Statement Systembedingter Missbrauch von digitalen Daten

thomas.groebner.uni-sbg, 10. Juni 2012, 17:57

Im Beitrag "Machtverschiebung durch das Web"wurde auf die Rede von Prof. Kruse im Rahmen der Enquete "Internet und digitale Gesellschaft" über revolutionäre Netze und kollektive Bewegungen verwiesen. Dabei hat der Wissenschaftler zehn Thesen zur Entwicklung des Internets entwickelt. Eine davon lautet: "Das im Internet bestehende Missverhältnis zwischen  der erlebten Flüchtigkeit von Interaktionen und der dauerhaften Speicherung hinterlassener Spuren erhöht systembedingt das Risiko von Missbrauch." (Kruse, 2010, Bundestag) Auf welche Entwicklungen bezieht sich Kurse, wenn er vor systembedingten Mißbrauch warnt?

Cloud-Computing - lecke Daten-Wolke?

Durch die zunehmende Nutzung von Cloud-Computing werden immer mehr Daten auf externe Server gelagert. Offensichtlich sind die Vorteile: Informationen sind dezentral gelagert und gegen Hardware-Ausfälle geschützt. Immer mehr persönliche Daten wandern in die Cloud: Am Iphone wird mittlerweile ganz automatisch alle Kontakte gespeichert. Aber auch Cloud-Dienste sind nicht für die Ewigkeit konzipiert. Als Wirtschaftsunternehmen unterliegen sie dem natürlichen Risiko einer Insolvenz. Was geschieht dann mit den Daten, die dann durch die Entwicklung entsprechender Analysetools auswertbar, verknüpfbar und damit wertvoll werden? Wer schützt die Nutzer vor Mißbrauch und Verkauf der Daten?

Facebook - Aus den Augen, nicht aus dem Sinn

Anhand des sozialen Netzwerkes ist gut abzulesen, was Kurse als "fehlende Intuition" beim Nutzer ausmacht: "Für eine realistische Abschätzung der Auswirkungen von 

Kommunikation in Netzwerken fehlt den Menschen aus psychologischer Perspektive einfach jede Intuition." (Kruse)Die Ordnung der Nutzereingaben nach dem temporären Prinzip, nach dem ältere Beiträge im Fluss der Daten verschwinden, suggerieren den Nutzer, dass diese Daten nicht mehr zu sehen sind. Zusätzlich dazu ist der Blick des Nutzers auf die Daten im Netzwerk stark subjektiv und eingeschränkt. Trotzdem nimmt der Nutzer nur das als gegeben an, was in seinem Erfahrungsbereich liegt. Aus dem Augen, aus dem Sinn, diese Phrase gilt in sozialen Netzwerken nicht.  Paradigmatisch für eine falsche Handhabung der sozialen Netzwerke ist die außer Kontrolle geraten Geburtstagsfeier einer jungen Frau, die versehentlich mehrere Tausend Nutzer eingeladen hatte - die auch kamen. 
Facebook-Party Dementsprechend gibt es mittlerweile auch Ratgeber für die Nutztung von sozialen Netzwerken. Wie etwas das Buch "Plus Eins" des Journalisten Philipp Steuer.  Mit dem Recht der Informationellen Selbstauskunft ist die Grundlage gelegt. In der deutschen Rechtssprechung ist der Nutzer eigentlich als Herr seiner Daten vorgesehen. Bloß - in der Realität sieht es anders aus. 

Kruse: "Während Eingriffe in die Inhalte oder Beschränkungen des Zugangs zum Internet so weit als möglich vermieden werden sollten, ist eine Kontrolle des Umgangs mit den gespeicherten Daten zum Schutz der Nutzer unbedingt erforderlich."  

Lösungsansätze

Als möglicher Lösungsansatz wurde ein "digitaler Radiergummi" für Daten entwickelt. Allerdings ist die unbefristete "Haltbarkeit" der digitalen Daten bislang eine der Eckpfeiler der Internet-Architektur gewesen. Mit der Aufhebung dieses Grundsatzes würde sich auch das Internet verändern. Darüberhinaus ist unklar, ob diese Daten tatsächlich verschwinden. Über Speicher-Dienste wie die Way-Back-Machine, die ein regelmäßiges Abbild einer Internetseite erstellen, können gelöschte Daten wieder zugänglich werden. Mayer-Schönberger fordert in seinem Buch "Delete: Die Tugend des Vergessens im digitalen Zeitalter" ein Mindesthaltbarkeitsdatum für Daten. Nach Ablau der individuell festgelegten Zeit werden die Daten gelöscht. Diesen Zeitraum legt der Urheber fest. Aber was ist mit Musiktiteln? Darf hier der Besitzer der Daten entscheiden? Unser momentanes Verständnis von Daten ist nicht auf Endlichkeit eingestellt. Die Reproduzierbarkeit haben Daten zu einer Ansammlung von Informationen von geringen Wert gemacht, kritisiert der Dozent am Oxford Internet Institute. Dies gilt aber nur solange, bis Analysetools die Daten auswertbar und zuordbar machen können. 

"Die Kunst des Vergessens im digitalen Zeitalter" Viktor Mayer-Schönberger im Gespräch Teil I

Kruse "Insbesondere, wenn sich die Möglichkeiten der Analyse der im Internet hinterlassener Spuren tatsächlich  zum nächsten Internet-Boom entwickeln sollte, ist  zu hoffen, dass die Durchsetzung von Regeln und 
Kontrollmechanismen Schritt halten kann."

Bislang sind solche Kontrollmechanismen und Regeln nicht in Sicht. Dafür sind Fortschritte bei der Auswertung und kommerziellen Nutzung unserer Daten erkennbar. 

 

Quellen (Zugriff auf digitale Quellen zuletzt am 10.06.12) 

http://www.tagesspiegel.de/medien/digitale-welt/digitaler-radiergummi-verschluesselung-ist-momentan-der-wirksamste-schutz/3695194.html 

http://web.archive.org/web/19970119110017/http://www.fmi.uni-passau.de/fmi/cip/mitarbeiter/schiessl.html WWW-Verwalter der Uni Passau 

Kruse, Peter (2010): Beitrag zur öffentlichen Anhörung am 5. Juli 2010 der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft http://www.bundestag.de/internetenquete/dokumentation/Sitzungen/20100705/A-Drs__17_24_004-H_-_Stellungnahme_Kruse.pdf

Mayer-Schönberger, Viktor (2010): Delete: Die Tugend des Vergessens in digitalen Zeiten. Berlin University Press, Berlin. 

http://googleplusinside.de/?wpdmact=process&did=Mi5ob3RsaW5r

http://www.youtube.com/watch?v=fwxn_oweNBk

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