Montag, 26. Juni 2006
Probleme eines öffentlichen Mediums
Die Schweigespirale, ein Begriff aus den Medienwissenschaften, wurde in den 1970ern von Elisabeth Noelle-Neumann entworfen. Vereinfacht kann man sagen, dass Menschen, deren Meinung nicht mit der von den Medien repräsentierten (angeblichen) Mehrheitsmeinung übereinstimmt, zum Schweigen motiviert werden. Jene Menschen die meinen, dass ihre Meinung bereits der Mehrheitsmeinung entspricht, werden eher dazu bereit sein sich zu äussern. Die Anderen verfallen in ein Schweigen weil sie befürchten sich sozial zu isolieren. Dadurch erscheint die Gruppe der Ersteren noch stärker und in einem Spiralprozeß scheint diese Meinung die beherrschende zu werden - ohne es an der Zahl ihrer Vertreter gemessen unbedingt sein zu müssen.

Eine weitere Theorie von Scheff besagt, dass das soziale Verhalten von Individuen in der Öffentlichkeit stark von den Mitmenschen geprägt ist. Der einzelne ist bestrebt sich sozial nicht zu isolieren. Der einzelne Mensch beobachtet demnach ständig seine Umwelt um zu erkennen welche Meinungen er sich anschliessen muss bzw. welches Verhalten er zeigen muss um sich nicht zu isolieren. Wichtig ist dem Menschen auch was andere von ihm denken. Er bemüht sich in der anonymen Öffentlichkeit, sondern auch bei Freunden, Bekannten und Verwandten Anerkennung und Geborgenheit zu finden. (vgl. Thomas Roessing)

Die Theorien umgelegt auf die Speakersbox



Es wurde viel über ein Bonussystem diskutiert. Ein möglicher Bonus könnte eine verlängerte Sprachzeit sein für Benutzer, welche von anderen mit vielen Punkten positiv bewertet wurden. Ich erachte ein Bewertungssystem ausschliesslich über Punkte für problematisch. Es kann hierbei leicht zu einer Form der Schweigespirale kommen. Mögliches Szenario: Jemand hat einen starken Drang über die Speakers Box in der (teil)anonymen Öffentlichkeit Anerkennung zu finden und frequentiert daher häufig die SpeakersBox um seine Meinung zu äussern. Derjenige stellt sich gerne selbst dar und versucht natürlich über das Bonussystem mehr Sprechzeit zu bekommen.
Die Medien haben die Macht eine öffentliche Meinung zu bilden und somit werden die Benutzer wahrscheinlich jene Beiträge positiv bewerten, die ihren Vorstellungen entsprechen, so wie es eigentlich sein soll. Das Problem hierbei ist aber, dass die Medien der breiten Masse eine Meinung aufzwingen und somit wird die breite Masse eine einheitliche Meinung zu Themen haben, welche aber nicht unbedingt richtig sein muss, weil sie eben geprägt ist. Folglich werden Benutzer, die die breite Masse ansprechen, besser bewertet. Sie bekommen mehr Sprachzeit und haben nun noch mehr Chancen ihre Meinung (=Meinung der breiten Masse) zu propagieren. Dabei geht nun die Minderheitenmeinung unter, weil wenige Benutzer zu Leitwölfen geworden sind. Nun kommt die Theorie von Scheff zu tragen. Die Benutzer folgen den Leitwölfen, damit sie sich nicht selber isolieren und vor allem damit sie sich nicht blamieren.

Die Schweigespirale entsteht und wächst !!

Anmerkungen zu einem Bewertungssystem:

Ein klassisches Bewertungssystem ist problematisch weil es sich bei den Beiträgen in der SpeakersBox vorwiegend nicht um Kunst handelt, sondern um Werturteile, die sich auf (Gesellschaftliche) Normen stützen. Werte werden vermittelt und somit greifen die oben erwähnten Theorien. Das Werteverständniss wird m. E. in unserer Gesellschaft von Opinion Leadern = Gatekeeper (=Medien) vorgegeben. Auch ein mehr oder weniger objektives Peer-Review-System kann m.E. nur funktionieren wenn es sich um Fakten handelt. Meinungen "zu korrigieren" funktioniert in dem Sinn nicht. Darum würde ich sagen, dass ein "demokratisches" Bewertungssystem versagt und zwar nicht nur im Falle der Speakersbox, sondern auch im Fall von Wahlen wird sehr viel verzerrt (vgl. wikipedia)

Lösungsansätze

Eine mögliche Lösung wäre ein Zufallssystem für die Videowalls und die Boxen selber. Ort (in der die SpeakersBox steht) und Thema werden per Zufall ausgewählt. Denkbar wäre es 2 Städte gegenüber zu stellen. Heute wird z.B.: von 15-16Uhr Beiträge zum Thema Fußball WM 06 aus Salzburg und Beiträge zum selben Thema aus Berlin gegenübergestellt. Nimmt man das Internet als Publikationsplattform her, dann kann hier doch ein demokratisches Bewertungssystem eingeführt werden. Ich würde aber dann populistische Spitzen rausrechnen lassen, wie dies bei imdb der Fall ist. Es könnte dann 3 Spalten geben. Eine Spalte für Beiträge mit den besten Bewertungen, einen Spalte mit zufällig ausgewählten Beiträgen und eine Spalte mit den Most Recent Beiträgen.

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