Mobile Business Smarter Mensch

melanie.hofer.uni-linz, 27. Februar 2014, 23:04

Big Business mit Big Data - Self-Tracking mit Runtastic und co. 

USA: Ein Mann ist erzürnt, beschwert sich bei der Supermarktkette die seiner minderjährigen Tochter einen Werbekatalog für Babyzubehör zugeschickt hat. Wolle das Unternehmen Teenager anstiften schwanger zu werden? Das Management entschuldigt sich. Einige Tage später meldet sich der Vater wieder. Seine Tochter ist wirklich schwanger. Es tut ihm leid. [1]

AUT: Sonnenschein. Der Wetterdienst der Bäckerei Ströck kommuniziert mit der Lager- und Warenwirtschaftsdaten. Ströck erstellt Absatzprognosen und produziert mehr Kornspitze. Die Lagerstände, Rabatte und Werbeaktionen werden tages- und stundenaktuell an die Witterung angepasst. [1]

EHE: Eine Ehefrau geht einkaufen. Kauft sich selbst teuren Schmuck. Tags darauf bekommt sie von einer Immobilienfirma Angebote für Dreizimmerwohnungen. Einige Tage später lässt sie sich scheiden. 

So oder so ähnlich schaut die Realität dank berechnender Algorithmen aus. Personalisierte Werbung wird in Zukunft nicht mehr wegzudenken sein. Das Verhalten der Konsumenten kann genau berechnet werden, sodass Unternehmen schon vor den Nutzern wissen wie Ereignisse reagiert wird. 

 

Wie das letzte Beispiel zeigt, können beispielsweise Kreditkartenfirmen heute schon mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen, ob sich ein Paar in den nächsten Monaten trennen wird. Einkaufsdaten werden mit soziologischen Studien verschnitten und mit historischen Trends abgeglichen: Beginnt eine Frau sich selbst Schmuck zu kaufen, ist das das Anzeichen für eine baldige Trennung [1]. 

 

„Die Ära der Intuition ist vorbei.“ (Björn Bloching) Zufall gibt es nicht mehr. Auch der Datenschutz ist Geschichte („Die Ära des Datenschutzes ist vorbei.“, Mark Zuckerberg). [1]  Deshalb entscheiden sich immer mehr Menschen dafür, sich ihrer Big Data selbst zu Nutze zu machen und die Möglichkeiten und Erkenntnisse, die die Datenanalyse bringt, für sich selbst zu nutzen. Das Schlagwort dafür: Self-Tracking – Die Vermessung des eigenen Lebens und die Nutzung der eigenen Daten. 

Elektronische Sensoren, Smartphones, soziale Netzwerke und die Cloud machen es möglich [2] . Die empirische Selbstvermessung, um etwas Neues über sich selbst zu lernen, bringt nicht nur Spitzensportlern oder chronisch Erkrankte etwas. In Zeiten der Vernetztheit und des ständigen Online-seins rücken gesundheitliche und körperlich orientierte Anwendungsbereiche wieder in den Vordergrund. Self-Tracking Tools helfen dabei aus Vermutzungen über seinen Gesundheitszustand Werte mit Realitätsbezug zu generieren. 

 

Self-Tracking Tools: 

Runtastic: Mit den Apps des 2009 gegründeten Unternehmens kann man Mountainbiking und Jogging ebenso tracken wie den puls oder die Geschwindigkeit auf der Skipiste. Über 45 millionen App-Downloads und mehr als 19 Millionen Nutzer kann die Firma weltweit vorweisen. [2]

Jawbone, Fitbit oder Nike+: Armbänder oder Sensoren die man sich an die Hosentasche klemmt messen wie viele Schritte man zurücklegt, wie viele Kilometer man läuft und wie viele Stockwerke man jeden Tag hochsteigt. Erreicht man sein Ziel leuchten Punkte oder eine Blume beginnt zu blühen. Ganz vom Modell abhängig und nach dem Prinzip der „Gamification“. Es scheint banal zu sein, jedoch spornt es an und setzt spielerische Anreize das Verhalten zu ändern. Abzeichen und die Möglichkeit des Austausches bzw. Konkurrenzdenkens auf der dazugehörenden Website unterstützen dies. Lobende Worte, Abzeichen (und eine blühende Blume) spornen an.[2] 

Apps wie „ReadMore“ halten fest, wie viele Buchseiten man jeden Tag liest. „Mappiness“ piepst zweimal am Tag an um nach der allgemeinen Lebenszufriedenheit zu fragen. Die WLAN Waage (zb. von der Firma Withings) funkt das Ergebnis des Körperfettanteils, Puls und Sauerstoffgehalt im Schlafzimmer direkt an das Online-Profil. Die Ausgaben und das Budget im Ganzen behält das App „Budget“ im Auge. Im Schlaf können dank Fitbit oder Withings Tiefschlaf- und Wachphasen mitprotokolliert werden. Und den täglichen Kalorienverbrauch misst die App „MealSnap“ bei der man die Mahlzeiten abfotografiert und das Foto die Cloud hochlädt. Das Ergebnis über die Bezeichnung der Lebensmittel und Einschätzung ihrer Kalorien kommt in ein paar Sekunden zurück. [2] 

 

Durch dieses Self-Tracking können sich Nutzer mit den harten, schonungslosen Fakten über sich selbst beschäftigen und des weiteren ihre Lebensführung anpassen bzw. verbessern. Die eigenen Fehleinschätzungen werden gnadenlos mit der Realität konfrontiert [2] . Diese Self-Tracking Tools lassen Zusammenhänge erkennen, die man sich zu Herzen nehmen und sein Leben ändern kann um gesünder und effizienter zu sein. Was man mit seinem Daten macht ist jedem selbst überlassen. Nutzt man es um sich Einzuschränken, um seine Effizienz zu steigern, sich vor unnützen Tätigkeiten zu befreien, seine Motivation anzuspornen oder auch seine Gesundheit zu fördern [2] . 

Klar ist, dass Self-Tracking das bringt was jeder persönlich daraus macht. „Dabei kann Self-Tracking, wenn es korrekt betreiben wird, den strengsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.“ (Alexandra Carmichael) Man kann seine individuelle Gesundheit ermitteln. Das was für einen persönlich richtig ist. BMI: 25, 8 Stunden Schlaf und 2000 Kalorien pro Tag? Was für die Allgemeinheit gilt muss nicht zwingend auch das Richtige für jeden. „Je mehr wir Daten – [durch Self-Tracking-Tools] – ansammeln und je schneller wir diese Daten auswerten können, umso weniger seien wir auf Theorien und die klassische wissenschaftliche Abfolge von Hypothesen, Modell und Test angewiesen.“ (Chris Anderson) 

Datenschutz scheint in diesem Fall weniger von Bedeutung zu sein. Viel mehr scheint es, dass dies nun das genaue Gegenteil von Datenschutz, bei dem man versucht möglichst wenige Daten über sich selbst zu erzeugen bzw. zu veröffentlichen, bedeutet.    

Self-Tracking-Tools zeigen einmal mehr die Tendenz in Richtung Auflösung des Datenschutzes. Daten gegen die Dienstleistung. Dieses Tauschgeschäft kann langfristig gesehen vielleicht sogar den Fortschritt der Forschung begünstigen. Der ohne die gesammelten Daten nicht oder nur verzögert möglich gewesen wäre. 

Gegen so einen Deal ist nicht viel einzuwenden, wenn er nur freiwillig geschieht und für beide Seiten transparent und kündbar ist. Problematisch wird es jedoch dort wo Daten gesammelt, gebündelt und zu Profilen verarbeitet werden. Aber auch in diesem Fall ist der durchschnittliche Nutzer von Facebook und Google mindestens genauso betroffen wie jemand, der sich selbst trackt und seine Daten in einem Onlinekonto speichert [2]. 

Was die Zukunft bringen mag ist nicht gewiss. Gewiss ist jedoch, wir alle erzeugen, inzwischen beinahe automatisch Big Data. Big Data die Unternehmen nicht nur für Werbezwecke und personalisierte Werbung verwenden werden. Vielleicht ist gerade darum Self-Tracking mit Apps wie Runtastic und co. der geeignete Weg, die eigenen Daten wenigstens auch für uns selbst nutzbar zu machen. Sodass man ein Stück weit die Kontrolle über seine Daten wieder zurückbekommen kann. 

 

 

Quellen: 

[1] Hofer, S. (08. März 2013). Abgerufen am 26. Februar 2014 von Profil online: http://www.profil.at/articles/1310/560/354256/zahlenmaessig-big-data

[2] Koch, C. (2013). Die Vermessung meiner Welt. Bekenntnisse eines Self-Trackers. Berlin: Kindle Singles.

[3] Weigert, M. (10. Jänner 2012). Abgerufen am 26. Februar 2014 von Netzwertig: http://netzwertig.com/2012/01/10/quantified-self-sich-selbst-besser-verstehen-lernen/

 

 

 

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