Montag, 22. November 2004

Zusammenfassung: Kuhlen, Rainer (2004). Wenn Autoren Kollaborateure werden – was ändert sich dann?

Inhalt:

 

Eine geschlossene Wissensstruktur beginnt sich zu öffnen

(vgl. Kapitel 2 Kollaboration und Kommunikation - nicht in kulturkritischer, sondern in politischer Absicht)


Als Erstes stellt sich die Frage was sich denn überhaupt für den Endverbraucher von Wissen ändert, wenn er zum Kollaborateur wird. In unserer westlichen Welt ist es üblich sein Wissen mittels Urheberrecht zu schützen und die Verwertungsrechte dafür an den Endverbraucher meist über Umwege (Verlage etc.) zu verkaufen. Der Endverbraucher kauft ein individuelles, persönliches Werk, sprich Wissen des Autors, ohne die Möglichkeit darauf Einfluss zu nehmen. In diesem Sinne kann man von einer geschlossenen Wissensstruktur sprechen, die im weitesten Sinne vom Medium Hypertext geöffnet wird. Aber nicht die Autoren verhalten sich kollaborativ, sondern die Texte, also die Dokumente selber (vgl. Kuhlen, 2004). Die Möglichkeit der Interaktion, welche die neue soziale Plattform Internet auszeichnet, macht es aber viel schwieriger das Werk zu individualisieren und auf einen Autor zurück zu führen. Dieser Umstand stellt einen Widerspruch zu den alten westlichen Gewohnheiten dar. Es zählt nun die Kreativität einer Gruppe und nicht mehr die eines Individuums. Der Leser muss sich einer neuen Herausforderung stellen. Er ist gezwungen von der passiven zu einer aktiven Rolle über zu gehen. Aus dem Leser wird ein Autor, folglich kann man vom „Tod des Lesers“ (Kluhn 2004, S. 3) sprechen.


 

Telemediatisierung

(vgl. Kapitel 2 Kollaboration und Kommunikation - nicht in kulturkritischer, sondern in politischer Absicht)

Unter Telemediatisierung versteht man „die tendenziell vollständige Durchdringung dieser Lebenswelten mit Verfahren, Produkten und Diensten von Informatik,
Telekommunikation und Hypermedia (Hypertext+Multimedia). Die Telemediatisierung ist kein quasi neutrales technisches Ereignis.“ (Kluhn 2004, S. 4). Kluhn schreibt im Zusammenhang zur
Telemediatisierung, „dass etablierte Strukturen, die unter früheren technischen und medialen Bedingungen entstanden sind, Probleme haben weiterzubestehen bzw. erfolgreich zu sein, wenn sie nicht in der Lage sind, sich radikal veränderten „Umgebungen“ (hier technisch medialerArt) anzupassen.“ (Kluhn 2004, S.4)
Ich möchte hier explizit darauf hinweisen, dass ich Kluhn’s Meinung nicht teile, weil sie im Kontext seines Werkes gesehen dem Rieplschen Gesetz, welches besagt, dass kein neues Medium ein älteres Medium verdrängt, widerspricht. Die neuen Technologien wirken auf unsere Umwelt und auf unsere gesellschaftliche Struktur ein, wozu die Politik, Kultur und Wirtschaft gehört.

 


Neue Paradigmen im Lizenzdschungel

(vgl. Kapitel 3 Kollaboratives Arbeiten und einige Konsequenzen)

Die jetzigen Urheberrechte sind für Kluhn nicht mehr angemessen im Rahmen einer offenen Netzumgebung, weil sie für andere Medien entwickelt wurden und die geschlossene Wissensstruktur mit einem individuellen Autor fördern. Kollaborateure sind reale und virtuelle Partner, die in vernetzten globalen Räumen zusammen Wissen erzeugen (vgl. Kluhn 2004, S.5).
Das Wissensprodukt wird nie ein abgeschlossenes Produkt sein, und somit soll es auch frei zugänglich und erweiterbar sein, fordern die Kollaborateure. Die Free-and-open-software-Bewegung kommt diesem
Wunsch nach. Es ist einerseits wichtig den Quellcode von Software offen zu legen (open source) und anderseits die Software als „frei“ zu deklarieren.

 



  • Freie Software

Der Begriff der freien Software wurde im Rahmen des GNU Projektes von Richard Stallman geprägt. (vgl.

http://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Software#Freie_Software-Bewegung)

„Als frei bezeichnet man Software, deren Lizenz jedem, der dies möchte, mindestens folgende Rechte zugesteht:

  1. Die Freiheit, das Programm zu jedem Zwecke auszuführen.
  2. Die Freiheit, die Funktionsweise des Programms zu studieren. Voraussetzung dafür ist der Zugang zum Quellcode (engl.
    Open Source).
  3. Die Freiheit, Kopien des Programms anzufertigen und
    zu verbreiten, sowohl gegen Gebühr als auch kostenlos. Das schließt das Recht, zusätzliche Leistungen (z. B. Support) anzubieten, mit ein.
  4. Die Freiheit, das Programm zu verändern und den eigenen Bedürfnissen anzupassen, sowie auch das modifizierte Programm weiterzugeben.

Im Gegensatz dazu wird Software, die diesen Bedingungen nicht genügt, als
proprietäre oder unfreie Software bezeichnet.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Software)

Der Begriff und die Definition „freie Software“ schließt also kostenpflichtige Software nicht aus. (siehe
Punkt 3 der Rechte).

Es besteht auch die Möglichkeit, dass Nutzungsrechte nicht ver- bzw. gekauft, sondern lizenziert werden. Somit bleiben die Rechte, im Prinzip, beim Autor. Diese Lizenzierung
erfolgt über die General Public License (GPL).

Eine analoge Einrichtung hierzu wäre die
Creative-commons-Lizenzierung
. Bei dieser Form der Lizenzierung liegt die Entscheidung über die Form wie das Werk pupliziert wird autonom bei den Autoren.

Zum Creative – Common Ansatz gehört auch die Open – access –Publikation. Bei der Open – access – Publikation soll der Autor für das publik Machen seines Werkes bezahlen, und für den Verwerter fallen keine Gebühren an.

Das Projekt Wikipedia startete 2001. Wikipedia ist eine freie Enzyklopädie nach dem Wiki Prinizp. Wikipedia ist ein
Gemeinschaftsprojekt an dem jeder teilnehmen kann und einen Begriff definieren kann oder die Definition ergänzen kann. Somit wird die individuelle Zurechenbarkeit zu einem Autor aufgehoben. Wikipedia gibt es mittlerweile in verschiedenen Sprachen und es gibt Unterprojekte wie das Wikipedia Wörterbuch namens Wiktionary (in Anlehnung an das englische dictonary.) Das große Problem an solchen Projekten ist die Qualitätskontrolle. Diese Aufgabe unterliegt der Community und es kann zu einer abgeänderten Form derSchweigespirale kommen.  Gerade bei kontroversen Themen kann es passieren, dass Menschen, deren Meinung nicht mit der von der MASSE repräsentierten Mehrheitsmeinung übereinstimmt, zum Schweigen motiviert werden; damit könnte letztlich sogar eine schweigende Mehrheit entstehen. Eine Minderheitenmeinung wird von der Masse  im Keim erstickt. Natürlich sind auch Experten auf einem Gebiet von diesem Problem betroffen. Als Beispiel: 100 Leute schreiben einen Beitrag und 99 Leute definieren einen Begriff ähnlich, und nur ein Kollaborateur veröffentlicht eine richtige Definition zu einem ihnen völlig  unbekannten Begriff, dann werden auch Sie der Mehrheit glauben schenken.

 

Bereiche wo Kollaboration vorkommt

(vgl. 3 Herausforderungen der Kollaboration)

 

  • Kollaboration und Künstliche Intelligenz (KI)

Die Kollaboration spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz. Als Beispiel wird die jährliche Roboter-Fußballweltmeisterschaft angeführt.
Es ist wichtig, dass die einzelnen Spieler, sprich Roboter, miteinander kommunizieren, aber dennoch autonom handlungsfähig bleiben um im Spiel erfolgreich zu sein. Diese Eigenschaften kann man auf die Wissensproduktion umlegen. Es ist wichtig, dass wir eigenständig und individuell Wissen produzieren können, aber gleichzeitig auch mit anderen im Kollektiv.

 

  • Kollaboration in der Wissenschaft

Auch im Bereich der Wissenschaft findet in den letzten Jahren eine verstärkte Globalisierung und Coautorenschaft statt. Viele Wissenschaftler folgen der Open-access-Initiative, was bedeutet, dass ihre Werke „frei“ nutzbar sind. Durch eine Kollaboration vieler Wissenschaftler wird das Urheberrechtsgesetz unbrauchbar, da bei Gemeinschaftsprojekten die Rechte eines Mitwirkenden nicht mehr für das Komplettwerk geltend gemacht werden kann.

 

  • Kollaboration im Wissensmanagement

Wissensmanagment sind "alle Verfahren, die es einer Organisation erlauben, eine bessere Kontrolle über Produktion, Verteilung und Nutzung von explizitem und implizitem Wissen zu bekommen" (Kuhlen 2004, S. 9). Kuhlen plädiert für ein „Wissens-Warehouse“ (vgl. Kluhen, 2004). Information ist in Conaintern abgespeichert und steht einer Person im richtigen Moment zur Verfügung. Information ist das Ergebnis von Kommunikationsprozessen, also ein dynamischer Prozess. Kuhlen spricht von  einem „ Netzwerk- oder das kommunikative bzw. kollaborative Paradigma“.

 

  • Kollaboratives Lernen

 

Kollaboratives Lernen ist kein statischer Prozess, es ist ein dynamischer Prozess, wobei das erarbeitete Wissen in ein Netzwerk einfliest. Als Beispiel für eine Teamarbeit
dient das ::collabor:: Wissensnetzwerk. Ich habe die Möglichkeit mich weiterzubilden und auch Beiträge meiner Mitstudenten zu ergänzen oder neue Denkanstöße zu geben. Da ich schnell auf Beiträge
eingehen kann, aber gleichzeitig die Beiträge archiviert werden, erlangt die Kommunikation auf ::collabor:: sowohl asynchronen, wie auch synchronen Charakter. Allerdings könnte die Eitelkeit mancher Mitstudenten zum Problem werden, weil dem Wissen des Professors muss man als Student (blind) vertrauen, aber man weiß, dass man selber oft Fehler macht, und folglich machen auch meine Mitstudenten Fehler, darum stellt sich die Frage ob ich dem erarbeitetem Wissen anderer Vertraue. In so einem Netzwerk muss man auch lernen offen mit Kritik um zu gehen, weil niemand perfekt ist und folglich ist auch niemandes Werk perfekt. Es gibt immer Punkte zu ergänzen oder zu korrigieren je nach aktuellem Wissensstand. Konkurrenzdenken wirkt sich negativ auf kollaboratives Lernen aus und die
Interaktivität der Teilnehmer ist obligatorisch. Nicht mehr eine einzelne Person (der vortragende Professor) bildet die Masse weiter, sondern die Masse bildet sich selbst aktiv weiter.

 

Die globale Dimension des kommunikativen Paradigmas

(vgl. Kapitel 4 Die globale Dimension des kommunikativen Paradigmas)

Ein Standbein der Kollaboration ist die Kommunikation und folglich fordert Kuhln ein „right to communicate" (r2c). Unter dem Kommunikationsrecht verstehen Juristen eine Mitteilungs- und Rezipienten Freiheit. In Verbindung mit verschiedenen Kulturen kann es beim r2c zu Konflikten kommen. Als Folge eines Streits, der sich zwischen 1975 und 1985 ereignete, um eine neue Weltinformations und -kommunikationsordnung tritt die USA  aus der UNESCO aus. Dabei ging es nach Kuhlen faktisch um die Besitzverhältnisse und die Dominanz der Informations- und Medienmärkte. Für Kuhlen muss das r2c universal und fundamental sein. Kommunikationsfreiheit soll für jeden das Recht Wissen und Information frei aus zu tauschen bedeuten umso eine Öffentlichkeit entstehen zu lassen.

 

Der Artikel 19 der UDHR besagt folgendes:

„Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“ (http://www.unhchr.ch/udhr/lang/ger.htm)

Das r2c soll die open-acess Ideologie vorantreiben und gleichzeitig auf die Missstände im Mediensystem hinweisen. Autoren sollen mehr Rechte über die Verwendung ihrer Werker erhalten. R2c soll bei der Bildung einer alternativen Öffentlichkeit helfen. Somit bezweifelt Kuhln, dass „ein interpretatorischer, quasi hermeneutischer Anspruch an die kodifizierten Menschenrechte ausreichend ist" (Kuhlen 2004, S. 14) Der Artikel 19 der UDHR besagt, dass jeder das Recht hat Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten und somit würde dieser Artikel doch zu Kuhlens Idee passen. Suchen kann man Information in Netzwerken ohne Rücksicht auf Grenzen, also impliziert das eine Wissensglobalisierung im Sinne von globaler Kollaboration. Legt man den Artikel 19 wörtlich aus teile ich Kuhlns Zweifel, da dies aber nicht zwingend notwendig ist, erlangt der Artikel 19 im leicht abgeänderten, praxisorientierten Sinn volle Gültigkeit.

Quellen:

Kuhlen, Rainer (2004). Wenn Autoren und ihre Werke Kollaborateure werden – was ändert sich dann? Oder: wenn Kommunikation ein Recht, gar ein Menschenrecht wird –was ändert sich dann? Hrsg. Universität Konstanz, FB Informatik und Informationswissenschaft. Erscheint in: C. Bieber; C. Leggewie (Hg.): Interaktivität – ein transdisziplinärer Schlüsselbegriff. Frankfurt:
Campus-Verlag

Online Quellen (alle aufgerufen am 21.11.04):


http://217.175.235.200/basisreligion/schweigespirale.htm

http://www.unhchr.ch/udhr/lang/ger.htm

http://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Software


http://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Software#Freie_Software-Bewegung

http://www.gnu.org/copyleft/gpl.html


http://de.wikipedia.org/wiki/Creative_Commons%22


http://de.wikipedia.org/wiki/Hauptseite


http://de.wikipedia.org/wiki/Wiktionary

 

Links zu Kommentaren auf den Weblogs der anderen Teilnehmer:
Synchrone-Asynchrone Kommunikation




 

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anna.schuetz.uni-sbg, Mittwoch, 24. November 2004, 12:27
synchone/asynchrone Kommunikation
Hallo Flo!

Wollte in meiner persönlichen Stellungnahme nicht den Eindruck hinterlassen, dass ich die asynchrone Kommunikation grundsätzlich favorisiere. Im Bezug auf ::collabor:: mache ich das der Tat. Natürlich gibt es unzählige Situationen (auch im gemeinsamen lernen), wo eine synchrone Kommunikation durchaus angebrach wäre. Ich fände es ideal, wenn es im ::collabor:: zusätzlich einen kleinen Chat-Bereich geben würde. Was sagtst du dazu?

Zu deiner Stellungnahme in Bezug auch "Vertrauen" habe ich noch etwas anzumerken. Im ::collabor:: gibt es schließlich eine bestimmte Struktur, in der auch ein Moderator (in unserem Fall der Lehrveranstalter) integriert ist. Siehe dazu meine Zusammenfassung vom Kuhlen-Text unter Punkt 3.4 (3. Absatz) auf meinem Weblog

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Hans.Mittendorfer.Uni-Linz, Dienstag, 18. Januar 2005, 16:41
auch Sie zitierten ..

.. in Ihrer durchaus interessanten Auseinandersetzung mit den Theorien Kuhlens, das Riepl'sche Gesetz.

Dem letztgenannten könnte man aber entgegenhalten, dass es sehr wohl im Bereich der klassichen Medien (nichtdigitalen / nicht Informatikbasierten) seine Berechtigung hat, nicht aber auf die Neuen Medien übertragbar ist. Die mit den Neuen Medien erstmals, bzw. erstmals effektiv umsetzbaren Eigenschaften (Hypertextualität, globale Verfügbarkeit, weitgehende Orts- und Zeitunabhängigkeit, Multimedialität, siehe Thesen zu New Media) könnte die bestehende Medienlandschaft ins wanken bringen.

Erste Anzeichen dafür gibt es!

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