TCP/IP oder der Zement...
Montag, 10. November 2003
User & Windows
Wo stünden wir heute ohne Wilhelm Röntgen, Otto Lilienthal, Samuel Morse, Giuliemo Marconi oder Claude Shannon? Lehrer der Menschheit, die sich allesamt nur einem Grundsatz bedingungslos unterworfen haben: ICH WILL den lebenden Menschen von innen betrachten, fliegen wie ein Vogel, wichtige Nachrichten sofort und ohne langsame Reiterdepesche übermitteln, es noch viel besser machen als mein Kumpel Sam und drahtlos quer über den Atlantik kommunizieren, einer Maschine das Denken beibringen...

Diese Einleitung soll nur Gedankenanstoß sein – wie verschwindend erscheinen gegen Röntgens Krebserkrankung oder Lilienthals Genickbruch doch die Problemchen, mit denen wir uns in der Multimedia-Vorlesung herumschlagen müssen... Auch die Medizin war vor 800 Jahren keine anerkannte Wissenschaft, die oft scharlatanerischen Umtriebe der Alchemisten sind wohl jedermann bekannt. Und dennoch kommt heute kein Mensch mehr auf die Idee, die Chemie, die Medizin oder die Kombination beider, die Pharmazie, in die tiefste Hölle zu wünschen.

Man kann mir nun vorwerfen, dass ich, gelinde gesagt, maßlos übertreibe – nun gut, aber auf diese Art und Weise ist es einfach, dem geneigten Leser einen Spiegel vorzuhalten. Zieht man ein Resümee, bezogen auf unser neues Feld der multimedialen Betätigung, so haben wir es unter dem Strich doch verdammt leicht, oder? Und um diesen Kreis und die Einleitung zu schließen, möchte ich nur auf die beiden ursächlichen Aufträge einer Universität hinweisen: Forschung und Lehre – ersteres besonders über die Schiene des Experiments, und letzteres hoffentlich in der Selbstverständlichkeit und mit der Triebfeder der im ersten Absatz erwähnten Genies...

Es ist nicht ganz einfach, den Ball zu fangen, den mir Professor Mittendorfer im Kommentar zu meinem Erstlingsartikel zugespielt hat – aber ich werde es nichtsdestotrotz versuchen. Leider, leider kann ich mich jedoch nicht mit einem Marconi oder Shannon messen, und so werde ich mich im ersten Teil meiner Ausführungen wieder einmal auf meine pragmatischen Qualitäten als alter Jagdhund verlassen. Im zweiten Teil wird ein hervorragender Kenner der Windows-Welt zu Wort kommen. Den exzellenten Ausführungen im ::Videokonferenz-FHTW-blog noch etwas hinzu fügen zu wollen scheint müßig – es dürfte von Anfang an jedem, der sich mit Datenfernübertragung etwas auskennt klar gewesen sein, dass es sich bei unserem Stolperstein primär um ein Bandbreitenproblem handeln muss. Meiner bescheidenen Einschätzung nach können die Probleme aber auch noch andere, zusätzliche Ursachen aufweisen - kleinere Stolpersteinchen sowie auch derbe Knüppel zwischen die Datenbeine, sozusagen...

Glücklicherweise war ich an der Projektierung einiger Computerlehrsäle der WIFI's Linz und Innsbruck ursächlich als Key Account Manager meiner damaligen Firma beteiligt, weshalb mir Strukturen sehr großer heterogener Netzwerke kein Buch mit sieben Siegeln sind.

„Heterogen“ bedeutet in diesem Kontext, dass verschiedene Betriebssysteme und Rechner unterschiedlicher Bauart eingesetzt werden – die Clients laufen allesamt unter Windows, die Hauptserver verlassen sich – hoffentlich - lieber auf Unix mit der entsprechenden Mainframetechnologie. („Homogen“ dagegen wäre etwa ein reines Microdoof-Netz - sorry Bill, das war ein Freudscher Verschreiber, oder warum sonst baut man bei Dir zu Hause lieber auf Unix-Server...) Selbstverständlich existieren nun unterhalb der Main-Nets auch eine ganze Menge Subnets – Netze innerhalb der Netze also, deren Datenströme sich selbstredend interaktiv beeinflussen wie die Elektronenbewegungen in den Nervensträngen und im Gehirn unseres Körpers. Und natürlich können auch die Unternetze wiederum hetero- oder homogen aufgebaut sein...

Hand auf's Herz: Wer von uns hat noch nie einen größeren Bock im Zusammenhang mit Rechnern geschossen? Wer saß noch nie händeringend-schwitzend vor seinem Monitor, in der Hoffnung, die Maschine möge um Himmels Willen weiterarbeiten... Denn auch im EDV-Bereich fliegen natürlich die Späne dort, wo gehobelt wird, also latent oder offen beim User. Das mag sich nun anhören wie eine Plattitüde, dennoch wird dieser Umstand gerne unterschätzt, wenn nicht sogar negiert. Im Netzwerk-Alltag findet der stets hoffnungslos überarbeitete Systemanalytiker - der arme Teufel, der kommen muss, wenn sich alles in einem unübersehbaren Chaos verabschiedet hat - meistens mittlere Katastrophen vor, die als Funktion der Fehler über die Zeit exponentiell gewachsen sind... Und natürlich kommt es nicht sofort zum Supergau, wenn an irgend einem Rechner irgend jemand etwas „verschustert“ hat, nein, die Fehler summieren sich eben langsam, aber stetig, bis die Bits und Bytes irgendwann endgültig die weiße Fahne hissen, falls nicht konstant gegengesteuert wird. Die Liste der hausgemachten Todsünden reicht von „A“ wie „Abschalten des Virenscanners“ über "N" wie "Nichtbeachten der Anweisungen des Systemadministrators" bis „Z“ wie „(mutwilliges oder unbeabsichtigtes) Zerstören der empfindlichen Einstellungen in der Systemsteuerung und/oder der Registry“ – und sie ist so lang wie eine tibetanische Gebetsrolle. Leistungseinbußen, gravierende Fehlfunktionen und Totalabstürze in Teil- oder Gesamtnetzen aufgrund von Pilot’s Errors sind daher an der Tagesordnung...

Allein das bisher gesagte birgt in der Praxis dermaßen viele Mausefallen, dass die Verwaltung eines wirklich großen Netzes nicht nur nach einem einzelnen hochausgebildeten, hauptberuflichen Systemadministrator verlangt, sondern nach einer ganzen Division echter Könner. Mein Kompliment an die Damen und Herren unseres ZID – ich weiß, wie nervenaufreibend euer Job dort sein kann...

Doch diese selbstverschuldeten Ecken und Kanten jedweder Provenienz sind nur der Tragödie erster Teil. Wer sich berufen fühlt, sich mit Systemanalytik zu beschäftigen und sich bereits Basiskenntnisse erworben hat, dem möchte ich den „Networker’s Guide“ von Frank R. Walther wärmstens ans Herz legen. Die folgenden Ausführungen basieren größtenteils auf Walther und ich werde versuchen, meine Rolle als Übersetzer und Interpreter wahrzunehmen. Über diesen Weg sollte es mir eventuell möglich sein, ein gewisses Verständnis für die Komplexität der behandelten Materie zu wecken. Technik, und insbesondere Computertechnik, stellt eine der tragenden Säulen jeglicher multimedialen Arbeit dar. Es erscheint daher völlig legitim, diesen Obelisken wenigstens zu beleuchten, und daher erlaube ich mir, im zweiten Teil dieses Artikels auf Probleme des alles beherrschenden Betriebssystems „Windows“ kurz einzugehen.

Dozent Brody stellte die Frage, ob Technik wohl besser ohne den Menschen funktioniere, am 27.10.03 mit einem süffisanten Lächeln in den Raum. Und ich will diese Frage – zumindest bezogen auf unsere Probleme in den Vorlesungen – ganz offen mit einem ebensolchen Lächeln verneinen, denn selbst wenn man den Benützer ausschließt – was klarerweise unmöglich ist – so bleiben noch immer die bugbehafteten Betriebssysteme der Windows-NT-Familie (Win NT, 2000, XP), für deren Fehler (oder „Bugs“, Wanzen) man die User einfach nicht verantwortlich machen darf.

„Windows-Rechner tun nicht immer, was der Anwender oder System Operator will. Oft tun sie sogar Dinge, die ihnen strikt untersagt wurden.“ Frank R. Walther weiß, wovon er spricht. Seine Erfahrung, Seriosität und Professionalität sind international anerkannt.

„Win-Server senden IP-Broadcasts, ohne dass der Sysop davon gewusst hätte.“ (Walther) "IP-Broadcast" stellt einen Sammelbegriff für das Übertragen von Nachrichten, leitungsgebunden oder auch drahtlos, dar. Es ist schlicht und ergreifend ein Trauerspiel, wenn sich der Server „verselbständigt“ und seinen Gebieter im Regen stehen lässt...

"Win-Clients suchen im Internet nach Rechnern Ihrer Firma/Organisation" (ebd.) ...und werden natürlich in tausend Jahren nicht fündig – dafür gibt es mannigfaltige Ursachen, und darauf einzugehen würde zu weit führen.

„Win-Rechner halten Internet-Router für WIN-Server und versuchen daher, dort draußen im Internet Namensauflösung zu betreiben.“ (ebd.) Ein „Router“, zu Deutsch „Wegwähler“, stellt so etwas wie einen Verknüpfungsrechner zwischen großen Netzwerken dar. Wegeinstellungen von Hand sind in Großnetzen nicht mehr möglich, ein Router übernimmt daher diese Aufgabe – fast – immer optimal. Falls es nun zu Verwechslungen und/oder Konflikten zwischen Server und Router kommt, folgen automatisch graue Haare.

„Win-Rechner benutzen DNS, obwohl selbiges deaktiviert wurde.“ (ebd.) Der Domain Name Server übersetzt die symbolischen Internetadressen, wie z.B. www.mozart.at,
in numerische IP-Adressen (z.B. 129.187.10.25). Hierbei dreht es sich um eine Frage der Einstellungen und des Konzepts des Gesamtsystems, ob und auf welchen Rechnern DNS aktiviert sein muss. Es bedarf allerdings keiner ausgeprägten Phantasie, zu erahnen, dass es niemals gesund sein kann, wenn ein Rechner nicht exakt das tut, was man ihm auferlegt...

„Win-Treiber missachten alle Regeln der „TCP Sliding Window Flow Control“ und sorgen dafür, dass sämtliche WTS (Windows Terminal Server) extrem lange Antwortzeiten haben.“ (ebd.) Dem ist nichts hinzuzufügen...

„Die Windows-Systemsteuerung „Netzwerk“ gleicht manches mal den Dörfern des berühmten Herrn Potemkin: Schöne Fassade. Nicht alles, was die Datenkommunikation ... steuert, erscheint in der Systemsteuerung. Und nicht alles, was man in der Systemsteuerung einträgt, hat den gewünschten Erfolg, da die Gesamtheit ... etwas ganz anderes bewirken kann als das, was einem bei der Konfiguration ... vorschwebte." (ebd.)

Der Systemanalytiker Walther bezeichnet Windows durchaus nicht als schlechtes Betriebssystem, und dem kann ich nur beipflichten. (98% aller User wären wahrscheinlich ohne die Entwicklungen eines Bill Gates und seiner Mannen mit einem Computer hoffnungslos überfordert und sozusagen lost in Cyberspace...) Er zeigt und beweist aber auch ganz klar, was der Durchschnittsuser nur erahnen oder, weil es eben schick ist, auf Microsoft zu schimpfen, nachplappern kann: Windows itself macht Fehler, und zwar keine kleinen.

Man sieht also, dass die Echtzeitübertragung so immenser Datenmengen, wie sie bei Videokonferenzen anfallen, ein ganz so einfaches Ding dann doch nicht ist. Und dennoch erachte nicht nur ich es für sicher, dass dieses Medium noch im Laufe des Jahres 2004 seinen absoluten Durchbruch schaffen wird. Betrachtet man die schwindelerregend rasante Entwicklung auf dem EDV-Sektor, so kann man zu keinem anderen Schluss kommen als Dr. Hans Herbert Schulze: „Trotz des großen Aufwands von Videokonferenzen werden sie sich durchsetzen, da dadurch andere Kosten für Reise, Unterbringung, Verpflegung usw. wegfallen.
Videokonferenzen sind deshalb für viele Kongresse, die heute noch an einem Ort durchgeführt werden, die künftige Veranstaltungsform.“ (Lexikon Computerwissen, rororo, April 2000)

Wie alles sich zum Netzwerk webt,
Eins in dem andern wirkt und lebt!
Wie Datenströme auf und nieder steigen
Und sich die falschen Wege zeigen.
Mit segenduftenden Schwingen
Vom Server in den Client dringen,
Elektrisch durch die Kabel klingen!
Welch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur
Wo fass ich dich, Computerkreatur?

www.goethe.at

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Hans.Mittendorfer.Uni-Linz, Mittwoch, 12. November 2003, 18:14
gut, weiter so
aber ergänzen möchte ich die Anmerkung, dass es sich bei den "Problemen" keinesweges "nur" um zu geringe Bandbreiten handelt. Ich bin der Überzeugung dass die fehlende Bandbreite zwischen den Standorten Berlin, Linz und Salzburg nicht zur Sinnentleerung der Videokonferenzen geführt hat und hätte. Es sind viele Einflussfaktoren des komplexen, sozio-technischen Systems: Internet.

H. Mittendorfer

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