Foursquare: 1984 für die Hosentasche

Klaus.Schaechner.Uni-Sbg, 28. Mai 2010, 16:32

Eine polemische Vorausschau: In ein paar Jahren geht niemand mehr in den Buchladen um sich einen Reiseführer zu kaufen. Kein Mensch läuft mehr suchend durch eine fremde Stadt und sucht eine Kneipe, die ihm oder ihr gefällt. Und niemand ruft auch nur eine Sekunde länger Freunde an um herauszufinden wo sie sind. Wird die Zukunft so einsam? Nein, das wahrscheinlich nicht. Aber diese Tätigkeiten werden immer häufiger auf dem Display eines Smartphones als in der "echten Welt" erledigt.

Wie ist das möglich? Wir erleben derzeit einen Smartphone-Boom: Geräte von Apple oder HTC werden immer salonfähiger, Betriebssysteme wie iPhone OS oder Android immer vielseitiger und gleichzeitig intuitiver zu bedienen. Software-Entwickler für Mobiltelefone werfen täglich hunderte neue Apps in die virtuellen Läden - neben Gimmicks und Minispielen gibt es auch sogenannte "Mashups". Das sind Dienste, die sich wie ein Flickenteppich aus anderen Diensten wie YouTube, Twitter oder Facebook zusammensetzen und oft sogar mit geographischen Daten verknüpfen (sogenannte "Location Based Services").

Foursquare als iPhone-AppDas wohl prominenteste Beispiel dieser Mashups stellt der amerikanische Dienst "Foursquare" dar. Meine Kollegin Tina Ornezeder hat in ihrem Artikel "Ich weiß, wo du dich rumtreibst" schon die Kernpunkte und Vorzüge von "Foursquare" erfasst - ich will dem Thema dagegen etwas kritischer begegnen.

Foursquare: Interaktives Spiel und Städteführer

Aber noch einmal in aller Kürze: Was ist "Foursquare"? Handynutzer können sich die Foursquare-Anwendung für ihr entsprechendes Betriebssystem herunterladen und ein Profil erstellen. Sie können dann...

  • ... mit der GPS-Funktion ihres Smartphones an bestimmten Orten "einchecken".
  • ... ihren Account mit ihrem Facebook- oder Twitter-Profil verknüpfen. Jeder "Check-In" wird dann auf Wunsch sofort getweetet oder auf Facebook für Freunde sichtbar gepostet.
  • ... "Check-In-Punkte" sammeln: Der User mit den meisten "Check-Ins" an einem bestimmten Ort, wie zum Beispiel einer Bar, bekommt dann mitunter Vergünstigungen.
  • ... Reviews über Orte schreiben: War das Hotel gut? Die Bar schlecht? Die Drinks lecker? Die Jungs oder Mädels dort besonders hübsch?

"Foursquare" funktioniert gerade deshalb so gut, weil jeder Nutzer mit anderen Menschen interagiert. Das Sahnehäubchen auf dem Erfolg des Dienstes ist die Wettbewerbs-Situation, die durch das Punkte-Sammeln an bestimmten Orten entsteht: Welcher Salzburger Studierende wäre nicht gerne "Mayor" in den Irish Pubs am Rudolfskai und bekäme dafür ein paar Pints umsonst?

Vorsicht ist geboten

Doch bei allem Mehrwert und Spielspaß den "Foursquare" und artverwandte Dienste bieten, müssen Nutzer solcher Programme vorsichtig sein. Denn genau wie sich die Nutzer des Social-Networks "Facebook" aus Unbewusstsein oder Naivität zu Daten-Exhibitionisten machen, laufen Teilnehmer an "Location Based Services" Gefahr zum gläsernen Mobilfunknutzer zu werden.

Ein Schreckensszenario für viele Teilnehmer an Social Networks ist sicherlich, wenn private oder sogar intime Nachrichten plötzlich öffentlich werden. Die Seite "Failbook" dokumentiert peinliche oder unabsichtliche Facebook-Posts (sehr empfehlenswerte Seite für die Mittagspause). Leider gibt es kein Äquivalent für "Foursquare", doch die Szenarien sind denkbar: Ein unbeabsichtigter "Check-In" im Laden für Erwachsenenspielzeug oder in der Entzugsklinik und der Ruf ist fürs Erste im Keller.

Wer Mobiltelefone, gleich ob mit oder ohne GPS, benutzt, der lässt auch immer Rückschlüsse über seinen aktuellen Aufenthalt zu. Bislang können nur die Netzbetreiber und im dringenden Verdachtsfall die Staatsanwaltschaft in diese Daten einsehen. Wer einen Dienst wie "Foursquare" nutzt, stellt sein Bewegungsprofil für eine breite Öffentlichkeit zur Verfügung. Freiwillig. Nicht nur macht sich der Nutzer so zum gläsernen Menschen, sondern bettelt damit auch: Please rob me!

Dazu kommt, dass auch "Foursquare" ein Gratisdienst ist, der sich irgendwie finanzieren muss. Besonders bei einem derart Konsum-orientierten Dienst wie "Foursquare" besteht dabei die Gefahr, dass Nutzerprofile mit Vorlieben, Bewegungsprofil und Konsumverhalten erstellt und an Dritte verkauft werden. Käme so ein Fall ans Tageslicht wäre der Aufschrei mit Sicherheit groß - aber niemand kann behaupten, dass es unvorhersehbar sei: Facebook, Google und Co. verfahren schließlich schon seit Jahren mit diesen Praktiken. Das pikante an einem Datenskandal bei "Foursquare" wäre allerdings die Verknüpfung der Profile mit geographischen Daten

Fluch oder Segen?

"Foursquare" kann ein nützlicher Dienst für jeden Smartphone-Nutzer sein, bei dem man sich schnell mit Freunden über angesagte Locations austauschen und um das "Bürgermeisteramt" wetteifern kann. Ein bisschen "World of Warcraft" in der echten Welt. Wie aber bei allen Informationen, die man über sich preisgibt, sollte man aufpassen wem man welche Daten über einen selbst anvertraut. Bei "Location Based Services" ist die geografische Referenz, die man von sich erteilt ein großes Privatsphäre-Risiko: Wollen wir wirklich freiwillig zu gläsernen Bürgern werden?

 

Foursquare ist natürlich nicht der einzige Dienst, der auf diese Weise funktioniert. Meine Kollegin Iris Schneider hat sich kritisch mit "Google Latitude" auseinandergesetzt und mein Kollege Johannes Mitterer hat den Dienst "Gowalla" untersucht.

1 comment :: Kommentieren

Theresa.Buegl.Uni-Sbg, 28. Mai 2010, 17:36

ich finde deinen beitrag sehr interessant, da du auch kritisch mit dem thema mediennutzung bzw. medienkompetenz umgehst. auf jeden fall wird diese kritik immer bestehen bleiben, doch gleichzeitig hinterlässt man selbst auch ohne internet genügend spuren, wie z.B. kreditkartenzahlung, bonussystem-karten bei lokalen drogerie bzw. supermärkten etc.und dem fingerabdruck(!) den man bei beantragung eines neuen reisepasses nun abgeben muss.

wenn dich interessiert, was man als freizeitaktivität mit gps so anstellen kann und wie schnitzeljagd im jahr 2010 aussieht, kannst du dies in meinem beitrag über geocaching nachlesen und dir auch videoclips dazu ansehen!

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