Propaedeutikum Auswirkungen des mobilen Internets auf die Gesellschaft
melanie.hofer.uni-linz, 31. Jänner 2014, 10:24
Alles in Echtzeit. Wir leben in einer Welt in der mobile Endgeräte unser Leben beeinflussen und verändern. Die blau-rot-gelb-blau-grün-rote Brille durch die wir schon bald das Leben sehen werden ist keine Illusion mehr sondern kann unsere Wahrnehmung und unser Verhalten verändern. Unser Mobile-Me wird zu unserem Wegbegleiter und -gefährten durch all unsere Lebenssituationen. Klar ist, dass die Gesellschaft durch das mobile Internet verändert wird. Doch in welche Richtung und mit welchen psychologischen und gesundheitlichen Folgen geht diese Veränderung einher?
In der Zukunft wird aus der Informationsgesellschaft die Gigabitgesellschaft. Es werden noch größere Datenmengen in kürzerer Zeit übertragen, smarte (mobile) Geräte werden Informationen in Echtheit verarbeiten und bedarfsgerecht kombinieren und es werden Informationen von unterschiedlichen Quellen intelligent miteinander vernetzt werden. [1] Die digitale Welt wird zum Abbild der realen Welt. Die reale Welt wird von der digitalen immer mehr beeinflusst. Egal wo wir sind können wir Termine organisieren, Fotos teilen, unseren Weg finden und alles googlen. Wenn wir das was wir heute schon mit unseren Smartphones tun neu kombinieren werden bald schon reale und virtuelle Welt vollständig miteinander verschmelzen. Dann können wir länger schlafen weil sich das aus der Position von Standorten, Terminen und dem Stau ergibt. Aber das alles nur solange wir uns nicht vor der Datenkrake fürchten… [2]
Diese Verschmelzung der realen mit der virtuellen Welt birgt demnach viele Vorteile und Chancen für die Gesellschaft. Wie wirken sich jedoch diese netzbezogenen und informationstechnischen Innovationen auf unser tägliches Leben aus? Wie wird sich das mobile Internet auf das Verhalten (die Kommunikation) der Gesellschaft auswirken?
Um diese Fragen zu beantworten wurden einige Studien herangezogen. Zum einen eine Studie vom Fraunhoferinstitut für System und Innovationsforschung die Anhand der Scenario-Thinking-Methode sechs Zukunftsszenarien aufstellt. Für diesen Beitrag wurde ein Szenario bestehend aus einem Positiv- sowie einem Negativszenario herangezogen, dass sich u.a. mit der Kommunikation der Menschen in der Zukunft auseinandersetzt.
Positivszenario |
Negativszenario |
Im Positivszenario wird die Gesellschaft alles in Echtzeit bewältigen können. Menschen können ohne Wartezeit für die Übertragung und ohne Medienbrüche auf allen Geräten auf Informationen, Kommunikationsdienste und Unterhaltungsangebote sofort zugreifen. Mittelbare Verfügbarkeit, umständliche Recherche und langwierige Suchprozesse werden immer weniger akzeptiert. Anwendungen wie WebTV, Augmented Reality und multimediale Online-Seminare stehen im Mittelpunkt. Informationssuche muss schnell gehen. Viele Anwendungen im Beriech der Online Schulungen, Unterhaltung und Orientierung in fremden Umgebungen sowie die Echtzeitübertragung von Produktionsdaten werden durch die gestiegene Datenübertragungsgeschwindigkeit im Internet ermöglicht. [1] |
Das Negativszenario der gesellschaftlichen Auswirkungen des mobilen Internets zeigt konträre Veränderungen. Zum einen gibt es Stau in der Cloud. Der Netzausbau wurde nicht entsprechend realisiert und somit kommt es zu langsamerer Übertragung. Nicht zugestellte IP-Pakete, Netzüberlastung und –ausfälle sowie Datenstaus sind die Folgen. Location based Services werden aufgrund der störenden Werbung bzw. der nicht relevanten, verlässlichen oder aktuellen Informationen kaum genutzt. Die Nutzer wollen ihre persönlichen Daten nicht offenlegen und sind von der Gegenwartsausweitung und Beschleunigung überfordert. Viele wollen daher bewusst nicht ständig erreichbar und verfügbar sein. [1] |
Das mobile Internet verändert die Gesellschaft. Die Frage ist jedoch in welche Richtung? Es zeigt sich, dass Änderungen in der Gesellschaft geknüpft sind an Voraussetzungen die sowohl Technik als auch Politik und Wirtschaft betreffen. Dazu zählt der Ausbau der (mobilen) Netzinfrastruktur mit genügend Bandbreite und unabhängigen Anbietern, die Interoperabilität der Informationen von verschiedensten Applikationen und geregelte Datenschutz- und Privatsphärebestimmungen. [1] Große Veränderungen brauchen demnach Zeit.
Geht es in Richtung Gigabitgesellschaft steht man sich nun die Frage welche Folgen die mobile Internetnutzung auf die Gesellschaft hat? Wie ist die Entwicklung auf psychologiesche Sicht zu beurteilen? Können wir durch die Nutzung des Internets unser Leben verbessern, unser Wohlbefinden und Glück steigern? Oder bringt das Internet eher Gefahren für das seelische Gleichgewicht? [3]
Das Internet kann zum einen das Wohlbefinden und die Gesundheit verbessern. Indem das Internet Betroffenen die Möglichkeiten bietet sich über Krankheitsbilder, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten zu informieren befassen sie sich zeitnah und aktiv mit ihren Krankheiten. Sie werden zum Arztbesuch motiviert, können kompetenter mit medizinischem Personal kommunizieren und fühlen sich entscheidungssicherer. Online Selbsthilfegruppen verbessern auch nachweislich die subjektive Empfindung der Patienten [4]. Vor allem profitieren Menschen die aus persönlichen, beruflichen oder gesundheitlichen Gründen keinen Zugang zu herkömmlichen Offline-Selbsthilfegruppen haben von der online Version. Online-Selbsthilfegruppen füllen also eine psycho-soziale Versorgungslücke und werden in einer alternden Gesellschaft, in der das Leben mit Behinderungen und chronischen Krankheiten alltäglich wird, weiterhin stark an Bedeutung gewinnen. Diese Möglichkeiten des Internets können begleitend zu herkömmlichen Behandlungsprogramme eingesetzt werden um die Reichweite und Qualität der Gesundheitsversorgung und damit das Wohlbefinden der Bevölkerung zu verbessern. [3]
Ein weiterer wesentlicher Faktor für psychologisches Wohlbefinden ist ein positives Selbstbild. Dieses kann sich durch Erfolgserlebnisse einstellen indem das Internet die Möglichkeit bietet etwas anderen zu präsentieren worauf man stolz ist oder das was einen beschäfitgt und ausmacht auch auszudrücken und dabei positive Resonanz von anderen zu erhalten. Dabei bietet das Internet eine Möglichkeit der Identitätsdarstellung von Individuen und Gruppen. Besonders für Jugendliche die auf der Suche nach ihrer eigenen Identität sind hat das Internet große Bedeutung. Auch Erwachsene die sich in kritischen Lebenssituationen befinden (etwa Trennung oder Todesfälle), künstlerisch ambitioniert sind oder gesellschaftlichen Minderheiten angehören profitieren von der Internetöffentlichkeit die bei der Identitätsarbeit hilfreich ist. [3] Schüchterne Menschen berichten von Vorteilen des Internets, da sie sich mithilfe von Online-Kommunikation per E-Mail, Chat oder Instant Messenger oft entspannter fühlen als im direkten Gespräch und dass es ihnen leichter fällt, ihr wahres ich zu zeigen [5].
Um zwischenmenschliche Beziehungen aufrecht zu erhalten werden von Jugendlichen Instant Messenger bevorzugt genutzt. Diese verstärkte Internetnutzung ist dabei ein Ausdruck von besonders guter sozialer Integration und nicht wie oft befürchtet ein potentielle Isolationsgefahr. Die Online-Kommunikation verdrängt dabei nicht das persönliche Gespräch sondern bietet zusätzliche Kontaktmöglichkeiten. Auch können Familien die geografisch getrennt sind dank Online-Fotoalbum und Webcam den Kontakt zu ihren Kindern, Eltern, Verwandeten halten. Dabei ist der Austausch der Online-Kommunikation im Vergleich zum postalischen Brief weniger floskelhaft und steif, dafür lebendiger und ähnelt dem mündlichen Gespräch. [3]
Auch wird der Aufbau einer Beziehung oder Freundschaft via Online-Kontaktvörsen als besonders tragfähig nachgewiesen. Online Kontakte erweitern das soziale Netzwerk indem man seinen Horizont erweitert und sich nicht nur mit seinesgleichen austauscht. Online-Beziehungen sind in der Regel eher schwache Bindungen und nicht so stabil wie herkömmliche persönliche Beziehungen. Dies kann jedoch auch eine Stärke und psychologisch vorteilhaft sein. [3]
Somit kommen wir zu den vermeintlichen Nebenwirkungen, den Folgen des mobilen Internets die sich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen auswirken können.
Bei dem mobilen Internet handelt es sich jedoch um eine Technologie, deren Auswirkungen wir noch nicht wirklich kennen und die wir erst genau untersuchen müssen. Demnach kann man kaum Aussagen treffen über vermeintliche Nebenwirkungen die mit dem mobilen Internet einhergehen. Einige Ärzte sehen dahinter jedoch die Problematik. Mit dem mobilen Internet verhalte es sich ähnlich wie beim Rauchen, bei Bluthochdruck oder beim Altersdiabetes, die Veränderungen des Körpers durch den Mobilfunk passieren langsam und zunächst unbemerkt. [6]
Das mobile Internet wird die Gesellschaft verändern. Fraglich ist noch in welche Richtung diese Veränderung stattfinden wird. Zum einen gibt es einige Studien darüber, die zeigen, dass sich unser Wohlbefinden und unsere (psychische) Gesundheit durch das mobile Interent verbessern wird. Doch eine Frage bleibt noch weitgehend unbeantwortet: Welche Auswirkungen hat das mobile Internet auf unsere (physische) Gesundheit? Demzufolge stehen wir vor einer Forschungslücke und der Frage: Ist diese gewollt?
Quellen:
[1] Beckert, Bernd; Schumacher, Jana (15.5.2013) abgerufen am 19.11.2013
[2] Strauss, Christine; Brüggmeier, Christoph (8.11.2013): Wie mobiles Internet die Welt verändert. Abgerufen am 18.11.2013
[3] Döring, Nicola (19.9.2008): Psychische Folgen der Internetnutzung. Abgerufen am 19.11.2013
[4] Shelly Rodgers/ Qimei Chen (2005): Internet Community Group Participation: Psychosocial Benefits for Women with Breast Chancer., in: Journal of Computer-Mediated Communication, 10
[5] John A. Bargh/ Katelyn Y.A. McKenna/ Grainne M. Fitzsimons (2002): Can You See the Real Me? Activiation and Expression of the "True self" on the Internet, in: Journal of Social Issues, 58, S.33-48
[6] Huber, Erik; Knirsch-Wagner, Michaela (2009): Nebenwirkung Handy. Schaden Mobiltelefone unserer Gesundheit?
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