Artikel Wird die Gesellschaft durch das Web demokratischer?

jutta.mayr.uni-linz, 29. April 2015, 22:11

Vor einiger Zeit hätte ich diese Frage noch mit einem „ja“ beantwortet und dies damit begründet, dass die Bürger im Internet ihre eigene Meinung und Einstellung kundtun und diese auch grenzüberschreitend verbreiten können. Aber das Web ist keineswegs so unregulier- und unkontrollierbar wie früher gedacht, und es ist auch nicht der von vielen Usern erhoffte herrschaftsfreie Raum der die Kommunikation aller mit allen ermöglicht. [Q1]

Das Internet und die Möglichkeit online zu kommunizieren haben unser soziales Leben zweifelsfrei verändert und auch die Politik vor neue Herausforderungen gestellt. Das Internet wird mittlerweile als Bühne genutzt, auf der mit Hilfe und Einfluss der neuen Medien um Macht gerungen wird. Zahlreiche Regierungen und Diktaturen haben längst beschlossen, ihre Machtposition auszunutzen. Die staatliche Regulierung hat – gemeinsam mit der exzessiven Kommerzialisierung - längst Auswirkungen auf das einst als frei geglaubte Internet und somit auch auf die effektive Informationsfreiheit. Dies wird neben dem Kampf gegen rechtswidrige Inhalte überwiegend mit dem scheinbar harmlosen Argument begründet, die unendliche Fülle an Informationen für die Benutzer übersichtlicher gestalten zu wollen. [Q1]

Als Beispiel angeführt werden kann das 2012 in Russland eingeführte Mediengesetz zum Kampf gegen Internetkriminalität. Hierfür wurde eine schwarze Liste mit Internetseiten erstellt, welche von allen Providern ohne vorherigen Gerichtsbeschluss gesperrt werden müssen. Diese schwarze Liste ist für die Bevölkerung jedoch nicht öffentlich einsehbar, wodurch viele Bürger eine weitreichende Internetzensur vermuten. Die Internetprovider, welche für die Durchsetzung der Sperren verantwortlich sind, werden zu einem Werkzeug des Staates gemacht. [Q2]

Auch die Türkei hat mehrfach mit landesweiten Sperren von Sozialen Netzwerken für Aufsehen gesorgt, unter anderem nachdem ein Telefonmitschnitt verbreitet wurde, welcher Präsident Erdogan unter Korruptionsverdacht brachte. [Q3]

Im Jänner und Februar 2011 wurde von der ägyptischen Regierung eine Abschaltung des gesamten Internet angeordnet, um demokratische Bewegungen zu unterbinden indem man die Demonstranten nicht nur untereinander, sondern auch vom Rest der Welt trennt. Auch in China tilgt ein komplexes System von Filtern und Sperren unerwünschte Inhalte, mittlerweile spricht man von der Chinesischen Mauer 2.0. Im Oktober 2012 wurde sogar der Zugang zu Google gesperrt. [Q4]

Wie kann sichergestellt werden, dass die Sperre bestimmter Webseiten tatsächlich nur dem Kampf gegen rechtswidrige Inhalte dient und nicht als Werkzeug der Zensur missbraucht wird, um regierungskritische Informationen zu unterbinden? Wie kann die Informationsfreiheit gesichert werden und vermieden werden, dass Regierungen und Machthaber das Internet missbrauchen, um die Bürger zu überwachen und durch Filterung oder Manipulation der Internetinhalte ein Bild zu vermitteln, welches nicht mit der Realität übereinstimmt?

Auf der anderen Seite können die vielen neuen Möglichkeiten, die uns das Internet eröffnet, nicht nur zum Zweck der Manipulation und Einschränkung missbraucht werden, sondern der Demokratie auch dienlich sein. Über das Internet können beispielsweise Protestaktionen nicht nur regional, sondern grenzübergreifend formiert werden und Bürgerinitiativen finden in Sozialen Netzwerken rasch weitere Anhänger, die das Anliegen unterstützen und weiterverbreiten. Darüber hinaus trägt das Web dazu bei, das Monopol der klassischen Massenmedien zu untergraben. [Q1]

Zusammenfassend würde ich sagen, dass das Internet zwar das Potential hat, die Gesellschaft demokratischer zu machen, dies aber nur dort umgesetzt kann, wo bereits entsprechende liberale Grundbedingungen herrschen.

„Das Internet ist das, was man daraus macht – und das kann alles sein!“ [Q5]


 

Quellen:

Alle angeführten Onlinequellen wurden im April 2015 aufgerufen.

0 comments :: Kommentieren