Klenk & Hoursch: Telling the Backstory - Transparenz in globalen Wertschöpfungsketten
andreas.gruber.uni-linz, 5. Dezember 2016, 21:27
Die Rolle von Transparenz in globalen Wertschöpfungsketten
Eine Neupositionierung in Hinblick auf Nachhaltigkeit ist für viele Unternehmen ein steiniger und langwieriger Weg. Internationale Wertschöpfungsketten zu verändern, zu steuern und dem steigenden Stakeholderdruck insbesondere im Hinblick auf Transparenzanforderungen gerecht zu werden, sind die großen Herausforderungen. Produktionsstandards, Qualitätsprozesse und Arbeitsbedingungen müssen nicht nur überwacht und korrigiert, sondern auch transparent kommuniziert werden. Wer Schwächen offenbart, Kritik aufnimmt und glaubwürdig aufzeigt, dass er bereitwillig an der Beseitigung von Schwachpunkten arbeitet, der baut Vertrauen auf. Wer Schwächen vertuscht, sich verschließt und nicht systematisch und nachvollziehbar an der Lösung seiner Probleme arbeitet, der hangelt sich von Vertrauenskrise zu Vertrauenskrise.
Anforderungen von Kunden und Verbrauchern an die Sichtbarkeit globaler Werschöpfungsketten
Eine Transparenz-Studie (2012) ergab, dass 82% der Deutschen sich wünschen, das Unternehmen transparenter werden, 80 % würden sogar strengere gesetzliche Regelungen dahingehend unterstützen. Einzelne Stakeholder vernetzen sich heute im Internet, um entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette kritisch zu analysieren und zu bewerten. Defizite werden öffentlich gemacht, Unternehmen verklagt und Veränderungen gefordert. Wer die Forderungen der Stakeholder nicht erfüllt, muss mit negativen Folgen für die Reputation rechnen.
Auch das Bewusstsein der Verbraucher für die Lieferkette, die hinter einem fertigen Produkt steht, steigt stetig. Vor allem die Bereiche Lebensmittel, Textil und Elektronik stehen besonders im Fokus. Heute will man wissen, woher die Kleidung stammt, wie das Gemüse angebaut wird und wie viel Geld ein Arbeiter bekommt, der das Smartphone zusammenbaut. Verbraucher erwarten von Großkonzernen die Einhaltung von Umweltstandards und fairen Arbeitsbedingungen. Ansonsten drohen Imageverluste.
Freiwillige Transparenz operationalisieren, um Risiko zu reduzieren un den Unternehmenswert zu steigern
Schritt 1: Chancen und Risiken ermitteln, gewichten und abwägen
Zunächst gilt es, die Chancen und Risiken zu ermitteln, zu gewichten und abzuwägen:
--> Analyse der direkten Wettbewerber
--> Analyse möglicher Wettbewerbsvorteile durch mehr Transparenz
--> Analyse von Risikoszenarien bei wachsenden Druck durch Politik, NGOs, Verbraucher und Mitarbeiter
--> Empfehlungen ableiten
Oft gründen Unternehmen, die mit einer Vielzahl von Lieferanten und Sublieferanten in ihrer Lieferkette operieren, Brancheninitiativen oder arbeiten mit Stakeholder-Organisationen vor Ort zusammen. Diese sollen Lieferanten und Zulieferer, Arbeitsbedingungen und Umweltstandards überprüfen und kontrollieren.
Schritt 2: Fundierte Stakeholder Analyse
Die Befragung der Anspruchsgruppen liefern nicht nur Erkenntnisse zu konkreten Anforderungen an die Nachhaltigkeitsperformance eines Unternehmens, sondern auch darüber, welchen Grad an proaktiver oder passiver Transparenz erwartet wird. Darüber hinaus gilt es zu analysieren wie wichtig bestimmten Stakeholdern Transparenz generell ist. Denn Kunden differenzieren sehr stark nach Branche und Prokuktkategorie. Viel Wert wird auf die Bereiche Geld, Gesundheit oder Ernährung gelegt.
Schritt 3: Entwicklung einer Transparenzstrategie
Auf Basis der Stakeholder-Analyse entsteht eine Transparenzstrategie, die festlegt, zu welchen Themenfeldern und zu welchen Prozessen der Lieferkette das Unternehmen welche Stakeholdern welche Informationen bereitstellt und welche Stakeholder in Dialogprozessen daran beteiligt werden.
Schritt 4: Kommunikationsplanung
Nun kann die kurz- und mittelfristige operative Kommunikationsplanung erfolgen. Das Kommunikationsmanagement ist dabei gefordert, die eigene Arbeit in messbare Größen zu definieren. Die quantitativen und qualitativen Ergebnisse der Evaluation müssen in regelmäßigen Abständen an das Management zurückgespielt und im Planungskreislauf berücksichtigt werden.
Die richtige Kommunikation ist entscheidend
Zwischen Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitskommunikation gilt es eine Lücke zu schließen um in weiterer Folge einen glaubwürdigen und zielführenden Stakeholderdialog zu erzeugen. Die ständige Rückkoppelung zwischen Kommunikation und Management ist die Voraussetzung für einen transparenten Dialog.
Um in einen aktiven Dialog mit externen Stakeholdern zu treten, gilt es jedoch zuerst die Kommunikation nach innen zu richten. Durch Überzeugung von Führungskräften und Mitarbeitern von der Richtigkeit der neuen Strategie gilt es interne Vorbehalte auszuräumen und einen umfassenden Wandel im Denken und der Unternehmenskultur einzuleiten. Vielmehr sollte das Personal aktiv in die Gestaltung dieser Prozesse eingebunden werden. Erst dann sollte auch mit den externen Stakeholdern ein aktiver Dialog in Gang gesetzt werden.
Den weiteren Weg zu mehr unternehmerischer Transparenz beschreiben Lahme und Klenk in einem Stufenmodell:
In einem ersten Schritt (Tell you) stellen Unternehmen ihren Stakeholdern sukzessive mehr Informationen zur Verfügung, auch zu kritischen Themenfeldern. Danach beteiligen sie ihre Anspruchsgruppen am Prozess hin zu mehr Transparenz (Ask you) um mehr Vertrauen herzustellen. In einer dritten Entwicklungsstufe (Show you) werden Unternehmen den Stakeholdern Möglichkeiten bieten, sich von der Unternehmensrealität zu überzeugen und die Aussagen des Unternehmens zu überprüfen. Sei es persönlich direkt vor Ort oder auch medial vermittelt.
Warum sich freiwillige unternehmerische Transparenz bezahlt macht
Wer Transparenz schafft, schafft Vertrauen. Dieses Vertrauen ist Voraussetzung für eine kraftvolle Reputation. die wiederum einen messbaren Betrag zum Unternehmenserfolg leisten kann.
Wichtig: Dies gilt nur für freiwillige Transparenz, denn wer nur unter dem öffentlichen Druck externer Akteure Transparenz herstellt, wird keinen Vertrauens- und Reputationsgewinn erfahren.
Wie stark sich mittlerweile die Transparenzerwartungen der Anspruchsgruppen unmittelbar im Konsum niederschlagen, wurde in der Transparenzstudie 2012 abgefragt. Nach wie vor sind Qualität und Preis am wichtigsten bei Kaufentscheidungen. Aber: Transparenz entwickelt sich aus Konsumentensicht mehr und mehr zum Kaufkriterium. Bereits 22% der Deutschen sehen im Faktor Transparenz ein wichtiges Kaufargument.
Fazit und Ausblick
Für Unternehmen, die ihre Wertschöpfungskette optimieren und Transparenz herstellen wollen, lassen sich fünf wesentliche Empfehlungen ableiten:
· möglichst transparent sein: Die Transparenztreiber zwingen Unternehmen ohnehin zum gläsernen Handeln
· proaktiv sein: Selbst Gespräche suchen, bevor sie durch Druck und öffentliche Auseinandersetzungen erzwungen werden
· Beziehungen nachhaltig pflegen: Auch in vermeintlich ruhigen Zeiten Gespräche aufrechterhalten
· Mitarbeiter einbinden: Sie sind die wichtigsten Stakeholder und Botschafter
· Vorbereitet sein auf alle Eventualitäten: Riskio- und Krisenszenarien entwickeln für das Scheitern von Verhandlungen und Gesprächen
Aus meiner Sicht ist Transparenz bei Unternehmen in der heutigen Zeit ein wesentlicher Schritt zur Gleichberechtigung zwischen Unternehmen und Konsumenten und in Zukunft nicht mehr wegzudenken. Jeder Bürger wird durch das Internet und das damit verbundene Datensammeln zum gläsernen Konsumenten. Warum also sollte es dann auch nicht umgekehrt sein. Wir Bürger müssen ebenso das Recht darauf haben Bescheid zu wissen über die Wertschöpfungsketten jener Unternehmen, von denen wir die Produkte kaufen. Diese Gleichsetzung auf eine Ebene wird früher oder später dazu führen, dass nur solche Unternehmen auf Dauer Erfolg haben werden, die bereit dazu sind, den steinernen Weg zu Transparenz und Nachhaltigkeit zu gehen.
irena.grbic.uni-linz, 6. Dezember 2016, 14:48
Ich bin ebenfalls der Meinung, dass die Bedeutung Transparenz für Unternehmen und somit auch für Konsumenten stetig wächst. Für den Käufer ist es wichtig zu wissen unter welchen Bedingungen etc. die Produkte erzeugt werden. Kann sich der Kunde mit den Vorgehensweisen eines Unternehmens nicht identifizieren, kann dies natürlich dazu führen, dass das Produkt nicht bekauft wird bzw. sich der Kunde von dem jeweiligen Unternehmen distanziert.
Mehrwert durch Transparenz kommunizieren
inga-kristin.grosser.uni-linz, 6. Dezember 2016, 21:48
Eie Studie von Thomas Rudolph, Professor an der Universität St. Gallen, hat das Potential transparenzfördernder Information bezüglich der Lieferkette anhand eines Online-Lebensmittelhändlers in der Schweiz untersucht. Transparente Kommunikation über die Herkunft, die Verwendung von Antibiotika, Angaben zur Genmodifikation, dem Transport und Verpackung führte zu einer erhöhten Zahlungsbereitschaft der Kunden, wenn die Aspekte mit ihren persönlichen Präferenzen übereinstimmten. Sein Fazit: Derzeit verschenkt der Lebensmitteleinzelhandel Geld, wenn er über originäre Eigenschaften des Produkts, der Nachhaltigkeit etc. nicht transparent kommuniziert.
Transparenz als Wettbewerbsvorteil
kerstin.wasmeyer.uni-linz, 6. Dezember 2016, 21:57
Ich stimme mit deinem Artikel sehr überein, dass die Konsumenten sich mehr Transparenz wünschen - gerade in Bezug auf Informationen zu den Produkten.
Interessant ist, dass wie auch in meinem Artikel und einem der Artikel einer Kollegin immer wieder davon gesprochen wird, das Transparenz wettbewerbsfördernd wirkt. Dein Artikel greift daher schön auf, wie wichtig eine Stakeholderanalyse zu diesem Thema ist. Ich denke eine transparente Kommunikation ist zeitgemäß und sollte daher auch von den Unternehmen gelebt werden.
Unterschieden sollte werden, ob Informationen für die Stakeholder relevant sind und ob diese für den Markt positiv sind.
Müssen Unternehmen transparent sein?
stevan.milic.uni-linz, 6. Dezember 2016, 23:47
Das lässt sich am besten anhand eines Beispiels erklären:
Lidl geriet in Bedrängnis als die Spitzelaffäre öffentlich wurde. Lange Zeit wurde der Fehler totgeschwiegen, daraufhin machten die Kunden einen Bogen um Lidl und der Absatz stagnierte drastisch. Wäre das Unternehmen offener und ehrlicher mit dem Fehler umgegangen, dann hätte sich der Schaden womöglich in Grenzen gehalten.
Amazon dagegen überstand den Shitstorm mit einer Teflonstrategie (Kritik wird ignoriert).
Meine Antwort auf die Frage "Müssen Unternehmen transparent sein?" lautet daher JEIN. Es kommt auf die Situation an und ob es sich bei dem Unternehmen um einen Big Player handelt.