technological determinism ist probably the most common way in which the relationship between technology and society is conceived [?]. By technological determinism is meant the notion that technology shapes society, that technology is an independent factor, somehow outside society and that technological change causes and is responsible for social change."
(MacKay 2002: 29)

Der Technikdeterminismus kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, was bei einer Theorie, die zumindest auf den ersten Blick durch viele historische Beispiele belegt werden kann, nicht ungewöhnlich ist. Es ist auch unbestreitbar, dass Technologien, Technisierungen und technische Innovationen einen sozialen Einfluss haben, bis hin zu einer Transzendenz eines bestehenden Gesellschaftssystem (vgl. Marx/Smith 1994): die Gutenberg'sche Innovation des Buchdrucks war ein Katalysator der Reformation in Europa und damit letztendlich des bürgerlichen Kapitalismus, die Einführung des Fordismus führte zum heutigen ökonomischen System, die neuen IKTs führten zu Globalisierung, etc.

Aus Sicht der Soziologie kann man den Technikdeterminismus in zwei grundsätzliche Richtungen aufteilen, wobei eine die Entstehung der Technik behandelt, die andere die Verwendung derselben:
Zum einen gibt es die Annahme eines sog. "genetischen Technikdeterminismus", der die Auffassung vertritt, dass technischer Wandel und Fortschritt in sich selbst bestimmt sind, und dessen Entwicklung und Auswüchse einer natürlichen Logik folgen (vgl. Schulz-Schaeffer 2000: 21).
Dadurch wird die Entwicklung der Technik nicht nur von der Gesellschaft und ihren soziologischen und symbolisch-interaktionistischen Bedeutungszuweisungen abgetrennt - oder simpel von deren Bedürfnissen gesteuert -, sondern als autonom dargestellt, als einen durch ihm eigenen innewohnenden Evolution bestimmten Verlauf an Entwicklungen. Das dabei ausschlaggebende Prinzip ist die Effizienzsteigerung der technischen Entwicklungen, ein "verselbstständigt[er] Automatismus, der sich ausschließlich am internen Rationalitätsmuster des 'one best way' [...] orientiert." (Krohn/Rammert 1985/1993: 83, zit. n. Schulz-Schaeffner 2000: 22).
Somit wird - reduziert auf das Wesentliche - eine Art Eigenleben der Technik angenommen, die nicht bestimmt von sozialen Bedürfnissen in einer Art natürlichen Evolution die bestehenden technischen Vorgänge immer effizienter macht und sie damit rationalisiert - und damit zu neuen technischen Entwicklungen führt.

Die andere Denkrichtung ist der "konsequentielle Technikdeterminismus", der im Gegensatz zum genetischen die technischen Entwicklungen in Beziehung mit den gesellschaftlichen Bedürfnissen setzt, der Technik aber immer noch die Rolle des Auslöser des sozialen Wandels zuschreibt.
Marx und Smith (vgl. 1998) differenzieren diese Richtung mit den Begriffen "hard" und "soft":

"At the 'hard' end of the spectrum, agency (the power to effect change) is inputed to technology itself, or to some intrinsic attributes; thus the advance of technology leads to a situation of inescapable necessity. In the hard determinits' vision of the future, we will have technologized our ways to the point where [...] our technologies permit few alternatives to their inherent dictates."
(ebd.: xii)


(Abbildung: "Hard-Technodeterminism")

Der Ansatz des "soft"-Technikdeterminismus, sieht die Technologie hingegen nicht als monokausalen Auslöser für soziale Transformation, sondern fügt auch eine gesellschaftliche Ebene in die Definition ein:

"Instead of treating 'technology' per se as the locus of historical agency, the soft determinists locate it in a far more various and complex social, economic, political, and cultural matrix'
(ebd.: xiii)


(Abbildung: "Soft-Technodeterminism")

Trotz dieser verschiedenen Ansätze bleibt allen Richtungen des Technikdeterminismus zu eigen, dass sie Technologie immer als Auslöser, als Primat in einem linearen System von Kausalität sehen. Die Gesellschaft kann, wenn überhaupt, nur passiven Einfluss darauf nehmen, eine direkte Beeinflussung ist nicht möglich.

Zusammengefasst ist der Technikdeterminismus wie folgt zu definieren (vgl. MacKay 2002: 32):
- der gebräuchlichste Weg, das Verhältnis Gesellschaft-Technologie zu beschreiben
- weist der Technologie die Rolle des Erstauslöser zu
- hat verschiedene Differenzierungen (genetischer, konsequentieller Technikdeterminismus, hard, soft, etc.)
- führt zu einer einseitigen Behandlung der Effekte und generiert damit Passivität gegenüber Technologie selbst
- steht ihm Widerspruch zur Social Shaping of Technology-Ansatz

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Verwendete Literatur:

MacKay, Hugh (2002). Investigating Information Society. London, England: Routledge.

Schulz-Schaeffner, Ingo (2000): Sozialtheorie der Technik. Frankfurt/Main: Campus Verlag.

Smith, Merrit Roe / Marx, Leo (1994) (Hrsg.): Does Technology Drive History? The Dilemma Of Technological Determinism. London, England: MIT-Press.



Technologie - eine Definition


Das Begriffsfeld "Technologie", in dem sich sowohl der Social Shaping of Technology-Ansatz als auch der Technikdeterminismus bewegen, ist breit gefächert und mehr als uneindeutig:
Technik, Technologie, Technisierung, technische Innovation, technischer Wandel, etc.

Technologie, als Sammelbegriff gesehen, kann im Grunde in drei Bereiche und Bedeutungen aufgeteilt werden:

"First, there is the level of physical objects or artifacts, for example, bicycles, lamps, and Bakelite. Second, 'technology' may refer to activities or processes, such as making steel or molding. Third, 'technology' can refer to what people know as well as what they do; an example is the 'know-how' that goes into designing a bicycle or operating an ultrasound device in the obstetrics clinic."
(vgl. Bijker/Hughes/Pinch 1987: 4)

Technologie ist also sowohl angewandtes, methodisiertes und standartisiertes Wissen, Prozesse, die auf dem Wissen und Verstehen ihrer Grundlagen basieren, aber auch technische Apparate, sogenannte Artefakte.

Technische Artefakte zeichnen sich auch durch gewisse Eigenschaften aus, die sie erst zu Technologie machen (vgl. Schulz-Schaeffer 2000: 139):

- Determiniertheit (bei gleichen Anfangsbedingungen, gleiches Verhalten)
- Heteronomie (keine selbstständige Veränderung)
- Sinnverschiebung (Sinn des Ablaufs liegt im Zweck)
- Sinnentlastung (Wissen, wie das Verfahren funktioniert, zur Nutzung unnötig)
- Robustheit (Funktion unter veränderten Umweltbedingungen möglich)

"Der Begriff der Technisierung beschreibt eine Methode, in der ursprünglich verstandene Zusammenhänge in Regeln [?] [gefasst sind], die dann angewandt werden können, ohne auf den der Regelformulierung zu Grunde liegenden Ursprungssinn rekurrieren zu müssen"
(Schulz-Schaeffer 2000: 44).

Technisierung ist also die Sinnentlastung und -Verschiebung - im Marx'schen Sinne die Entfremdung - von Wissen hin zu einer standardisierten Methode, um dieses Wissen, ohne es verstehen zu müssen, anzuwenden. Dazu gehört nun sowohl Technologie im Sinne von Prozessen aber auch im Sinne von technischen Artefakten.



Eine weitere Grundfrage ist - und diese führt eigentlich schon zum Scheidepunkt zwischen Technikdeterminismus und Social Shaping Of Technology - ob Technologie und ihre Entwicklung nun außerhalb oder innerhalb einer gesellschaftlichen Dimension steht:
Ist Technik ein losgelöster, eigenständiger Bereich, oder aber - und damit wäre er bedingt dadurch - nur ein weiterer Faktor in einer Ebene der Gesellschaft?

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Verwendete Literatur:

Bijker, Wiebe E. / Law, John (1992) (Hrsg.): Shaping Technology / Building Society. MIT-Press: London, England.

Schulz-Schaeffner, Ingo (2000): Sozialtheorie der Technik. Frankfurt/Main: Campus Verlag.