80's Zone
Sonntag, 18. Januar 2004
Kapitel 1: Zugang für alle - Internet heute

-1.1 Einleitung
-1.2 ... das war ja einfach, Zugang für alle
-1.3 Dabei sein ist alles, Information wohin man schaut
-1.4 Geld regiert die Welt
-1.5 Deja vu, Ähnlichkeiten



-1.1 Einleitung

Ich will meine erste Semesterarbeit mit einer allgemein gültigen Wahrheit beginnen, die seit jeher von Generation zu Generation weitergegeben wird. „Früher war alles besser.“

Als aufgeklärte Menschen wissen wir natürlich, dass diese Art von Sentimentalität und Nostalgie allzu naiv ist. Stand doch früher längst nicht alles zum Besten. Vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnte schon mal ein Weltkrieg ausbrechen. Aber man erinnert sich ja nur an die schönen Zeiten.

Besieht man sich die derzeitige Wirtschaftslage, könnte man zwar tatsächlich zum Nachdenken angeregt werden, ob in den Zeiten des Wirtschaftswunders nicht doch manches besser war. Aber in dieser Zeit leben will heute eigentlich keiner mehr. Das Fernsehen war schwarz weiß, mangels dualer Rundfunkordnung gab es nur staatliche Programme und vom Internet war weit und breit nichts zu sehen, weil man erst einmal die dazu notwendige PC-Technologie entwerfen musste.

Informiert freilich wurde auch damals schon zur Genüge. Fernsehen, Radio und alle möglichen Zeitungen warteten darauf von interessierten Menschen konsumiert zu werden. Was allerdings, wenn man selber das Wort ergreifen wollte? Welche Möglichkeiten boten sich dem Durchschnittsbürger, sich einer größeren Zielgruppe mitzuteilen? Der Stammtisch war ungeeignet, die Zielgruppe war zu klein. Leserbriefe in Zeitungen dagegen, wurden zwar vielleicht von einem größeren Publikum gelesen, allerdings auch nur, wenn die Zeitung die Meinung auch abdruckte. Stimmte die Meinung des Autors nicht mit jener der Zeitung überein, wurde sie eventuell einfach nicht abgedruckt, so einfach war das. Man könnte dies durchaus als eine Art Zensur betrachten.
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-1.2 ...das war ja einfach! Zugang für alle.

In unserer modernen Welt des Jahres 2003 hingegen, braucht man sich über die Gedanken und Gefühle anderer keine großen Sorgen mehr zu machen. Unzählige Foren, Chats und andere Diskussionsplattformen im Internet, ermöglichen es heutzutage – die notwendige Hardware vorausgesetzt – jedem seine Meinungen auf Teufel komm raus kundzutun und die ganze Menschheit daran teilhaben zu lassen. Und wer eine Möglichkeit hat, etwas zu tun, der wird sie früher oder später auch nutzen, was schlussendlich dabei rauskommt ist erst einmal nur von sekundärer Bedeutung.

Ganz anders – und hier werden wir automatisch wieder mit der „Früher war alles besser“ Einstellung konfrontiert – verhielt sich das noch in jenen Tagen, als der „Begriff“ Internet in heimischen Wohnzimmern ein völliges Fremdwort war. Verfolgen wir die Entwicklung bis in die 60er Jahre zurück so lässt sich ein interessanter, wenn auch gefährlicher Vergleich ziehen, dem es an political corectness mangelt.
Ende der 60er Jahre begann das US-Verteidigungsministerium mit der Förderung von Projekten zur Computervernetzung [1]. Zweck dieser Projekte war es, ein Kommunikationsmedium zu entwickeln, das auch nach einem nuklearen Angriff noch funktionstüchtig bliebe. Damals verschwendeten höchstens Visionäre gelegentlich einen Gedanken daran, zu welchen Dimensionen sich dieses „Netz“ einmal auswachsen würde. Und damals hatten auch nur Wissenschafter Zugang. Alleine schon deswegen, weil nur sie in der Lage waren, die komplizierten Vorgänge, die da abliefen, zu verstehen. Denn wenn es eines gab, wofür das Internet damals nicht ausgelegt war, dann war es Benutzerfreundlichkeit.
Nachdem das Netz auch den Universitäten geöffnet wurde, lag seine Hauptaufgabe darin, Wissenschaftlern die Kommunikation zu vereinfachen und Zugang zu weit entfernten Großrechnern zu ermöglichen. Später erhielten natürlich auch Studenten Zugang.
Jetzt kann man sich meines Erachtens doch soweit aus dem sprichwörtlichen Fenster hinauslehnen, um zu behaupten, dass Wissenschaftler und in weiterer Folge auch Studenten einer eher gebildeten Gruppe angehörig sind, die es besser versteht qualitativ gute Beitrage herzustellen. Es wird auch kein Streitpunkt sein, dass es mit einer guten Ausbildung mitunter einfacher ist, Wissen zu Geld zu machen. Das Internet war nämlich nicht immer so günstig wie heute. In einer Zeit, als es keine „Volkscomputer“ bei Hofer/Aldi, Lidl und anderen Discountern gab, war man gewissermaßen genötigt auf den bekanntlich teureren Fachhandel zurückzugreifen. Und da dieser damals mit Werbebotschaften wie „Geiz ist geil“ beschämend wenig anzufangen wusste, wurde dies dann auch entsprechend teuer.

Also hatten nur jene Bevölkerungsschicht auf breiter Ebene Zugang, die sich das Internet auch leisten konnte. Mit dem dramatischen Preisverfall wurde die Gruppe derer, die es sich leisten konnte „einzuklinken“ immer größer. Dies war nun auch mit kleineren Einkommen durchaus möglich, dem Portemonnaie wurde nun kein großer Schaden mehr zugefügt.

Heute ist es praktisch jedem möglich, sich am internationalen Gedankenaustausch zu beteiligen. Das Internet kann beinahe intuitiv benutzt werden und erfordert nur noch wenig Sachkenntnis. Wer nicht selber über PC + Anschluss verfügt, kann sich in Internet-Cafés einklinken. Und neuerdings gibt es nun auch Terminals in den Filialen von Kaufhäusern und Schnellimbiss-Ketten, die bar jeglicher Gebühr zur Benutzung bereitstehen. Der Anteil von Wissenschaftlern und „gebildeten“ Menschen ist rückläufig, da deren Anteil eben auch in der Gesamtbevölkerung ein kleiner ist.

Belegen lässt sich diese Entwicklung anhand vieler Umfragen der vergangenen Jahre. [2] [3]
Während Mitte der 90er die Majorität der [deutschsprachigen] Internetnutzer noch zumindest über das Abitur, respektive die Matura verfügte, nahm der Anteil an Nutzern, die über die mittlere Reife verfügten im Laufe der Zeit immer mehr zu. Man könnte sagen, die „studentischen Zeiten“ des Internets sind vorbei.

Auch das soziale Milieu der Internetnutzer sagt viel über die Intensität des Gebrauchs aus.
Eine Studie der Forschungsstelle für Medienwirtschaft und Kommunikationsforschung, Stuttgart fertigte diesbezüglich eine Studie an, welche zeigt, dass vor allem die „Mittelschicht“ zu den begeistertsten Benützern des Internets gehört.[4]
Es ist anhand solcher Daten ersichtlich, dass das Internet seinen elitären Status längst verloren hat und sich zu etwas relativ profanen gewandelt hat. Etwas mit dem sich jeder auskennt und das auch jeder nutzen kann. Ähnlich wie Fernsehen und Radio. Durch die enorme Benutzerfreundlichkeit – die, will man ein größeres Publikum ansprechen unbedingt erforderlich ist – kann jeder teilnehmen. Während man an Bildschirm und beim Hörfunk jedoch nur rezipiert, nimmt man im Internet teil. Man ist sozusagen „mittendrin, statt nur dabei.“
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-1.3 Dabei sein ist alles. Information wohin man schaut.

Das olympische Motto, nach dem es nicht unbedingt wichtig ist zu gewinnen, also seine Sache wirklich gut zu machen, sondern die Hauptsache die Teilnahme ist, erhält im Internet eine völlig neue Gültigkeit. Anscheinend nötigt der pure Anblick einer PC-Tastatur heute beinahe jeden Internetuser irgendetwas zu publizieren. Und was wird da nicht alles publik gemacht? Meinungen, Kommentare, Anschauungen, Weltansichten, Besserwisserei. Auch dass viele wenig wissen bzw. hinten und vorne keine Ahnung haben worum es geht wird des öfteren beeindruckend vor Augen geführt. Dieser Zustand hindert aber kaum jemanden, nicht doch etwas zum Thema beizutragen, schließlich ist doch Fakt, dass es nicht zählt wer zuerst die Idee hatte, sondern wer sie zuerst publiziert. Könnte ja mal was vernünftiges dabei rauskommen. Daher werden zu allen denkbaren und undenkbaren Themen die elaboriertesten Artikel, Aufsätze oder Satzfetzen verfasst, kontrovers diskutiert, anschließend polemisiert und hinterher artet das ganze in eine Aneinanderhäufung von Beschimpfungen und Kraftausdrücken aus.

So ist das Internet auch dementsprechend mit schlechten Inhalten verschmutzt. Die Informationssuche gestaltet sich zunehmend schwierig, die Quantität obsiegt über die Qualität. Der Grad der „Informationsverschmutzung“ befindet sich sogar bereits in einem dermaßen fortgeschrittenen Stadium, dass es Anleitungen zur besten Vorgehensweise gibt, die einem das Erlangen von qualitativ hochwertiger Information erleichtern sollen [5]. Und dieses Konzept wurde bereits 1997 entworfen. Dabei ist es kein Geheimnis, dass der Wildwuchs im Internet seit damals noch kräftig zugenommen hat, Information kumuliert, wie ein überdimensionaler Schwamm.

Nun sind wir aber gar nicht in der Lage, mit der uns gebotenen Informationsvielfalt umzugehen. Speziell wenn sich unser Interesse um ein spezielles Fitzelchen Wissen dreht. Die Aufgabe, selbiges aus dem uferlosen Datenozean herauszufischen, ist vielfach kaum noch zu bewältigen und erinnert an die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Ein sehr negatives Bild, welches sich da für die Zukunft abzeichnet, denn man kann auch zu gut informiert sein.
Teilweise sogar so „gut“, dass es gefährlich, ja sogar tödlich werden kann.

Beispielsweise war es für die Rettungskräfte nach dem Anschlag auf das World Trade Center schwierig, die für sie wichtigen Fakten aus dem überwältigenden Datenberg zu extrahieren. Das kostet Zeit was wiederum – in so einer Situation – Menschenleben kosten kann. [6]

Der von dem Mathematiker und Visionär Claude Shannon [7] geprägte Satz „Information ist die Verringerung von Ungewissheit“ wird zumindest im Internet mehr und mehr außer Kraft gesetzt. Denn zunehmend wird es schwieriger „gute“ von „schlechter“ Information zu unterscheiden. Menschen irren sich und je mehr Menschen Information produzieren, um so größer ist auch die Wahrscheinlichkeit eines Irrtums.

Selbst wenn die Richtigkeit der Daten verifiziert ist, kommt es vermehrt zu Problemen. Vor allem die schieren Maßen an eingehender Information führen zu einem Überschuss an Information. So geschehen zum Beispiel im jüngsten Irakkrieg. Obwohl – oder möglicherweise gerade weil - die US-Truppen viele hochgezüchtete Hightech Kommunikationssysteme einsetzten, kam es zu heftiger Kritik. Offiziere und Kommandeure litten häufig unter „Information Overload“. [6]

Ähnlich geht es vielen Managern, die sich im undurchsichtigen Datengestrüpp immer weniger zurechtfinden. Information ist redundant, wiederholt sich oft und ist schlecht geordnet. Das zwingt dazu, danach zu suchen, was ebenfalls wieder Zeit in Anspruch nimmt, welche ja bekanntlich teuer ist. Suchmaschinen sind eine große Hilfe, doch genügen auch sie nicht mehr den hohen Ansprüchen, die an das World Wide Web gestellt werden. Gibt man in der Suchmaschine „www.google.com“ den Begriff „Beethoven“ ein, wird man von einer wahren Flut an potentiell interessanten Websites erschlagen. 1.880.000 Seiten bieten sich dem Informationssuchenden an.
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-1.4 Geld regiert die Welt

Startet man ein kleines Experiment und fügt dem genialen Komponisten jedoch noch den im Internet äußerst beliebten Begriff „Sex“ hinzu, bleiben sage und schreibe stolze 120.000 Seiten übrig. Dies bedeutet, dass Name und Begriff 120.000 mal auf einer Internetseite gemeinsam genannt werden. Entweder blieben der Allgemeinheit gewisse Aspekte aus Ludwigs Privatleben bisher verschlossen oder viele dieser Seiten haben schlicht und einfach mit Beethoven nichts am Hut und verwenden ihn nur als Schlüsselwort im Meta-Tag [8]. Als Lockvogel sozusagen. Firmen und Organisationen machen dies z.T. gerne. Dann gab es da auch noch die Filme, in denen ein Bernhardiner mit diesem Namen ausgestattet wurde. Da gibt es wieder zwischen 30.000 und 110.000 Seiten. Wer ganz großes Pech hat, stößt eventuell noch über die Bilder einen „Beethoven Look-a-like“ Wettbewerbs. Dieser musste freilich unter allen Umständen für die Nachwelt festgehalten werden. Laut Google existieren immerhin noch 2 Seiten, man hätte es wissen können. Und so kommt es, dass man jedwede Information, die man über das Internet erhält erst einmal genauestens evaluieren muss, denn die Richtigkeit ist kaum jemals sichergestellt.
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-1.5 Deja vu, Ähnlichkeiten

Der heutige Zustand des Internets entbehrt nicht einer gewissen Affinität zum Medium Fernsehen in den frühen achtziger Jahren. In jener Zeit ermöglichte die duale Rundfunkordnung erstmals ein nicht-staatliches Programm. Da nun hauptsächlich finanzielle Interessen im Vordergrund standen, etablierte sich die Einschaltquote rasch als alles beherrschenden Messlatte. Privatfernsehen ist nicht unbedingt für hervorragendes Bildungsfernsehen bekannt. Generell attestiert man ihm häufig schlechte Qualität in Bezug auf die Sendungen.

Es bestehen einige Analogien zum WWW. Der dramatische Anstieg an Quantität, nicht aber an Qualität. Der Status eines Massenmediums bringt scheinbar verheerende Folgen mit sich.
Zwar kann sich der normale Bürger am Fernsehen nicht in gleicher Weise beteiligen, wie dies im Internet der Fall ist. Trotzdem, ähnlich wie die Information im Internet, ist jene im Fernsehen durch viele Redundanzen geprägt. Das wird einem vor allem dann vor Augen geführt, wenn sich auf einem Sender ein Format als besonders zugkräftig herausstellt. Prompt wird es von anderen Sendeanstalten kopiert. Hier mögen die Beweggründe andere sein, als im Internet, aber Ähnlichkeiten sind in jedem Fall gegeben.

Wie man sieht, existiert nicht nur eine Ursache, warum die Qualität der Information im Internet immer mehr abnimmt. Als es für jedermann zugänglich wurde, zog es damit automatisch das Interesse der Firmen und Unternehmen auf sich, die das WWW nun als potentielle Einkunftsquelle sahen. Dies und der ständige Preisverfall lockten wiederum immer weitere Menschen ins Internet und gaben ihm über die Zeit die Gestalt, in der wir es heute kennen. Das gezielte Suchen von jedweden Daten wird immer schwieriger und dieser Trend in Richtung „Massenproduktion von Information“ setzt sich weiter fort.
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[1] Die Anfänge des Internet
Kurze Einführung zur Geschichte


[2] Fittkau & Maaß / W3B-Umfrage/ Ergebnisse
W3B-Umfrage Ergebnisse
Seiten 1, 3, 10, 13 und 16


[3] Gruner + Jahr Electronic Media Service GmbH
Internetnutzung in Deutschland
Seiten 18 und 22


[4] Prof. Dr. Michael Schenk /Forschungsstelle für Medienwissenschaft und
Kommunikationsforschung
Internetnutzung in den sozialen Milieus / Seite 25


[5] Robert Harris
„Evaluating Internet Research Sources“


[6] Andreas Grote / Süddeutsche Zeitung – 15.07.2003
Sturmwarnung im Datenozean


[7] Claude Shanon
Kurze Biografie


[8] Akademie.de / Net-Lexikon
Beschreibung des Metatag

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