Sonntag, 15. Dezember 2013
Gesellschaft und Web

In diesem Blogbeitrag stellt sich uns die Frage, ob das Verhalten der Gesellschaft bzw. Trends und Mainstreams in der Gesellschaft mehr Einfluss auf künftige Phänomene des Webs ausüben, als dies z. B. die Entwicklung der Technik vermag. Die Klärung dieses Sachverhaltes ist nicht einfach, denn die Möglichkeiten Trends (besonders über das Web) zu Verbreiten, waren noch nie so vielfältig.

Die Zukunft vorauszusagen, ist in der Vergangenheit bereits des Öfteren gescheitert. Man denke nur an die New York Times, die zum Thema fernsehen 1939 folgendes schrieb: “The problem with television is that people must sit and keep their eyes glued on a screen; the average American family hasn’t time for it.” (Q1) Auch Thomas Watson, Chairman von IBM, lag daneben, als er 1943 prognostizierte: "Ich denke, dass es weltweit einen Markt für vielleicht fünf Computer gibt”. Und dann war es ausgerechnet IBM, das dem PC, wie wir ihn heute kennen, zum Durchbruch verhalf und ihn zum Massenprodukt machte. (Q2)

Deswegen werde ich mich in diesem Beitrag an der Vergangenheit orientieren, um die gestellte These klären zu können. Heutzutage sorgt man sich über den Einfluss des Internet auf unser Sozialverhalten. Denkt man ein Jahrhundert zurück, war es das Telefon, das als Neuerfindung die Gesellschaft in ihrem Verhalten "bedrohte". Viele Phänomene, die dem Internet-Zeitalter zugeschrieben werden, haben ihr historisches Echo in der Telefonie.

 

Die Erfindung des Telefons

Erste Denkansätze zu einem Telefon gab es um 1854, als von Seiten des Militärs der Wunsch nach schnelleren Kommunikationsmitteln aufkam. Der Pariser Telegrafenbeamte Charles Bourseul (1829–1912) verfasste darauf ein Referat über mögliche Techniken der elektrischen Sprachübertragung. Weder Wissenschaftler noch die Öffentlichkeit der damaligen Zeit erkannten jedoch die Bedeutung von Bourseuls Idee; man bezeichnete ihn als Träumer und "harmlosen Irren". Bourseul gab darauf seine Pläne für die Umsetzung der Idee auf. Auch Alexander Graham Bell hatte Schwierigkeiten, die Öffentlichkeit für sein Telefon zu begeistern. (Q3)

Das Telefon wurde also erfunden, ohne dass die Massen wirklich danach verlangt hätten. Ein internes Memo von Western Union aus dem Jahr 1876 konstatiert: "Dieses Telefon hat zu viele Schwächen, als dass man es ernsthaft für die Kommunikation in Erwägung ziehen kann". (Q2)

Doch als es dann da war, veränderte es die Kommunikationsmöglichekeiten radikal: zum ersten Mal konnten Menschen über weite Distanz hinweg in Echtzeit miteinander kommunizieren.

 

Das Telefon im Wandel

Dennoch gibt es Anzeichen eines anhaltenden kulturellen Wandels. Auch wenn sich die Anzahl der Wireless-Verbindungen von 286 Millionen in 2009 bis 303 Millionen im Jahr 2010 erhöhte, hat sich die Sprachnutzung der Handys verringert. Die USA erreichten 2009 den Wendepunkt, bei dem zum ersten Mal die Summe der mit Mobilgeräten gesendeten Daten höher war, als die Summe der übertragen Telefongespräche. Und unsere Anrufe werden außerdem immer kürzer. Während im Jahr 2003 der durchschnittliche lokale Handy-Anruf gemütlichen 3 Minuten dauerte, war dieser 2010 bereits zu einer Minute und 47 Sekunden gekürzt worden. (Q1)

Doch was ist der Grund dafür? Einfache Wirtschaftlichkeit kann ein wichtiger Faktor sein, denn in vielen europäischen Ländern ist das Schreiben einer SMS billiger, als zu telefonieren. Es kann aber auch eine Frage der Logistik und Bequemlichkeit sein. In einer zunehmend datenintensiven, zeitarmen Umgebung scheint der Anruf meist eher eine unterbrechende, störende analoge Erfahrung, als eine willkommene Abwechslung zu sein.

 

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Erfindung des Telefons die Kommunikation in ihren Möglichkeiten zwar revolutioniert hat, aber die Menschen nutzen diese Möglichkeiten oft nicht (mehr) im eigentlichen Sinn. Heute sind Telefone in Form von Smartphones dabei, PCs überflüssig zu machen. Von der eigentlichen Form des telefonierens ist nicht mehr sehr viel übrig.

 einstein

 party

 

Ich möchte mit zwei Zitaten schließen, die man zur Beatwortung der anfänglich gestellten Frage heranziehen kann.

  • "Habits seem to grow out of other habits far more directly than they do out of gadgets." (George Daniels, Historiker)
  • "The telephone was only a convenience, permitting Americans to do more casually and with less effort what they had already been doing before.” (Daniel Boorstin, Sozialhistoriker)

 

 

Q1: http://www.wilsonquarterly.com/essays/call-future
Q2: http://www.pcwelt.de/ratgeber/
Q3: http://de.wikipedia.org/wiki/Erfindung_des_Telefons
Q4: http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Bourseul
Q5: http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Graham_Bell
Q6: Bild Einstein
Q7: Bild Party