Google - Netter Nachbar oder Big Brother?

Klaus.Schaechner.Uni-Sbg, 7. Juli 2010, 18:59

Comic zur Illustration des Lebens vor GoogleKein anderes Unternehmen hat das World Wide Web, so wie wir es heute kennen, derart geprägt wie Google. Ein Leben im Web ohne die bekannte Suchmaschine scheint den meisten wahrscheinlich kaum noch denkbar. Das Unternehmen, dass sich das Motto „Don’t be evil“ auf die Fahnen geschrieben hat, erleichtert unser Leben und macht nicht nur die Web-Navigation um vieles einfacher. Doch ist Google nur freundlich und gar kein bisschen böse? In einer kritischen Betrachtung will ich die guten und schlechten Seiten des Suchriesen erfassen und eine Antwort auf diese Frage finden.


Die nützliche Seite


Google startete 1998 als Suchmaschine, die sich von der Konkurrenz schlichtweg dadurch abhob, dass sie einfach und schlank war. Bei den langsamen Internetverbindungen dieser Zeit sollte sich dieses Konzept als Erfolg erweisen. Mittlerweile beherberg Google schon eine Vielzahl von Diensten, die sich bei Registrierung alle mit einem Account erreichen lassen.


Mit Google-Mail etablierte das Unternehmen einen E-Mail-Dienst, der mit sieben Gigabyte nicht nur großen Speicherplatz bietet, sondern auch mit der eigenen Suchfunktion für mehr Übersicht im Postfach sorgt. Der Google-Kalender ist einfach aufgebaut und lässt sich leicht mit Dektop-Mailprogrammen, wie Outlook und Thunderbird, oder Mobiltelefonen synchronisieren. Das gleiche gilt für den Google-Reader, mit dem man RSS-Feeds auf Handy und Computer synchron halten kann.


Google-Maps ist nicht „nur“ ein abfotografiertes Abbild der Welt: Mit dem Kartendienst lassen sich Fahrtstrecken planen und Adressen auf den Meter genau finden. Eine große Community beteiligt sich an der Weiterentwicklung der Karten bis ins kleinste Detail. Von Sehenswürdigkeiten, über Bars, bis zu Sportstadien haben Nutzer schon alles eingetragen und mit Text oder Bild versehen was interessant erscheint. Manche modellieren sogar 3D-Gebäude für die räumliche Darstellung von Google-Earth. Derzeit fotografiert Google mit Straßenfahrten durch Europa die Welt aus der Bodenperspektive ab und bringt die Panoramabilder als Street-View ins Web.


Besitzer von Mobiltelefonen mit Android-Betriebssystem, das eigens von Google für mobile Geräte entwickelt wird, können so ihr Smartphone als Navigationsgerät mit echten Straßenaufnahmen verwenden. Bilder, die mit dem Handy geschossen werden, können Freunden umgehend auf Googles Bilderdienst Picasa gezeigt werden. Die Liste der Angebote geht noch weiter: Mit Google-Books kann man Bücher online lesen, Google-News filtert die Schlagzeilen des Tages, Google-Documents ist Office in der Cloud und Google-Wave macht Echtzeitkollaboration möglich (hier klicken für eine Übersicht aller Dienste).


Das Unternehmen macht auch vor dem eigenen PC nicht Halt: Google-Desktop holt die Suchmaschine auf den Rechner und Google-Chrome ist schon lange keine Randerscheinung mehr. Mit Chrome OS plant Google im Herbst den nächsten Coup. Ein schlankes Betriebssystem soll ein Rundum-Sorglos-Paket für all jene werden, welche die Zeit am PC ohnehin fast nur mit Internet und Office-Anwendungen verbringen.
Alles mit einem Account. Alles kostenlos. Wo ist da der Haken?


Gefahren für Privatsphäre und Datenschutz


Der Haken ist schnell ausgemacht: Google will unsere Daten. Und wir geben diese Auskunft sogar freiwillig. Indem wir nach Begriffen, Mails senden und empfangen oder Adressen finden wollen füttern wir den Datenkraken schneller als uns lieb ist. Google speichert Suchanfragen und verknüpft sie mit Account oder IP-Adresse, liest in unseren Mails mit und merkt sich die Orte, die wir ansehen. Aber warum macht das Unternehmen das?


Google erwirtschaftet seine Gewinne fast ausschließlich durch Werbung. Mit AdSense und AdWords schafft es das Unternehmen, Anzeigen zu schalten, die auf den Nutzer der jeweiligen Seite zugeschnitten sind. Nie war es leichter für die Werbeindustrie, ihren Kunden maßgeschneiderte Kaufempfehlungen zu geben. Um das zu realisieren, muss Google das Nutzungsverhalten der Seitenbesucher analysieren und auswerten.


So bekommen wir zu jeder Suchanfrage, zu jeder Mail die passende Anzeige geschaltet. Für den sorglosen Laien mag dies nach keiner großen Sache aussehen. Doch Google speichert für diese Werbezwecke ausnahmslos alle Daten über einen bestimmten Zeitraum hinweg. Und wo Daten sind, entstehen auch Begehrlichkeiten, wie beispielsweise durch Staat oder Industrie: Politiker der Westlichen Welt versuchen schon seit Jahren durch Panikmache über Terror, Gewalt und Kriminalität einen Überwachungsapparat auszubilden (vgl. Gaycken/Kurz 2008, 13f). Die Film- und Musikindustrie will nicht nur mit dem derzeit verhandeltem ACTA-Abkommen verhindern, dass Menschen ihre Produkte kopieren und verklagt ertappte Täter auf horrende Summen. Was passieren würde, wenn die riesigen, miteinander verknüpften Datenberge in die falschen Hände gerieten mag man sich besser nicht ausmalen. Zwar beteuert Google, dass die Daten sicher und vor Missbrauch geschützt sind, doch mehr als ein Versprechen haben wir als Nutzer nicht.


Eng verknüpft mit dem Problem des Datenschutzes sind die Sorgen um Privatsphäre. Schließlich vertrauen wir der Suchmaschine intime Details an: Wem es irgendwo zwickt, der googelt seine Symptome. Wer ein Vergehen begangen hat, sucht nach Rechtsberatung im Netz. Wir machen uns also selbst zu gläsernen Menschen und setzen Vertrauen in ein einziges Unternehmen, dass diese Daten niemals die Google-Server verlassen.


„If you have something that you don't want anyone to know, maybe you shouldn't be doing it in the first place.“

Eric Schmidt, Google CEO


Doch der Verlust von Privatheit ist nicht nur Eigenverschulden. Google will in den kommenden Jahren die automatische Gesichtserkennung auf Android-Mobiltelefonen einführen – ein Foto einer Person soll damit ausreichen um ihre Identität festzustellen. Google Street View fotografiert in Gärten, Fenster, Schlafzimmer und nimmt Menschen in peinlichen Situationen auf. In vielen Ländern, die von Street-View-Cars besucht wurden hebt sich deshalb der Widerstand gegen diese Vorgehensweise. Bereits 2007 hat Google 4,4 Millionen US-Dollar in das Genetik-Unternehmen Navigenics investiert. Dort kann sich jeder für 2500 US-Dollar auf eine Reihe von Erbkrankheiten untersuchen lassen. Was Google mit diesem Engagement bezweckt ist noch ein Rätsel – doch ein Unternehmen, das die Sorgen und Interessen seiner Nutzer kennt und zudem noch Zugriff auf eine große DNA-Datenbank hat, muss sich den Vergleich mit Big Brother gefallen lassen.

 








Was also tun?


Google ist so allgegenwärtig im Web, dass es schwierig ist, sich dem Konzern zu entziehen. Zumal es auch noch bequem ist, alle wichtigen Dienste und Tools für das Internet an einem Platz zu haben. Wer sich jedoch Sorgen um seine Privatheit macht, kann auf eine Reihe von Möglichkeiten zurückgreifen:

  • Die Dienste streuen: Es muss nicht immer Google-Maps, -Mail oder -News sein. Auch andere Anbieter bieten nahezu gleichwertige Alternativen für alle Google-Anwendungen.
  • Vertrauenswürdige Dienste suchen: Die Metasuchmaschine Ixquick speichert die IP-Adressen seiner Besucher nicht. Apples Cloud-Service MobileMe ist zwar kostenpflichtig, aber dadurch müssen keine Daten für Werbung gesammelt werden.
  • Bewusstsein entwickeln: Man kann Google auch weiter benutzen, wenn man sich über die Konsequenzen des eigenen Handelns bewusst ist. Die Komfortfunktionen der Google-Anwendungen müssen nicht verloren gehen, aber vielleicht hält man vertrauliche Details über sich oder andere besser zurück und nutzt dafür, wie schon gesagt, andere Dienste.

 

Fazit


Die Frage ob Google böse ist oder nicht, lässt sich nicht leicht beantworten. Ganz sicher aber ist Google nicht der nette Freund aus der Web-Nachbarschaft, der selbst- und kostenlos mit Bonbons um sich wirft. Von dieser Vorstellung müssen wir uns also verabschieden. Denn der Konzern aus Mountain View ist ein Wirtschaftsunternehmen, dessen Aktien an der Börse gehandelt werden und dessen Gewinn durch Werbung erwirtschaftet wird. Google ist zu einem Imperium geworden, das nach Profit strebt und dafür immer mehr Daten seiner Nutzer sammeln will.


Aber es liegt nicht allein an Google, dass unsere Privatheit und Daten sicher bleiben. Es muss ein Bewusstsein bei Internetnutzern entstehen, das einen kritischen Umgang mit Konzernen wie Google oder Facebook zum Ziel hat.


Literatur


Gaycken, Sandro/Kurz, Constanze (Hg.) (2008): 1984.exe. Gesellschaftliche, politische und juristische Aspekte moderner Überwachungstechnologien. Bielefeld: transcript.


Reppesgaard, Lars (2008): Das Google Imperium. Hamburg: Murmann.


Podcast


Chaosradio 154: Wer hat Angst vorm Googlemann. Über Risiken und Nebenwirkungen bei der Onlinenutzung.

1 comment :: Kommentieren

Ein "roter Faden der ..

Hans.Mittendorfer.Uni-Linz, 27. Juli 2010, 12:19

.. - nicht unberechtigten - Skepsis zieht sich durch Ihre Datrstelltung. Ein guter Beitrag zum Thema.

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