Referat Analyse der Dokumentation "Richtung 2000"
Hans.Mittendorfer.Uni-Linz, 5. April 2018, 16:28
Dokumentation von Arno Schmuckler und Peter Kerstan, ZDF 1972
Die nachfolgend zitierte Dokumentation wird im Hinblick auf die enthaltende Vorausschau auf die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik analysiert.
Dokumentation, Teil 2
Analyse
Die Ausgangssituation zum Zeitpunkt der Dokumentation
Die Wirtschaftslage im eurpäischen Zentralraum, dargestellt an der damaligen Bundesrepublik Deutschland, war Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts bis zum Auftreten des ersten "Ölschocks" von bisher unerreichtem Wachstum, hoher Beschäftigung und einem zur Euphorie verleitenden Bruttoinldansprodukt gekennzeichntet.
Zur Illustration der Einschätzung ökonomischer Konsequenzen des "Ölschocks" soll die "Tagesschau" vom 28. Nov. 1973 dienen. Wie die nachstehende Statisik zeigt, haben sich Beschäftiung und BIP schnell erholt.
Quelle: Tagesschau NRW, 28. Nov. 1973
Quelle (3. März 2011)
Die Gesellschaft aber litt unter dem Verkehrschaos in den Ballungszentren und der hohen Umweltbelastung, insbesondere unter der Luftverschmutzung. Die biologische Qualität der Lebensmittel wurde, zwar noch nicht in der Wahrnehmung der Massen, aber von Experten und Eliten als unzureichend empfunden. Allgemein wurde auf Quantität, dem hohen Wirtschaftswachstum entsprechend, mehr Wert gelegt, als auf Qualität. Die Kurzlebigkeit hielt Einzug.
Im öffentlichen Leben herrschte noch eine hohe Wissenschaftsgläubigkeit, beeinflusst von den medial gut inszenierten Leistungen der Weltraumforschung, der Atomenergie und der Computertechnik, die letztendlich in engen Zusammenhang gebracht wurden. Bis dahin er zielte Erfolge aus "Wissenschaft und Technik" wurden auf künftige Entwicklungen anderer Wissensgebiete (z. B. auf der Medizin und der Wirtschaft) linear transferiert.
"Operations Research" (OR) war ein Schlüsselbegriff dieses Zeitabschnitts. Wissenschafter aus mehreren Disziplinen sahen sich (mathematischer) Formeln nahe, die berechnet in Großcomputeranlagen und gespeist mit Daten aus permanent aktualisierten Datenbanken, optimale Lösungen für Aufgaben der Betriebsführung, dem Kerngebeit des OR, aber auch gesamtwirtschatftlicher Fragestellungen oder gesellschaftlicher Herausforderungen liefern sollten.
Der Ausblick auf das Jahr 2000
IT-Einsatz für optimierte Lösungen in Wirtschaft und Politik
Bestehende Misstände werden mit Methoden wissenschaftlicher, computergestützter Eintscheidungshilfen für die Politik und die Wirtschaft beseitigt, damit wirtschaftliche und soziale Errungenschaften auch künftighin stabilisiert und ausgebaut werden können. Die dazu notwendige "Rechenleistung" kommt von Rechenzentren, die ihre Dienste an mehrere Nachfrager anbieten. An die Einbindung der Betroffenen (Konsumenten, Bevölkerung) wird nicht gedacht, undenkbar scheint, dass sich die Beteiligten selber einbringen (partizipieren).
Abbildung: Ausschnitt eines Rechenzentrums
Quelle: aus Arno Schmuckler, Peter Kerstan, ZDF 1972
Die Menschen leben in teilautomatisierten (Single)-Haushalten, die in monotonen Wohnsilos untergebracht sind. Energie- und umweltschonende Verkehrssysteme, bestehend aus einer Mischung von modernen, öffentlichen Verkehrsmitteln und den urbanen Verhältnissen angepasseten Elektroautos, bieten die erfoderliche Mobilität. Telearbeit ist nicht implementiert. Die Erwerbstätigen arbeiten 25 Stunden pro Woche und gehen mit 50 in den Ruhestand. Das Angebot für den Kosum bzw. die Haushalte bietet dem hohen Freizeitanteil entsprechend, wenig Angebote. Der Diestleistungsmarkt im Sektor Unterhaltung/Freizeit (z.B. Spiele, Unterhaltung, Lernen) wird nicht bedient, bzw. kaum in das elektronisierte Informations- und Nachrichtenwesen eingebaut. Die Unterhaltung beschränkt sich auf den Fernsehkonsum.
Abbildung: Wohnbereich mit "Raumschiff Enterprise-Atmosphäre"
Quelle: aus Arno Schmuckler, Peter Kerstan, ZDF 1972
IT-Anwendungen in den Haushalten
Es ist zu vermuten, dass die im Jahr 2000 zur Anwendung kommende IT bzw. Kommunikationstechnik die Haushalte nicht mit digitalen, sondern mit analogen Diensten versorgen soll. Die für Haushalte unleistbare Digitaltechnik ist Rechenzentren und Unternehmen vorbehalten.
Abbildung: Kernspeicher mit einer Kapazität von 140 Bit. Darstellung ca. 1:1
Quelle: H. Mittendorfer
Anmerkung: Die erst in den späten 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts einsetzende Entwickung und Massenproduktion neuer, digitaler Bausteine, insbesondere die Steigerung der Packungsdichte von Schaltkreisen zur sogenannten Very Large Scale Integration, sowie der damit verbundenen Leistungssteigerung bei gleichzeitigem Preisverfall war nicht einkalkuliert. Das Auftreten der Personalcomuter, verbunden mit digitaler Übertragungstechnik (z.B. Computernetze, Modems) dezentralisierte und revolutionierte die IT.
Unter dieser Prämisse werden folgende Dienste für den Haushalt angeboten:
- Teleshopping
- mit demTeleshopping verbundenes Telebanking
- Tele-Zeitung (Das Sterben kleiner Zeitungsverlage wurde erkannt)
- Videotelefon
- Satellitenfernsehen (Flatscreen)
Dennoch fehlen folgerichtig Anwendungsbereiche wie:
- Teleworking
- Dienste für Unterhaltung und Freizeit
- Telelernen
(Neben)effekte
Gesellschaftliche Entwicklungen werden vor allem unter Aspekt der Vereinsamung, verursacht durch exzessiven Fernsehkonsum und die Videotelefonie aufgegriffen. Themen wie Privatsphäre, Urheberschaft, Kriminaltität kommen wahrscheinlich deshalb nicht zur Sprache, da die aktive Beteilung der Nutzer (der Gesellschaft) am Netzgeschehen, mit Ausnahme des Teleshoppings, im Szenario nicht vorgesehen ist.
Schlussfolgerung
Die vorliegende, vorausschauende Dokumentation aus dem Jahr 1972 ließ sich von den damals aktuellen, großtechnischen, wissenschaftlichen Erfolgen leiten. Aber sowohl der wissenschaftliche Erkenntnisstand, als auch der Stand der Digitaltechnik war, wie sich herausstellte, unbrauchbar für eine realistische Einschätzung der Zukunft.
Als Motiv bzw. die Zielsetzung des prognostizierten Einsatzes der IT wurde die Behebung bestehender Mängel (Umweltprobleme, Lebensmittelqualität, Verkehrschaos) und die Erhaltung bzw. den Ausbau des in der Nachkriegszeit erarbeiteten Wohlstandes unterstellt. In aktuellen, erfolgreichen Diensten (z.B. Facebook, Twitter), können keine demokratie- oder wirtschaftspolitischen Gründungsmotive erkannt werden. Können dennnoch Pänomene der angesprochenen Kategorie festgestellt werden (wie z.B. im Zusammenhang mit aktuellen poltischen Ereignissen im nordafrikanisch-arabischen Raum), so sind diese allein auf Triebkraft ihrer Nutzer zurückzuführen.
Pressekonzentration
thomas.groebner.uni-sbg, 19. März 2012, 10:59
In Richtung 2000 wird über die Pressekonzentration aus heutiger Sicht eine richtige Einschätzung basierend auf falschen Annahmen.
Angenommen wird, dass die Publikation von aktuellen Nachrichten so teuer wird, dass nur noch große Zeitungen diesen Dienstleistung leisten könnten. Heute ist es genau umgekehrt, die aktuellen Nachrichten können theoretisch fast gratis publiziert und gelesen werden. Trotzdem gibt es heute fast ausschließlich große Verlage, die vor allem im Printsektor den Markt unter sich aufteilen.
Teilweise ins Schwarze
Gerald.Stollnberger.Uni-Sbg, 19. März 2012, 12:15
Ich finde es unglaublich dass sie 1972 in der Prognose doch oft ins Schwarze getroffen haben. Natürlich nicht eins zu eins aber beispielsweise mit Optimum 10 (Medikamente gegen Depressionen sind vorhanden) oder auch mit dem digitalen Satellitenfernsehen, wenn auch die Vorhersage bezüglich der Anzahl der Sender etwas vorsichtig war. Auch das Fernsehtelefon was in ähnlicher Form mittels Skype oder auch Videotelefonie auf modernen Smartphones in dieser Weise heute durchaus gebräuchlich ist..
Weiterführende Ergänzungen findet ihr in meinem Blog.
Kritische Betrachtung
Alexander.Obwexer.Uni-Sbg, 19. März 2012, 14:23
Besonders interessant habe ich den teil gefunden wo auf das Lochkartensystem bezug genommen wird. Es wird ziemlich schnell ersichtlich, dass von 'Digitalisierung' und 'Miniaturisierung' nicht die Rede sein kann. Ähnlich wie im Film wird auch heute darauf verwiesen, dass eine Energiequelle von einer anderen Energiequelle abgelöst werden soll. Anstatt (so wie im Beitrag) ÖL soll die Kohle treten. Heute sollen Atomkraftwerke durch moderne 'umweltfreundliche' Kohlekraftwerke abgelöst werden. Trotz Vernetzung läuft ein Großteil des geschehens zentralisiert ab. Von Energy bzw. Information Autonomy kann nicht die rede sein. An dieser Stelle möchte ich auf einen sehr interessanten Dokumentarfilm verweisen der dies thematisiert:
Tanja.Braun.uni-sbg, 24. März 2012, 12:44
Leider ist das Video nicht abspielbar, scheinbar wurde das Youtube Video vom Nutzer entfernt.....:(
Das Jahr 2000
Stephanie.Wagner-Berger.uni-sbg, 21. März 2012, 12:13
Ich fand es sehr interessant zu sehen wie 1972 die Erwartungshaltung für das Jahr 2000 war. Zum Teil ähneln technische Neuerungen der Dokumentation, Geräten von heute.
Das Fernsehgerät, welches wenn es nicht eingeschalten ist als Bilderrahmen funktioniert, erinnert sehr stark an die Flatscreens welche heutzutage angeboten werden. Auch sehr interessant sind die Elektroautos, welche an den wichtigsten Eckpunkten der Städte bereitstehen. Auch diese Entwicklung gab es tatsächlich, auch wenn sich diese bis heute nicht vollständig/noch nicht unbedingt durchgesetzt hat. Mehr dazu in meinem Blogeintrag.
Nadine.Schmidt.Uni-Sbg, 21. März 2012, 12:27
Es gibt ja auch schon elektronische Bilderrahmen und man kann sich Fotos auf dem Fernseher ansehen (zwar natürlich nur dann, wenn er auch eingeschalten ist, aber es ist möglich) - also so falsch sind sie damit nicht mal gelegen.
Tanja.Braun.uni-sbg, 24. März 2012, 12:38
seltsam ist aber, dass man zwar beim Fernseher vermutet hat, dass er flacher wird, aber bei allen anderen Geräten, wie Computer und Fernbedienungen, nicht davon ausgegangen ist, dass sie in zukunft viel kleiner und schmaler sein werden...
Web 3.0
Christoph.Honeder.Sbg, 22. März 2012, 10:09
Auch ich habe den Beitrag als sehr spannend empfunden was die Genauigkeit der Vorhersagen betrifft. Solche Vorhersagen wären auch für das hier und jetzt durchaus interessant. Leider konnte ich nichts Umfassendes wie "Richtung 2000" finden. Dennoch stieß ich bei meiner Suche auf ein sehr interssantes und gut gemachtes Video, welches die Wandlung des Internets beschreibt. Mehr dazu auf meinem Blog...
Das zweite ist mein Osterbeitrag, der sich auch der Zukunft von Web, Cloud, Browsern und Apps widmet.
Statement
Tanja.Braun.uni-sbg, 25. März 2012, 11:20
Ich habe mich nun auf meinem Blog nochmal genauer mit der Dokumentation von "Richtung 2000" auseinander gesetzt und ein interessantes Video von Microsoft gefunden, das eine Prognose für das Arbeitsleben im Jahr 2019 darstellt. Beim Einbetten des Videos hatte ich allerdings einige Probleme. Es scheint als würde beim Abspeichern der src tag aus dem iframe entfernt. Falls das jemandem von euch auch so geht: Bei mir hat es letztendlich geklappt, als ich das Video nochmal offline und anschließend nochmal online gesetzt habe. Erklären kann ich mir das aber nicht...
Statement und Zukunftsvisionen
Alex.Schimming.uni-sbg, 21. April 2012, 14:56
In meinem Statement zu diesem Thema analysiere ich im Kurzen eine aktuelle Zukunftsvision (eigentlich vier), die die Zukunft des Webs behandeln.