Erfolge haben bekanntlich viele Eltern. Das World Wide Web wird meist mit dem Namen Sir Tim Berners-Lee in Verbindung gebracht, was durchaus seine Berechtigung hat. Doch, wie alle Ergebnisse in Wissenschaft und Kultur, sind auch Aufsehen erregende Meilensteine so gut wie immer das Ergebnis eines, über Jahre bis Jahrzehnte hindurch, von vielen Mitwirkenden geflochtenen Bandes.
Ted Nelson ist ein namhafte (Groß)elternteil des World Wide Web. In seinem Werk, "Literary Machines" 1980 im Eigenverlag publiziert, stellt er die grundlegende Idee des Schreibens und Lesens mit und in Hypertexten dar.
Rainer Kuhlen hat 2004 einen Beitrag mit dem Titel "Wenn Autoren und ihre Werke Kollaborateure werden - was ändert sich dann? Oder: Wenn Kommunikation ein Recht, gar ein Menschenrecht wird - was ändert sich dann?" veröffentlicht und das heute noch gängige Autoren-Bild, abgeleitet vom romantischen Geniebegriff, radikal entmystifiziert. Kuhlen hat u.A. Ted Nelson's Idee aufgegriffen und weiterentwickelt.
Zentrale Aussagen aus dem Werk:
Kommunikationsrechte, das right tomcommunicate, (r2c) als universal und fundamental anzusehen. (Seite 12)
Dargestellt werden die Folgen des neuen kommunikativen und kollaborativen Verhaltens (Seite 4):
für den Begriff der Autorenschaft, über den intellektuelle Werke bislang überwiegend individuell zugerechnet und geschützt werden, für Verteilung/Publikation der Ergebnisse, Produkte der Wissenschaft, aber auch des weiteren
Kulturbereichs aus Kunst und Unterhaltung und damit für den weltweiten Zugriff auf die Ressourcen von Information und Kommunikation,
für Formen des Wissensmanagement in organisationellen Umgebungen,
für Lehren und Lernen, wenn zunehmend kollaboratives Arbeiten ermöglichende neue Lehr- und Lernformen zum Einsatz kommen,
für die Rolle der Medien, die bislang weitgehend das Monopol für die Erstellung politischer Öffentlichkeit und des Agenda setting haben,
für die Entwicklung neuer partizipativer deliberativer Formen des politischen Systems.
Also sind es nicht nur die Autoren, die sich kollaborativ verhalten, sondern die Texte, die Dokumente selber (Seite 3)
Ein geglücktes kollaboratives Werk ist, nicht zuletzt durch seine Verknüpfungsstrukturen, mehr als die Summe der vielleicht noch mit Mühe einzeln referenzierbaren Wissensstücke (Seite 5)
Eine dynamische Sicht auf das Wissensmanagement hingegen nimmt Wissen nicht als gegeben an, sondern betont den Prozess, wie Wissen in vielfältigen Kommunikationsprozessen entsteht,.. (Seite 9)
Der Grundgedanke kollaborativen Lernens beruht darauf [Soller et. al. 1998], das Wissen nicht als statischer Inhalt gesehen wird, der z.B. über Vorlesungen vermittelt wird und den es sich überwiegend rezeptiv anzueignen gilt, sondern als konstruktiver Prozess, der sich im Diskurs ständig weiterentwickelt, der also grundsätzlich offen und durch Referenzierung auf „Wissensstücke“ anderer Lernender oder aus externen Ressourcen intensiv vernetzt ist. (Seite 10).