Datenschutz Beitrag zum Thema Section Control und Datenschutz
doris.hohensinger.uni-linz, 11. Jänner 2016, 17:12
Laut ASFINAG (2015) wurde die erste Section Control Anlage in Österreich 2003 beim Kaisermühlentunnel auf der A22 in Betrieb genommen. Der Einsatz wird mit der Sicherung und Entschärfung von gefährlichen Streckenabschnitten begründet. Solche Streckenabschnitte sind insbesondere Tunnelanlagen, Baustellen und gefahrenreiche Freilandstrecken, die oft mit überhöhter Geschwindigkeit befahren werden. Hierbei gibt es laut ASFINAG (2015) stationäre, also fix eingebaute, aber auch mobile Section Control Anlagen, die die Geschwindigkeit nicht punktuell sondern über einen vordefinierten Streckenabschnitt aufzeichnen. Dadurch ist die Section Control effektiver als die punktuelle Überwachung der Geschwindigkeit über Radaranlagen. Sie führt laut ASFINAG (2015) zu „einer Anpassung der Geschwindigkeit und zu einem Rückgang der Unfallzahlen“. Das Fahrzeug wird samt Kennzeichen und Durchfahrtszeitpunkt bei der Einfahrt und bei der Ausfahrt des Überwachungsabschnitts aufgenommen. Durch die aufgezeichneten Daten kann die Durchschnittsgeschwindigkeit abzüglich etwaiger Messtoleranzen errechnet werden. Falls die vorgeschriebene Geschwindigkeit überschritten wurde, werden die aufgezeichneten Daten gespeichert, andernfalls werden sie gelöscht.
ASFINAG (2015) weist explizit darauf hin, dass alle datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden und nur die Exekutive Zugriff auf die aufgezeichneten Geschwindigkeitsübertretungsdaten erhält, diese auswertet und der Bezirkshauptmannschaft bzw. dem Magistrat zur Strafverfolgung weiterleitet. Die ASFINAG hat unterdessen nur Zugriff auf Betriebsdaten der Section Control Anlagen wie beispielsweise Störungsmeldungen, nicht aber Zugriff auf die Geschwindigkeitsdaten.
In der Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshof Österreich (2015) werden folgende Punkte genannt, die im Zusammenhang mit dem Datenschutz und der Section Control Überwachung stehen. Nur wenn diese Punkte erfüllt sind, so ist die Section Control zulässig:
- Es besteht die Verpflichtung, alle jene Daten, aus denen kein Vorwurf der Geschwindigkeitsübertretung abgelesen werden kann, unverzüglich zu löschen.
- Die Überwachung einer "bestimmten Wegstrecke", wie es im Gesetz heißt, mittels eines automatischen Geschwindigkeitsmesssystems ist nur dann erlaubt, wenn diese Wegstrecke räumlich und möglicherweise auch zeitlich genau definiert ist. Der überwachte Abschnitt darf nicht beliebig gewählt werden, sondern muss eine besondere Notwendigkeit der Überwachung, also eine besondere Gefahrensituation, aufweisen.
- Jede "bestimmte Wegstrecke", die per Section Control überwacht werden soll, muss aus Gründen des Rechtsschutzes vom Verkehrsminister durch Verordnung, die die oben genannten Kriterien erfüllt, angeordnet werden. Die Datenerhebung muss für die betroffenen Kraftfahrer vorhersehbar sein und allenfalls auch angefochten werden können.
Kritiker sehen in der Section Control eine Verletzung des Datenschutzrechtes, da jedes Auto aufgezeichnet wird, auch wenn keine Geschwindigkeitsübertretung vorhanden ist (N24, 2015). Somit wird jeder Fahrer von vornherein als potenzieller Verkehrssünder behandelt. Die Daten werden zwar „unverzüglich“ gelöscht und nur Übertretungsdaten werden gespeichert und den Behörden zur Strafverfolgung weitergegeben, dennoch ist eine kurzfristige Speicherung aller Daten notwendig, um etwaige Geschwindigkeitsübertretungen zu errechnen. Eine Totalüberwachung wäre dadurch potentiell möglich.
Oppitz (2011) klagt an, dass sich der Datenschutz zu verselbstständigen droht. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird in den Fällen von Rasterfahndung, Erhebung von Telefonverbindungsdaten, Online-Durchsuchungen, Vorratsdatenspeicherung und auch im Falle einer Section Control und weiteren Fällen berührt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gibt an, „selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen“ und gilt als Befugnis „grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“. Dieses Recht ist laut Oppitz (2011) insbesondere im Zeitalter der Informationstechnologie erforderlich, da die Möglichkeit besteht, Daten zu speichern und mit großen Datenmengen zu verknüpfen.
Max Schrems, der angehende Jurist, der seit Jahren den Kampf gegen Facebook hinsichtlich Datenschutz aufgenommen hat, wurde im Magazin Auto Touring (2015) zum Thema Datenschutz und Fahrzeug interviewt. Bezeichnend ist seine Aussage: „Ob Facebook oder Auto: Unternehmen wollen alles über uns wissen – zu ihrem, nicht zu unserem Vorteil“ (Auto Touring, 2015). Denn die Hersteller mögen möglichst viel über ihre Kunden wissen, um möglichst viel Gewinn zu machen. Vor dem Hintergrund, dass neue Fahrzeuge in Europa ab 31. März 2018 mit dem E-Call-System ausgestattet sein werden, welches nach dem Öffnen des Airbags automatisch den europäischen Notruf 112 absetzt und Fahrzeug- und Standortdaten übermittelt, wird die Gefahr der permanenten Überwachung im Auto immer lauter (DerStandard, 2015). Während man bei der Section Control zumindest den Eintritts- und den Endpunkt der Überwachung weiß, ist man bei den Neuwägen ab 2018 potentiell permanent „überwacht“. Überwacht schreibe ich in diesem Fall in Anführungszeichen, da es offiziell nicht um eine Überwachung geht, sondern um die Sicherheit der Personen - bei der Section Control genauso wie bei eCall. Aktuell wird auf EU-Ebene eine neue Datenschutz-Verordnung erarbeitet, wobei sich die Mehrheit der Mitgliedsstaaten dafür einsetzt, dass die Industrie die aufgezeichneten Daten auch gegen den Willen der Bürgerinnen und Bürger nutzen können (Auto Touring, 2015). Max Schrems hebt hierbei die sogenannte Zweckbindung hervor. Durch ein Auflassen der Zweckbindung wäre es möglich, dass Daten nicht mehr nur für den ursprünglichen Zweck, sondern auch für andere Zwecke eingesetzt werden dürften. Navigationsdaten könnten an Versicherungen gehen, wobei nicht nur Temposünder betroffen wären. Wenn das Auto beispielsweise häufig in zwielichtigen Gegenden parkt, könnte eine Versicherung höhere Versicherungssätze verlangen. Max Schrems weist in Auto Touring (2015) auf einige Fragen hin, die zu klären sind: Gehören die aufgezeichneten Daten dem Sofwareanbieter, dem Autohersteller oder dem Fahrzeugbesitzer? Werden die Daten physisch im Fahrzeug oder in der Cloud gespeichert? Wer darf die Daten auslesen? Ist die Software offen und mit offenen Schnittstellen versehen? Können Fahrzeughalter die Daten bei einem Fahrzeugwechsel übertragen?
Technisch gesehen könnte man Section Control Anlagen hacken und die kurzfristig gespeicherten Daten abfangen und in einer eigenen Datenbank längerfristig speichern. Das ist eine Gefahr, die durchaus besteht. Ich selbst finde trotzdem, dass die Section Control eine effektive Maßnahme ist, um die Geschwindigkeit zu reduzieren. Doch vor dem Hintergrund des automatischen Notrufsystems eCall, das wie weiter oben erwähnt ab 2018 in Europa in allen Neuwagen verpflichtet und unausschaltbar eingebaut ist, wird das Thema Datenschutz von Fahrzeugdaten immer präsenter und in den nächsten Jahren noch mehr werden. Hier führen wir in unseren Fahrzeugen beispielsweise einen Sender mit, der offiziell zwar nur im Notfall (beim Öffnen des Airbags) einen Notruf absetzt, doch auch hier wird Technik eingesetzt, die missbräuchlich verwendet werden könnte. Geheimdienste könnten Interesse daran haben, aber auch Versicherungen wie im Artikel von DerStandard (2015) erwähnt wird. Durch das Mitführen des GPS, könnten so auch Geschwindigkeitsdaten eruiert werden. Ich persönlich finde den grundsätzlichen Geist hinter dem System zwar sinnvoll, doch bedenke ich das unermessliche Sammeln an Daten sehr und fürchte, dass wir Bürgerinnen und Bürger nicht immer alles wissen, wozu solche Geräte bzw. die dadurch gesammelten Daten noch eingesetzt werden. Die Section Control ist hinsichtlich Überwachung meiner Meinung nach nur der Anfang.
Quellen:
ASFINAG (2015). Vorbeugen hilft: Section Control schafft Tempodisziplin. URL: http://www.asfinag.at/unterwegs/verkehrssicherheit/massnahmen (abgerufen am 20.12.2015)
Auto Touring (2015). Kämpfen wir um unsere Daten. URL: https://www.oeamtc.at/autotouring/15-10-2015/kaempfen-wir-um-unsere-daten/10.599.718 (abgerufen am 21.12.2015)
DerStandard (2015). Autonotruf "E-Call" ab 2018 in allen Neuwagen Pflicht. Artikel vom 18.04.2015. URL: http://derstandard.at/2000014982338/Autonotruf-eCall-verpflichtend-ab-2018-in-alle-neue-Pkw (abgerufen am 20.12.2015)
N24 (2015). Geschwindigkeitskontrolle in der Kritik. Section Control ermöglicht Totalüberwachung. URL: http://www.n24.de/n24/Mediathek/videos/d/6175230/section-control-ermoeglicht-totalueberwachung.html (abgerufen am 20.12.2015)
Oppitz, F. (2011). Persönlichkeitsrechte statt Datenschutz. URL: http://momentum-kongress.org/cms/uploads/documents/Beitrag_Oppitz16_5_2011_0542.pdf (abgerufen am 20.12.2015)
Verfassungsgerichtshof Österreich (2015). Einsatz der Section Control nur unter bestimmten Bedingungen zulässig. URL: https://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/6/8/6/CH000 4/CMS1183626526261/presseinformation_vk_sectioncontrol.pdf (abgerufen am 20.12.2015)
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