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Sonntag, 29. Februar 2004
Das Internet - ein demokratieförderndes Element in der politischen Öffentlichkeit?
manuela.schoepfer.salzburg, 12:23h
„Vom Internet wird in demokratiepolitischer Hinsicht viel erwartet, so auch, dass es eine direkte Demokratie wie die der Polis von Athen durch seine technischen Möglichkeiten auf viruteller Ebene zu neuem Leben erweckt und damit die ganze, von Massenmedien und Fernsehen geprägte Mediendemokratie hinter sich lässt. (Meyer 2001, 177)
Große Erwartungen werden an das Internet herangetragen. Von der hierarchischen One-to-many-Struktur zur horizontalen Many-to-many-Struktur soll das Netz die Demokratiedefizite der Mediendemokratie überwinden und hin zu einer symmetrischen Kommunikation zwischen allen Öffentlichkeiten führen. Das Internet soll zum Ideal einer „alle Staatsbürger umfassende Versammlungsdemokratie“ verhelfen. Meyer (2003, 177) prognostiziert eine Mediendemokratie, in der vom Internet beeinflusst, die Regeln des Fernsehzeitalters an Bedeutung verlieren. Durch die unbegrenzten Chancen der unmittelbaren und direkten Teilnahme an politischer Kommunikation, der Flexibilität und der Überwindung sozialer und räumlicher Grenzen sehen Experten einen Qualitätssprung im Strukturwandel der Öffentlichkeit, die zu einer neuen Art von Demokratie führt, bevorstehen. Politische Teilhabe wird immer mehr mit politischer Information verknüpft und ermöglicht im Prinzip jedem interessierten Teilnehmer Mitsprache. Einwände: So hoffnungsvoll diese Zukunftsvisionen einer neuen Demokratie klingen mögen, gibt es auf den verschiedensten Ebenen Einwände dagegen: 1) der soziokulturellen 2) der sozioökonomischen 3) der massenkulturellen 4) der kommunikationstheoretischen Obwohl sie die Erwartungen dämpfen, lassen sie Raum für „die Erwartung eines nennenswerten Zugewinns an Chancen für Information und Verständigung“ (Putnam 2000 zit. nach Meyer 2001, 179). Zu 1) Digital divide Die Ausbreitung des Internets wird zwangsläufig zu einer Klassenteilung der Gesellschaft führen. Ein nicht zu unterschätzender Bevölkerungsanteil wird auch in absehbarer Zukunft über keinen Internetzugang verfügen, begrenzte Nutzungskompetenz, beschränktes Nutzungsinteresse sind weitere Komponenten, die zu einer Spaltung der Informationsgesellschaft führen. Meyer spricht von einer Zweiteilung in informierte Aktivnutzer und uniformierte Passivnutze, die durch das Internet nicht überwunden, sondern verstärkt wird. Zu 2) Der finanzielle Aufwand als Ausschließungsfaktor - Verschärfung des Digital divide Die technische Ausstattung im Hard- und Softwarebereich führt zu finanziellen Ausgaben, die sich schlechter verdienende Schichten nicht leisten können. Ebenfalls der Erwerb und die Aktualisierung von Computer-literacy kostet Zeit und Geld. Zu 3) Auf dieser Ebene kommt es zu einer zunehmenden Überlagerung der neuen Medien durch die alten. Meyer (2003, 181) hält es durchaus für möglich, dass „das Internet künftig überwiegend als ein neues technisches Verteilungssystem für die Massenkommunikation alten Stils genutzt wird“. Auch in der politischen Kommunikation wird das Internet vor allem als zusätzliches Kommunikationsmittel für schon bestehende soziale und politische Netzwerke genutzt. Zu 4) Die politische Öffentlichkeit wird durch das Internet zunehmend privatisiert: es kommt zu einer Individualisierung des Publikums, das die Filterfunktion der Öffentlichkeit und Kommunikation unter Anwesenden ausgeht. (vgl. Gellner 1998 zit. nach Meyer 2001, 182) Die scheinbar unbegrenzte Interaktivität des Internets führt im Grunde jedoch nur zu Kommunikation zwischen Einzelnen, Öffentlichkeit, in dem User aus ihrem privaten Raum heraustreten und nach „den Spielregeln einer auf die öffentlichen Angelegenheiten bezogenen Argumentation“ agieren. (Meyer 2001, 182) Diese Einwände sind nach Meyer (2001, 182) zwar berechtigt, jedoch entkräften sie das Hauptargument des Internets als neue Chance für Demokratie nicht. Möglichkeiten: Das Netz bietet eine Vielfalt von Chancen und Möglichkeiten für eine demokratischere Kommunikation in mehrerlei Hinsicht: 1) Besserer Zugang für aktive Gruppen zu Informationen aus den institutionellen Binnenräumen und den Zentren der politischen Entscheidung => mehr Teilhabe an politischen Entscheidungen 2) Organisationsinstrument örtlicher und überörtlicher Handlungsnetze in der Zivilgesellschaft kaum kontrollierbares Forum der Informationsbeschaffung, des Meinungsaustauschs und der Verabredung von koordinierten Aktionen 3) Thematisierung öffentlicher Probleme durch aktive Internetgemeinden kann den Massenmedien aufgezwungen werden. Gegenwärtig spricht nach Meyer (2003) vieles dafür, dass die technischen Potentiale und die sozialen und politischen Muster der Internetnutzung eine Erweiterung und Ergänzugn der deomktaischen Kommunikations- und Handlungsspielräume mit sich bringen. Die massenmediale Öffentlichkeit kann zurückgedrängt und relativiert werden. Ob die Tendenz zur Fragmentierung der allgemeinen politischen Öffentlichkeit in isolierte Teilöffentlichkeiten durch forcierte Internetnutzung fortschreitet, ist offen. ... comment |
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Literaturverzeichnis
Beierwaltes, Andreas (2000). Demokratie und Medien.... by manuela.schoepfer.salzburg (2004-02-29 15:05) Verwandte Links:
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