Anknüpfend an die letzte Sitzung möchte ich mich mit dem Thema Machtverschiebungen durch das Internet näher auseinander setzen. Die Voraussetzung dafür „mächtig“ zu werden, ist die Möglichkeit sich Gehör zu verschaffen. Was sich im Zeitalter des Web 2.0 nun grundlegend verändert hat, sind die Kosten und der Aufwand dafür zum Kommunikator zu werden und somit aktiv am öffentlichen Diskurs teilzunehmen (Quelle 1). Heute kann dies JEDER quasi kostenlos und ohne besondere Programmierkenntnisse tun.

Peter Kruse spricht in dem Video, welches wir in der letzten Sitzung angesehen haben, von einer Machtverschiebung vom Anbieter hin zum Nachfrager. Diesen Shift hat Toffler bereits in den 80er Jahren in Form eines Wandels vom  passiven Konsumenten zum sogenannten „Prosumer“ prophezeit. Da dieser Begriff jedoch eher einen besonders aufmerksameren und kritischen Konsumenten, als einen kreativen und aktiven Beitragenden  bezeichnet ist  Axel Bruns‘ „Produser“ besser geeignet, um das weiter oben genannte Phänomen zu beschreiben (Quelle 2). Bruns schreibt der neuen Generation an Produsern das Potential zu demokratischere Gesellschaften zu erschaffen.  

Das demokratische Potenzial des Web 2.0 entfaltet sich auf zweierlei  Ebenen. Zum einen bietet das Web 2.0 eine Plattform, die  es möglich macht sich zu organisieren, Unterstützung zu mobilisieren und gemeinsam offline aktiv zu werden, z.B. in Form von Widerstandsbewegungen. Zum anderen bietet es jedem die Möglichkeit sich Gehör zu verschaffen und seinen Beitrag zur öffentlichen Diskussion zu leisten, z.B. in Form von Bürgerjournalismus als Ergänzung oder Gegengewicht zu den klassischen Medien.

 Im „Arabischen Frühling“ konnte man Bewegung auf beiden Ebenen beobachten. Das Internet und seine Kommunikationsplattformen Facebook und Twitter konnten einerseits dazu eingesetzt werden, die Menschen zu mobilisieren. In einem Cicero-Interview sagt Peter Kruse dazu: „Das Internet schafft schnell ein Gefühl von Masse und das gibt die Sicherheit, die persönliche Angstschwelle zu überschreiten, sichtbar zu werden und Wirkung zu erzeugen. Wenn die Menschen schon virtuell das Gefühl von Masse haben, gehen sie eher auf die Straße“ (Quelle 3). Gleichzeitig wurden Videoplattformen wie Youtube für eine neue Art der Berichterstattung genutzt, eine die viel näher am Geschehen und viel echter ist, da sie von Betroffenen selbst ausging. Abgesehen von der Tatsache, dass solche Erste-Hand-Informationen immer noch auf Richtigkeit im Kontext gecheckt werden müssen, gewinnt der Bürgerjournalismus, sei es in Form von Blogs, Wikis oder anderen Plattformen, zunehmend an Bedeutung und wird mittlerweile auch von den Profis selbst ernst genommen, wie in diesem SZ-Artikel zu lesen (Quelle 4).    

Besonders für politisch motivierte Aktionen finden sich eine Reihe von Beispielvideos zum Thema auf Youtube. Inspiriert von Howard Rheingold’s Buch Smart Mobs, der bereits 2002 das Potential des Internets und mobiler Kommunikation erkannte und auf spektakuläre Protestaktionen, wie die People Power Demonstration in Manila aufmerksam machte, wurden in den letzten Jahren unzählige mehr oder weniger sinnvolle Flash Mobs organisiert (Quelle 5). Eine der sinnvollen Varianten und gleichzeitig ein Paradebeispiel für Bruns' Produser sind Carrot Mobs, welche nachhaltige und umweltbewusste Unternehmen mit Extra-Umsatz belohnen, wie in deisem Video zu sehen (Quelle 6):

Ein sehr aktuelles Beispiel zum Thema Mobilisierung via Internet ist die Online Kampagne KONY 2012 (Quelle 7). Hinter der Video-Kampagne steckt die Non-Profit Organisation Invisible Children, welche es sich zum Ziel gemacht hat, Joseph Kony, Leader der Lord’s Resistance Army in Uganda, zu fassen und für seine zahlreichen Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen. Bereits zwei Tage nach Veröffentlichung  erreichte der Film über elf Millionen Views auf Vimeo und Youtube und über eine Million Likes auf Facebook. Auch klassische Medienunternehmen reagierten auf ihren Websites prompt auf das Video, welches spätestens dann als Erfolg verbucht wurde, als Präsident Obama, tatsächlich Soldaten nach Uganda schickte, um Kony zu suchen.

Das Beispiel macht allerdings aber auch auf die gefährliche Seite des Online Aktivismus aufmerksam: Es wird geshared und geliked ohne sich näher mit dem Thema auseinander zu setzen. Die Kampagne KONY 2012 stellt sich bei weitergehenden Recherchen nämlich als sehr umstritten heraus, da erstens in Uganda mittlerweile Frieden eingekehrt ist und zweitens die Organisation Invisible Children damit die Regierung in Uganda unterstützt, der selbst Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, wie die Zeit berichtet (Quelle 8).

 

 

Quellen (Online Quellen zuletzt aufgerufen am 01.05.2012):

  1. Benkler, Yochai (2006): The Wealth of Networks: How Social Production Transforms Markets and Freedom. New Haven, Conn: Yale University Press.
  2. Bruns, Axel (2008): Blogs, Wikipedia, Second Life, and Beyond: From Production to Produsage. New York: Peter Lang
  3. Peter Kruse im Cicero-Interview:http://www.cicero.de/salon/revolution-20-facebook-und-die-mobilisierung-von-gesellschaften/41577 
  4. SZ-Artikel:http://www.sueddeutsche.de/digital/buergerjournalismus-im-netz-realitaet-die-nicht-verschwindet-1.524575-2 
  5. Rheingold, Howard (2002): Smart Mobs. The Next Social Revolution. Cambridge, Mass: Perseus.
  6. Video Carrotmob: http://www.youtube.com/watch?v=WBksC3VjpSg&feature=player_embedded
  7. Video Kony 2012:http://vimeo.com/37119711 
  8. Zeit-Artikel:http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-03/kony-2012-invisible-children-kritik/seite-2